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15. Januar 1896. Actenstücke zur Frage der Herabsetzung der Tarife u. s. w. Stahl und Eisen. 79 diese Forderungen nun auch sind, so müssen sie doch mit allem Nachdrucke bekämpft werden. Wenn Rheinland - Westfalen behauptet, es brauche das lothringisch-luxemburgische Roh eisen überhaupt nicht mehr, so fragen wir mit Recht: Wohin soll denn die hiesige Industrie mit ihren Erzeugnissen, wo soll sie denn ihren Absatz finden? Wir können schliefslich nichts dagegen einwenden, wenn Rheinland-Westfalen das hiesige Roheisen für die Folge verschmäht und Roheisen daher bezieht, wo es am billigsten zu haben ist, oder es herstellt mit den Erzen, die sich ihm am billigsten zur Verfügung stellen. Aber wir müssen entschiedenen Einspruch dagegen erheben, dafs diese Verschiebung der Produetionsbedingungen angestrebt und beabsichtigt wird durch einen Ge waltstreich der Eisenbahnverwaltung, die durch Verbilligung der Minettefrachten dazu veranlafst werden soll, Beihülfe zu leisten. Die Staats-Eisen bahnverwaltung soll wohl wirthschaftliche Un gleichheiten durch ihre Tarifpolitik auszugleichen suchen, wo ein Bedürfnifs vorliegt, aber sie darf ihre Macht nicht dazu gebrauchen, selbst wenn sich für sie ein scheinbarer Gewinn ergiebt, die Grundlagen ganzer Industriezweige gewaltsam zu verschieben, und so Licht und Schatten ungleich zu vertheilen. Auch mufs darauf hingewiesen werden, dafs, wenn die Eisenbahnverwaltung jetzt wirklich einem der Eisenindustriebezirke einseitige Fracht vergünstigungen zuwenden will, sie für die ge summte Eisenindustrie einen Kriegszustand schaffen würde, der die Anträge auf Ermäfsigung der Frachten und Berufungen auf den jetzigen aufser- gewohnlichen Fall in Permanenz erklären wird. Jetzt streiten zwei Bezirke gegeneinander: Der eine hat die Kohlen bezw. den Koks, der andere nicht, der eine hat vermöge der billigen Wasser- strafse den Weltmarkt zur Verfügung, während der andere gezwungen ist, die eigenen Erze zu verhütten. Solange aber das jetzige Verhältnifs vorliegt, wo 2/3 der Productionskosten auf den Koks und ’/s auf die Minette entfällt, bleibt die Forderung der lothringisch-luxemburgischen In dustrie nach entsprechenden gleichen Vergün stigungen bezüglich der Koksfrachten, bezw. der Frachten für Roheisen nach den östlich und süd lich gelegenen Stationen, wenn Rheinland-West- falen solche hinsichtlich der Minettefrachten er halten sollte, als eine berechtigte bestehen. Die lothringisch-luxemburgische Industrie ist durch ihre geographische Lage auf den Absatz nach Osten hin angewiesen, da sie mit den Hoch öfen in Belgien und Frankreich, welche den Koks von dem Syndicat um 2 billiger erhalten, nicht concurriren kann. Schon in den letzten Jahren mufsten sie daher im Auslande zu Schleuder preisen verkaufen, nur um Beschäftigung für die Oefen zu haben. Rheinland-Westfalen ver mag dagegen infolge der günstigen Productions- bedingungen und der billigeren Wasserstrafse zu exportiren und den Wettbewerb mit anderen Ländern und Bezirken auf dem Weltmärkte er folgreich aufzunehmen. Wenn die Druckschrift dann noch an das nationale Gefühl appellirt, und Rheinland-West falen gegen die westliche Hochofenindustrie aus spielen will, so müssen wir diese eigenartige patrio tische Leistung gebührend beleuchten, und darauf hinweisen, dafs die Hochöfen an der Saar und in Lothringen auch auf deutschem Boden liegen, dafs sie auch im Besitze von deutschen Unter- thanen sich befinden und dafs ihre Erhaltung auch im deutsch-nationalen Wirthschaftsinteresse liegt. Und was Luxemburg anlangt, so gehört das selbe einmal zum deutschen Zollvereinsgebiet und dann sind in den dortigen Hütten, gerade mit Rücksicht auf diese Zugehörigkeit grofse Mengen deutschen Kapitals angelegt, das gleichfalls den Anspruch erhebt, berücksichtigt zu werden. Die von uns in Vorstehendem genügend be leuchtete und widerlegte Druckschrift hat ver sucht, die speci eilen Verhältnisse der „Gute- hoffnungshütte" mit denen der gesammten rheinisch westfälischen Hochofenindustrie zu identificiren, nun soll dies auch bezüglich der rheinisch-west fälischen Hochofenindustrie mit der deutschen geschehen, ohne zu berücksichtigen, dafs in den übrigen Bezirken zusammen mehr Roheisen her gestellt wird, als in dem so anspruchslosen rheinisch westfälischen Revier. Will man insbesondere Lothringen für das Deutsch thum gewinnen, so möge man seine Lebensinteressen doch nicht auf das empfindlichste verletzen, und Arbeit und Verdienst mehren, statt zu nehmen. Eine einseitige Frachtermäfsigung zu Gunsten von Uheinland-Westfalen ist aber ein schweres Unrecht, ein wirthschaftlicher und politischer Fehler, wenn nicht gleichzeitig dem hiesigen Industriebezirke entsprechende Compensationen zu theil werden. Metz, 28. October 1895. Leon Metz. R. Hinsberg. Th. Jung. A. Kroll. J. M e y e r. Hr. Commerzienrath G. L u e g - Oberhausen gab auf das vorstehende Schriftstück eine vorläufige Erwiderung, über welche die amtliche Verhandlungs niederschrift das Nachfolgende bemerkt: „Hr. Commerzienrath Lueg bemerkt, dafs die Druckschrift d. d. Metz, 29. October ds. Js., unterzeichnet von den HH. Leon Metz, J. Meyer, Th. Jung, A. Kroll und R. Hins berg, welche, wie das Begleitschreiben besage, im Namen der Interessenten der lothringisch luxemburgischen Hochofen - Industrie aufträten,