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Beitrag zur Zellentheorie der Professor A. Ledebur hat in dieser Zeit schrift* einen sehr vollständigen und vollkommen zutreffenden Auszug aus einer Denkschrift mit- getheilt, welche von uns unter dem Titel: Theorie cellulaire des proprits de l’acier in den »Annales des mines«** veröffentlicht worden ist. Wir bedanken uns bei dem Herrn Bericht erstatter für die unserer Arbeit geschenkte Aufmerksamkeit und für die daran geknüpften kritischen Betrachtungen, denn nichts erscheint uns für unsere Theorieen nützlicher als eine Besprechung derselben von so hoch geschätzter Seite, da wir dadurch eine uns höchst willkom mene Gelegenheit erhalten, unsere Ideen von neuem zu prüfen und sie im Bedürfnifsfalle zu berichtigen. Eine Theorie darf ja nicht den Anspruch erheben, die Wahrheit zu sein, sondern sie ist nur ein vorläufiges Mittel, um die That- sachen in Zusammenhang zu bringen und zu weiteren Versuchen anzuregen. Professor Ledebur wirft uns namentlich vor, dafs wir die mechanischen Eigenschaften des Flufseisens nicht in genügender Weise erklären können. „Osmond und Werth“, ist der Kern seiner Kritik, „erklären die Wirkung der Bear beitung mittelst Hämmern durch die Hervorru- fung einer molecularen Aenderung des Eisens; aber eine solche Bearbeitung ändert ebenso auch die mechanischen Eigenschaften vieler anderer Metalle und diese Aenderungen werden ebenfalls durch Glühen wieder auf ihr ursprüngliches Mafs zurückgeführt. Soll man deshalb ebenfalls ein a- und S-Kupfer und G- und B-Messing u. s. w. annehmen?“ Nun haben wir selbst durch calorimetrische Versuche nachgewiesen, dafs das Kupfer durch Bearbeitung keine moleculare Aenderung erfährt, weil es sowohl vor wie nach der Bearbeitung bei derselben Reaction genau dieselbe Wärme menge entwickelt. Wir würden daher wenig Glück mit einer Erklärung haben, zufolge deren die allgemeinen Aenderungen , welche das Häm mern in den mechanischen Eigenschaften hervor ruft (oder hervorzurufen scheint) in molecularen Umgestaltungen ihren Grund haben sollen. Bei Aufstellung dieser Theorie hatten wir nur die dem Flufs- und Schweifseisen eigenthümlichen Eigenschaften im Auge. Die kritischen Bemerkungen von Professor Ledebur haben uns überzeugt, dafs wir bei der Abfassung unserer Abhandlung ausführlicher hätten sein müssen und namentlich diese noth * Juni 1886, S. 374 bis 386. ** Juli und August 1885, S. 5 bis 84. VIII.o Eigenschaften des Flufseisens. wendige Unterscheidung mehr hätten hervor heben sollen. Wir möchten daher in dieser Richtung unsere Theorie in schärferer Weise zum Ausdruck bringen und nehmen hierzu in der folgenden Mittheilung Gelegenheit.* Die übliche Gewohnheit, die Bruchbelastung der Metalle auf den anfänglichen Querschnitt der Probestäbe zu beziehen, hat eine Verwirrung hervorgebracht, welche aus dem feilschen Sprach gebrauch auch häufig zu einer irrthümlichen Auffassung geführt hat. Wenn man sagt, dafs durch das Hämmern die Bruchbelastung gewisser Metalle erhöht wird, so wendet man einen Aus druck an, welcher, buchstäblich genommen, un bedingt unzutreffend sein würde. Die wirkliche Bruchbelastung, d. h. das Verhältnifs des Maxi malgewichts, welches der Probestab an der Ein schnürungsstelle trägt, wird im allgemeinen durch das Hämmern nicht beeinflufst; nach dem Hämmern ändert sich nur der anfängliche Quer schnitt, durch den man die gesammte Maximal belastung dividiren mufs. Die auf den ursprüng lichen Querschnitt bezogene Bruchbelastung steht überhaupt nicht, wie man vielfach geneigt ist anzunehmen, in directem Verhältnifs zur Wider standsfähigkeit, sondern zur Schmiedbarkeit. In den meisten Fällen hat das gehämmerte Metall an Festigkeit weder gewonnen noch verloren, son dern es ist einfach weniger schmiedbar geworden, weil durch das Hämmern die gesammte Defor- mationsfahigkeit, welche das Metall vor dem I Bruch zu ertragen vermochte, bereits zum Theil erschöpft ist. Es sind dies allgemeine, einer grofsen Zahl von Körpern gemeinsame Eigenschaften, die keineswegs, wie auch von Professor Ledebur richtig bemerkt worden ist, eine Zuhülfenahme der molecularen Aenderungen & und ß erfordern. Nach unserer Meinung wird indessen 1. diese Aenderung durch Hämmern speciell bei Flufs- und Schweifseisen hervorgerufen und kommt 2. dieselbe durch charakteristische Anzeichen in den mechanischen Erscheinungen zur Geltung. Wir kommen nicht auf das Vorhandensein der beiden in zwei verschiedenen Formen a und ß in Eisen zurück, da wir dasselbe * Wir bemerken hierzu, dafs wir nicht die Ab sicht haben, über diese theoretischen Fragen eine Polemik in unserer Zeitschrift zu eröffnen. Wir glaubten aber den ergänzenden auf besonderen Versuchen begründeten Mittheilungen der Herren Verfasser der kritischen Arbeit die Aufnahme nicht verweigern zu sollen, erklären aber hiermit die Frage als vorläufig für uns erledigt. Die Redaction. 4