Volltext Seite (XML)
Beschickungsvorrichtung für Martinöfen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs die Richtigkeit der in „Stahl und Eisen“ 1895, Seite 940 unter obigem Titel geäufserten Ansichten über den Vortheil einer Beschickungsvorrichtung bei Martinöfen für deren wirthschaftlichen und flotten Betrieb von keinem Fachmann bestritten wird. Der Umstand allein, dafs das Beschickungsmaterial nur einmal in die Hand genommen wird, ist, wie dort richtig bemerkt wurde, von einschneidender Bedeutung, ebenso die Raschheit des Beschickens. Nicht unerwähnt sollte die Schonung der Mann schaft bleiben, die ganz bedeutend ist. Trotz dieser in die Augen springenden Vortheile währte es lange genug, bis brauchbare Vorrichtungen in Aufnahme kamen, weil die zu besiegenden Schwierigkeiten nicht unerhebliche waren. Bei den älteren Anlagen machte es der Raummangel und die oft ungeeignete Anordnung der Oefen unmöglich, die Aufgabe preis würdig zu lösen. Andererseits ist die oft so sehr wechselnde Form des Materials ein grofses Hindernifs für eine allgemein anwendbare Einrichtung. Im Jahre 1889 erhielt ich von meiner Direction den Auftrag, die in Witkowitz seit kurzer Zeit im Betrieb befindliche Beschickungsvorrichtung zu studiren. Dieselbe war dem Grundgedanken nach ähnlich eingerichtet wie die im vorerwähnten Artikel beschriebene, in Lauchhammer ausgeführte Ma schine, nur mit dem Unterschied, dafs der Schwengel nicht gehoben werden konnte. Es mufsten da her die Muffen stets genau in der gleichen Höhen lage sich befinden, wenn der Zapfen des Schwengels beim Vorschieben hineintreffen sollte. Auch häufte sich infolge desselben Umstandes nach Entleerung mehrerer Mulden in den Ofen das Material am Herd so hoch auf, dafs die neu eingeführten Mulden anstiefsen und nicht mehr zum Entleeren gewendet werden konnten. Man half sich durch wiederholtes Seitwärtsverschieben der Maschine, wodurch das Haufwerk etwas auseinandergeschoben wurde. Immerhin war dies mit Zeitverlust ver bunden. Darum stellt die verticale Beweglichkeit des Schwengels bei der Lauchhammermaschine einen entschiedenen Fortschritt dar. Abgesehen von dem geschilderten Mangel sagte ich mir, dafs eine derartige Maschine mit ihrem grofsen Raumbedarf und ziemlich bedeutenden Anschaffungspreis wohl für eine gröfsere Anzahl in einer Reihe stehender Oefen, nicht aber für einen isolirten oder zwei Oefen sich bezahlen würde. Da es sich in meinem Fall nur um zwei Oefen handelte, eine Vermehrung derselben 'nicht anzunehmen war, so versuchte ich durch eine billigere Einrichtung wenigstens theilweise den vor gesteckten Zweck zu erreichen. Statt der Mulden wählte ich ebene Schaufel blätter von 600 und 800 mm Breite und 1000 mm Länge, die auf der Unterseite eine viereckig konische Hülse angegossen hatten. Vor der Front der zwei Oefen in der Mitte zwischen beiden wurde ein Wasserdruckkrahn von 21/2 t Tragfähigkeit aufgestellt, dessen Ausleger bis zur Mittelthür eines jeden Ofens reichte. An Stelle eines solchen würde ein entsprechend eingerichteter Laufkrahn die gleichen Dienste thun und könnte auch mehr als zwei Oefen bedienen. Mit diesem Krahn war der Schwengel verbunden, indem er, ähnlich wie bei Schmiedekrahnen, in eine um eine Rolle gelegten Kettenschleife eingehängt wurde. Sein vorderes massives Ende trug einen vierkantigen konischen Zapfen der in die Hülsen der Schaufelblätter pafste. Das hintere Ende war verjüngt und so bemessen, dafs vier Mann bei einer Belastung des Schaufelblattes mit 600 kg Roheisen den Schwengel leicht in horizontaler Lage erhalten konnten. Bei vorkommenden schwereren Stücken mufsten eben mehr Leute an die hintere Stange treten. Das Anstecken an die Schaufelblätter, das Hineinschieben derselben in den Ofen und das Wenden geschieht von Hand aus. Das Heben, wenn nöthig, mit dem Krahn, obgleich geringere Höhenunterschiede auch von Hand aus ausgeglichen werden können. Durch Seitwärtstreten der Leute mit dem Hinter ende der Stange kann die Beschickung durch eine einzige Thür ziemlich gut über den ganzen Herd vertheilt werden. Wenn das zu chargirende Material derart ist, dafs es sich in Posten von mindestens 600 kg auf die Schaufeln vertheilen läfst, so können 15 t, das ist 25 Schaufeln, in 30 bis 35 Minuten in den Ofen befördert werden. Leider steht nicht immer genügend stückiges Material zur Verfügung. Sehr voluminöses Material, von dem oft nicht selten ein Cubikmeter kaum 300 kg wiegt, macht den Vortheil der Ghargirung mit irgend welcher Vorrichtung zu nichte, da mit einer Hantirung zu geringe Mengen in den Ofen gefördert werden, die Zahl der Hantirungen da her so grofs wird, dafs keine Zeitersparnifs gegen das Chargiren von Hand aus zu erzielen ist. Das einzige Mittel, solches Material auf ein kleineres Volumen zu bringen, ist das Packetiren oder Pressen, wenn dies mit genügend geringen Kosten eingeführt werden kann. — Die vorstehend beschriebene Vorrichtung hat gegen die grofsen Ghargirmaschinen den Vorzug der Einfachheit und Billigkeit; sie kann daher ganz gut bei einzelnen Oefen, wo sich die An schaffung grofser Maschinen nicht lohnt, oder bei alten Anlagen, die für jene nicht genügend Raum bieten, in Anwendung kommen. Resicza, November 1895. Wilhelm Schmidhammer. Ingenieur.