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schlesischen, welches bei uns in der Hauptsache von etwa 9 bis 10 grofsen, kapitalkräftigen Ge sellschaften ausgebeutet wird, bei fortwährender Aufsaugung der kleinen Gruben, die Engländer reichlich das Zehnfache an Förderanlagen und Besitzern haben würden, natürlich zum Schaden der Wirthschaftlichkeit des Betriebes, aber, wie nicht zu verkennen, zum Vortheil der Gonsumenten und unter schnellster Entwicklung der Production. Gewöhnlich pachten die englischen bergbau treibenden Gesellschaften das Kohlenfeld auf 99 Jahre. Sie sind naturgemäfs dabei bemüht, so wenig wie möglich Kapital zu investiren und das selbe so schnell als möglich zu verzinsen und zu amortisiren. Es liegt auf der Hand, dafs eng lische Bergbau-Gesellschaften, besonders wenn das Pachtverhältnifs sich ihrem Ende nähert, ■ unter ganz anderen Gesichtspunkten arbeiten, als deutsche Gesellschaften, welche in der Regel auf unbe schränkte Zeit, oder doch auf die gewöhnlich sehr lange Dauer des Kohlenvorkommens Eigen thümer der Grube sind. Eine typische englische Kohlengrube macht über Tag einen recht bescheidenen Eindruck. Die Anlage ist meistens nicht umzäunt. Ein Portier oder Thorhüter ist recht selten. Die Rechnungs sachen werden meist in städtischen Bureaus er ledigt; auf der Grube sind nur wenige, überaus einfache Bureauräume für die technischen Beamten. Die Schachtgerüste sind noch meist von Holz, die Schächte in Holz gezimmert, die Separationen in hölzernen Räumen untergebracht. Die Geleis anlagen sind gewöhnlich sehr einfach gehalten. Fragt man den englischen Beamten nach dem Grunde, so wird man in der Regel das lakonische does’nt pay — das bezahlt sich nicht — zur Antwort erhalten. Es ist selbstverständlich, dafs es auch eine Reihe ■ neuer Grubenanlagen in Eng land giebt, welche bei genügender Feldesgröfse in grofsartigerem Mafsstabe ausgeführt sind; aber diese bilden eben die Ausnahme. Die nothge drungen gröfsere Sparsamkeit des englischen Kohlenbergmanns hat aber andererseits den grofsen Vortheil, dafs dort bei jeder Neuanlage oder Neuanschaffung mehr kaufmännisch gerechnet wird als bei uns, und dafs insbesondere zur Ver minderung der Selbstkosten die Menschen- und Thierkraft, speciell bei der Streckenförderung, viel mehr als bei uns durch Maschinen ersetzt ist. In dieser Beziehung können wir noch recht viel vom Engländer lernen, und auch ich bekenne gern und dankbar, dafs ich manche nützliche Be reicherung meiner Kenntnisse und praktisch ver- werthbare Anregung dort erhalten habe. Zweimal ist es mir vergönnt gewesen, die englischen Kohlenbecken zu bereisen. Im Jahre 1892 lernte ich die wichtigen nordöstlichen Reviere von Northumberland, Durham und Yorkshire kennen, mit den Ausfuhrhäfen von Newcastle on Tyne, Sunderland, Hartlepool, Middlesborough und Hull, ferner das Lancashire - Revier, welches sich um Wigan gruppirt, mit den bedeutendsten Industrie orten Liverpool und Manchester und schliefslich das schottische Kohlenbecken um Glasgow. Das zweite Mal war ich im Sommer dieses Jahres in England. Durch verwandtschaftliche Beziehungen wurde es mir möglich, den kleineren aber recht interessanten Kohlenindustriebezirk von Cumberland bei Whitehaven und Workington näher kennen zu lernen. Den Beschlufs bildete die Besichtigung einiger Gruben des gröfsten englischen Kohlenreviers von Süd-Wales mit den wichtigen Ausfuhrhäfen von Cardiff, Newport und Swansea. Bei dieser Gelegenheit kann ich nur wiederholen, was auch von anderen Besuchern Englands angerathen wird, dafs zum vortheilhaften Besuch industrieller Anlagen gute Empfehlungen dringend nothwendig sind. Am zweckmäfsigsten sind solche an die Secretäre der grofsen Arbeit geberverbände, welche mich mit Rath und That in dankenswerther Weise unterstützt haben. Es sei mir nunmehr gestattet, auf die ein zelnen Gebiete des Bergbaues übergehend, einige Parallelen zwischen dort und hier zu ziehen, zu vor aber noch kurz die Lagerungsverhält- nisse zu berühren. In den meisten englischen Kohlenbecken liegen die im Durchschnitt 2 bis 3 m mächtigen Flötze ziemlich horizontal, das Dach ist fest, ein Umstand, der in dem holz armen Lande von gröfster Wichtigkeit ist, und die Wasserzuflüsse sind meist recht geringe. Die Förderteufe geht bis 800 m hinab, dürfte aber im Durchschnitt 5- bis 600 m noch nicht über schritten haben. Die Verhältnisse sind also, ab gesehen von der Tiefe, recht günstige und die Selbstkosten mit etwa 4 bis 6 •6 für je 1 t mäfsige. Sie haben es ermöglicht in Verbindung mit der günstigen Lage der Gruben in der Nähe der Seehäfen, dafs der Export der englischen Kohle in fremde Länder so enorme Ziffern erreicht hat. Wo die Flötze Bergemittel enthalten, wird der bekannte Versatzbau nach dem long wall- System geführt, sonst ein Pfeilerabbau ähnlich dem unsrigen. Die eigentlichen bergmännischen Gewinnungsarbeiten gleichen naturgemäfs den unsrigen. Da die Kohle meist weicher ist als unsere oberschlesische, wird viel weniger gebohrt und geschossen. Maschinelles Bohren und Schrämen ist in England seit mehr als 30 Jahren bekannt; aber die Einführung ist keine allgemeine geworden. Auf die einzelnen Systeme einzugehen, dürfte zu weit führen. Aus dem Gebiete der Schachtförderung ist bereits erwähnt, dafs die Schachtgerüste in der Mehrzahl noch aus Holz gefertigt sind. Als Fördermaschinen sind vielfach noch die alten stehenden Maschinen anzutreffen. Moderne Gruben haben indefs durchweg liegende Zwillingsmaschinen wie bei uns. So grofsen Kolossen, die 5 t Nutz last auf einmal ziehen, wie man sie neuerdings