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ML«! Erscheint allen 44 Tage Z^ref/ags' Druck». Verlag: Alwin ONai^,Vuchdruckerer und Teitungsverlag Reichenau i.Sa. Schristleitung und Geschäftsstelle in Reichenau, Sa. Fernsprech er Nr.300 Geschickte, Kunft,Llsepatur^ Blates füi" ^)eimclikunöe Mitteilungsblatt des Verbandes „Lujatia" der Humboldt-, Fortbildungs- und Gsbirgsvsreins der gesamten Gberlausitz. Hauptschristleitung: Gtto Marx Deichen au (Hachsen), unter Mitwirkung zahlreicher bewährter Heimatschriststsllor. Manuskripten ist Dückporto beizufügen, da sonst ein Anspruch aus ^Rücksendung nicht besteht. Unberechtigter Nachdruck aus der „Gbsrlaulitzsr Hsimatzsitung« wird strafrechtlich verfolgt. Erfüllungsort und Gerichtsstand für Bezieher und Inserenten Deichsnau, 6a. Postscheckkonto: Leipzig Nr. 27534. Bankverbindung: Gswerbsbank und Girokasjs Äsichenau Nr. IS. Gbsrlausitzsr Dank, Abteilung der Allgemeinen Deutschen Lrsdit-Anstalt, Aittau. Nr. 3 2. Februar (Hornung) 1930 11. Jahrgang Auf der Suche nach Erzählungen und'Sagen Von Franz Rösler, Schirgiswalde Im Jahre 1908 übersiedelte ich nach Schirgiswalde. Dies Städtchen mar mir seit meiner Jugendzeit wohlbekannt. Jedes Jahr wanderten wir mit dem Vater einige Male von Sebnitz aus in froher Gesellschaft nach Schirgiswalde. Wir Knaben waren gern dabei. Mein Vater kannte viel alte Geschichten, die er während der Wanderung zum besten gab und uns so den vier Stunden langen Weg verkürzte. Bald gab ein alter, sagenhafter Stein, wie der Taufstein, den Anlaß zu einer Erzählung aus alter Zeit, bald war es eine Mühle, eine Kapelle, ein Bauernhaus, ein Teich oder sonst etwas, von denen er eine Sage wußte. So gings dann gewöhnlich über den Raupenberg oder Joachimsberg nach Röhrsdorf und Wehrsdorf zu, bis die Schirgiswalder Berge in Sicht kamen. Hier begann er mit den Geschichten vom böhmischen Wenzel, die von uns Jungen mit Un geduld erwartet wurden. Trotz der langen Wanderung nahmen wir gewöhnlich von Wehrsdorf aus den Weg über Neuschirgiswalde und den Fuchsberg ins Städtchen. Denn hier oben spielten ja die Geschichten vom Räuberhaupt mann. In Neuschirgiswalde wurde zumeist eingekehrt, in der Meinung, das Gasthaus sei dasselbe, in dem einst der böhmische Wenzel gehaust hatte. Saßen wir dann im Türm chen, dann ging das Erzählen weiter. Ich kann mich aber nicht erinnern, daß uns jemals einer der Schirgiswalder Bekannten, die sich zu uns gesellten, darüber aufgeklärt hätte, daß das alte Gasthaus in Neuschirgiswalde längst ab gebrannt war und an ganz anderer Stelle gestanden hatte. Als ich daher nach Schirgiswalde übersiedelte, war ich meiner Ansicht nach mit der Vergangenheit des Städtleins wohl vertrant. Aber Adolf Stvys Ortsgeschichte belehrte mich, daß ich die Hauptsachen noch gar nicht wußte. An knüpfungspunkte brachte ich allerdings genug mit. Ich be schloß daher, den vielfachen Erzählungen, die ich von früher her noch im Gedächtnis hatte, nachzuspüren und zu erfor schen, ob sie ans Wahrheit beruhten, denn in Stvys Ge- j schichte sanden sich einige wohl angedeutet, die meisten aber fehlten. Zuerst versuchte ich es bei neugewonnenen Be kannten. Von diesen konnte ich nur herzlich wenig erfah ren, man wies immer nur auf die Ortsgeschichte hin. Des halb suchte ich Anschluß an alte Leute, die jene Tage zum Teil noch erlebt haben mußten. Ich dachte mir allerdings die Sache sehr einfach, habe mich aber gründlich getäuscht. Es wurden mir mehrere Männer und Frauen genannt, zu denen ich gehen sollte. Mein erster Gang gatt einem Manne auf dem Fuchs berge. Ich hatte Glück. Er saß vor seinem Hause und rauchte sein Pfeifchen. So hatte ich es wollen haben. Stimmung meinerseits war also da. Ich brachte mein Anliegen vor. Der gute Mann sah mich aber verständnislos an. Er konnte sich jedenfalls nicht zusammen reimen, daß mich seine Er lebnisse interessierten. Was ich auch' fragte und andeutete, er wußte eben nichts — oder wollte nichts wissen. Und doch war mir von mehreren Seiten versichert worden, daß dieser Mann in früheren Jahren oftmals eigene Stücklein aus der Schirgiswalder Vergangenheit zum Besten gegeben hatte. In den ehemaligen Rockenstuben sollte er eine Rolle als Erzähler gespielt haben. Es war aber nichts herans- zukriegen. Ich beschloß, ihn ein andermal aufzusuchen. Er sah mich kommen und verschwand sogleich in der Haustür, und ich kam gerade noch zurecht, zu hören, wie er den Hausschlüssel umdrehte. Das war deutlich. Ein Nachbar nahm sich meiner an und erbot sich, den Alten zu bearbeiten. „Ar schamtch ack," entschuldigte er ihn. Ich bin mehrmals wiedergekom- men, habe ihn aber nicht mehr angetrvffen. Aber ich glaube mich nicht getäuscht zu haben, ihn das eine Mal erwischt zu haben, wie er hinter den Scheiben mir nachsah. Der Mann war früher „Buschläufer" lHolzhacker) gewesen und soll viele Geschichten vom böhmischen Wenzel und dergl., be sonders auch Ortssagen, gekannt haben. Er hatte die Sachen zum Teil erlebt und in den Rockenstuben erzählen hören. Manchen Gang habe ich umsonst tun müssen. Nach und nach fand ich doch Anschluß bei anderen Leuten. Ich hatte es anfangs wohl auch falsch angefaßt, denn ich stellte den Leu ten bestimmte Fragen. Es ist aber schon für die Gebildeten