Volltext Seite (XML)
Deo WtvLWLwKLirlLLL. der Morgenscite des Zwickaucr Rathhauses hängt dem Gewandhause gegenüber ein Erker als Ueberblcibsel des ur alten Gebäudes. Der Erker erleuchtet eine kleine Capelle, in welcher sich früher der Rath versammelte, um sein Tagewerk mit Gebet zu beginnen und sich nach gethancr Arbeit durch einen Ehrentrunk zu stärken — weshalb auch dieses Gemach noch bis auf den heutigen Tag die Tränkstube genannt wird. Dieser Erker — viele Jahrhunderte lang Zeuge von des Raths zu Zwickau Glanze und seiner Macht über Hals und Hand — sah vor einigen Jahrzehnten seine Existenz be droht durch den Einsturz mchrer altersgrauen Ncbcnhäuscr nebst der Frohnveste und dem Raths-Marstalle. So entspann sich folgendes Zwiegespräch zwischen dem Erker und dem letzten Raths-Marstallgaule: Der Erker schaut wehmüthig in die Gassen Und sinnt, wie er die Zeit mit ihrem Treiben Und ihrem Sturmschritt möge recht erfassen — Und ob er kann auf seiner Stelle bleiben. Der Rappe kehrt von seinem Tagewerke, Das Haupt gesenkt, die müden Glieder streckend, Sich sehnend, daß ihn Ruhe wieder starke, Im Geiste schon den Marstall-Hafer schmeckend. Der Erker spricht: Du alter Freund da unten Wirst, wie ich höre, bald auch von mir scheiden; Hast du den neuen Herren schon gefunden Und wird er dich mit gleicher Sorgfalt leiten? Der Wallach spricht: Ich Hab' mich drein ergeben! Jetzt trab' ich nüchtern — sonsten ging's im Schritte Bei voller Metze; doch ade du Leben Voll ew'gen Haschens nach der rechten Mitte. Du Freund da oben mußt den Wechsel kennen; Viel Herrn und Nachbarn hast du schon gesehen, Von Nebenhausern mußtest du dich trennen Und wirst, wie's scheint, bald selbst zu Grunde gehen!