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trotzdem eine solche, von allen anderen Vor theilen abgesehen, das ohnehin complicirte Ver fahren bedeutend erleichtert haben würde. Dafs das letztere nach der jetzigen Fassung des Ge setzes die unsäglichsten Schwierigkeiten nament lich bei den Verrechnungen der einzelnen Ver sicherungsanstalten untereinander bereiten wird, darf leider nicht bezweifelt werden. Denkt man sich den Fall, dafs ein Arbeiter 40 bis 50 Jahre lang — wir erinnern an den Wandertrieb unserer Arbeiterbevölkerung, wie er in den s. Z. von dem Kruppschen Werk, vom »Phoenix«, von der »Dortmunder Union«, dem »Bochumer Gufsstahl- werke«, dem »Hörder Bergwerks- und Hütten verein« u. a. veranstalteten Aufstellungen nach gewiesen worden ist —, dafs also ein Arbeiter 40 bis 50 Jahre lang in den verschiedensten Ort schaften des Deutschen Reichs und in den ver schiedenartigsten Betrieben gearbeitet hat, und bedenkt dann die daraus resultirendeVerrechnungs- arbeit der verschiedenen Versicherungsanstalten, von denen die eine mit 6 Wochen, die andere mit 2 Monaten, die dritte mit einem, die vierte mit 2 1/2 Jahren u. s. w. an der Rentenzahlung betheiligt ist, so wird man zugeben müssen, dafs diese Ver rechnung ein Quantum Zeit und Arbeitskraft er fordert, das seines Gleichen suchen dürfte. Die Zukunft mufs lehren, wie die einzelnen Versicherungsanstalten diese Arbeit zu bewältigen in der Lage sein werden. Inzwischen sind durch kaiserliche Verordnung vom 30. December 1889 die §§ 18 und 140 des Gesetzes, welche sich auf die Nachweise von Krankheit und militärischer Dienstleistung beziehen, schon in Kraft gesetzt worden. In zwischen werden die Vorbereitungen und An ordnungen bezüglich der Ueberführung des Ge setzes in das praktische Leben bereits getroffen. In Preufsen werden darnach 13 Versicherungs anstalten errichtet, welche mit dem betreffenden Provinzial- bezw. Cornmunalverband zusammen fallen. Es sind dies die Versicherungsanstalten für die Provinzen Ostpreufsen, Westpreufsen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, West falen und für den Stadtkreis Berlin. Sodann wird je eine Versicherungsanstalt errichtet für die Provinz Schleswig-Holstein nebst dem Fürsten thum Lübeck, ferner für die Rheinprovinz ein- schliefslich der Hohenzollernschen Lande nebst dem Fürstenthum Birkenfeld. Aufserdem erhalten je eine gemeinsame Versicherungsanstalt die Pro vinz Sachsen nebst dem Herzogthum Anhalt, die Provinz Hannover mit den Fürstenthümern Pyr mont, Schaumburg-Lippe und Lippe, endlich die Provinz Hessen - Nassau nebst dem Fürstenthum Waldeck. Im Königreich Bayern werden 8 Ver sicherungsanstalten nach Mafsgabe der 8 Regie rungsbezirke des Königreichs errichtet. Die König reiche Sachsen und Württembergs sowie die Grofsherzogthümer Baden und Hessen erhalten je eine Versicherungsanstalt für das betreffende ganze Staatsgebiet. Die Grofsherzogthümer Mecklenburg- Schwerin und Mecklenburg Strelitz erhalten eine gemeinsame Versicherungsanstalt. Ebenso wird eine gemeinsame thüringische Versicherungsanstalt errichtet für die 8 Bundesstaaten Sachsen-Weimar- Eisenach, Sachsen-Meiningen, Sachsen Altenburg, Sachsen-Koburg und Gotha, Schwarzburg-Sonders hausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Reufs ältere und Reufs j. L. Für das Herzogthum Braunschweig, ebenso für die restirenden Theile des Grofsherzog- thums Oldenburg wird je eine Versicherungs anstalt gebildet. Die freien und Hanse-Städte Lübeck, Bremen und Hamburg errichten eine gemeinsame »hanseatische« Anstalt, und endlich bildet auch das Reichsland Elsafs-Lothringen den Bezirk einer eigenen Versicherungsanstalt. Auf dem Gebiete der Unfallversicherung ist die von uns schon früher hervorgehobene Thatsache in vergröfsertem Umfange hervor getreten, dafs sich nur ein kleiner Bruchtheil der verletzten Arbeiter mit dem Spruche des Schiedsgerichts erster Instanz begnügt und dafs vielmehr in den weitaus meisten Fällen appellirt wird. Hierzu hat einerseits ohne Zweifel die vielfach sehr milde Rechtsprechung des Reichs versicherungsamies, andererseits die mifsverständ- liehe Auffassung des Unfallversicherungsgesetzes seitens vieler Arbeiter beigetragen, welche von einer im Falle nur theilweiser Arbeitsunfähigkeit ihnen zugesprochenen kleinen Rente „nicht leben zu können“ erklären und nicht bedenken, dafs das Gesetz sie nur bezüglich des wirklich ein- gebüfsten Theiles ihrer Arbeitskraft schadlos halten will. Die auffallende Vermehrung der Renten empfänger in manchen Betrieben trotz der in zwischen eingeführten Unfallverhütungsvorschriften läfst darauf schliefsen, dafs im Hinblick auf die gesetzlichen Entschädigungsansprüche vielfach eine Neigung zur Unvorsichtigkeit und Fahrlässigkeit sich herausgebildet hat, welche unter Umständen die Genossenschaften auf das schwerste zu schä digen geeignet ist. Das Krankenkassengesetz hat auch in dem seit der letzten Generalversammlung ver flossenen Zeitraum seine segensreiche Wirkung ausgeübt. Die Zahl der im Deutschen Reich im Jahre 1888 bestehenden Krankenkassen belief sich im ganzen auf 20 468 gegen 19 715 in 1887, 19 367 in 1886 und 18 942 in 1885. Davon kamen auf die Gemeindekrankenversicherung . . 7852 mehr 489 Ortskrankenkassen 3893 „ 130 Betriebskrankenkassen 5868 „ 111 Baukrankenkassen 135 „ 4 Innungskrankenkassen 401 „ 49 freien eingeschriebenen Hülfskassen 1853 weniger 25 auf Grund landesrechtlicher Be ¬ stimmungen errichteten Hülfs ¬ kassen 466 „ 5 Die Zahl der gegen Krankheit versicherten Arbeiter belief sich 1888 auf 4 833 039 gegen