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Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Institution of Naval Architects. Die Vereinigung hielt ihre diesjährige Sommer- Versammlung in Deutschland ab, wie dies durch zahl reiche, zum Theil von recht überflüssigen Erörterungen begleitete Nachrichten durch die Tagespresse bekannt : geworden ist. Ohne uns auf diese einzulassen, sei nur festgestellt, dafs erfreulicherweise dadurch die Empfangs-Ausschüsse, welche die Vorbereitungen in Hamburg, Berlin und Stettin getroffen, sich in keiner Weise haben beeinflussen lassen, sondern ruhig ihren Weg gegangen sind. Dadurch und dank dem Umstande, dafs sich unser, im vorigen Jahr zum Ehrenmitglied der Institution gewählter Kaiser aller höchst persönlich betheiligte, hat das Fest einen für alle Theilnehmer äufserst befriedigenden und glanz vollen Verlauf genommen. Selbst angesehene Fachblätter, wie „Engineering“, fallen aus ihrer gewohnten Rolle, indem sie die Wärme und Herzlichkeit des Empfangs betonen und dem nicht sachlichen Theil der Veranstaltungen lange Berichte widmen. Wir unsererseits nehmen hiervon um so lieber Notiz, als in dieser Zeitschrift stets der Standpunkt vertreten wurde, dafs für die Vertreter der deutschen Technik, sofern sie diese weiter vervollkommnen und auf der Höhe der Zeit erhalten wollen, absolutes Erfordernifs ist, mit ihren ausländischen Fachgenossen rege und freundschaftliche Beziehungen zu unter- ( halten. Wir bezeugen daher auch unseren Freunden, welche sich an den genannten Orten der Mühe waltung des Empfangs unterzogen haben, im Interesse deutscher Technik aufrichtigen Dank, und wir schätzen sie glücklich, dafs sie dabei der allerhöchsten Pro tection sich zu erfreuen hatten. Die Reihe der Veranstaltungen nahm ihren Anfang am 6. Juni mit einer internen Versammlung in St. Pancras-Station in London, am Abend schiffte sich die Gesellschaft, welche einschl. Damen 4-00 Personen zählte, auf dem von der Hamburgisch- Amerik. Packetfahrt-Act.-Ges. zur Verfügung gestellten Doppelschraubendampfer „Fürst Bismarck" in Tilbury ein und traf Montag Vormittag, nach prächtiger Fahrt durch die geschmückten Elbufer und begrüfst von unzähligen Menschenschaaren, in Hamburg ein. Vor mittags fand eine Rundfahrt durch den Hafen und eine Besichtigung der bekannten Schiffsbauwerfte von Blohm & Vofs, deren treffliche Einrichtungen ihren tiefen Eindruck auf die Gäste nicht verfehlten, am Abend eine Vergnügungsfahrt auf der Alster statt. Am Dienstag wurde in Ludwigs Concerthaus die erste Sitzung eröffnet, welche mit einigen Begrüfsungs- ansprachen begann. Bürgermeister Mönckeberg, der die Gäste namens der Stadt Hamburg willkommen • hiefs, wies auf den maritimen Aufschwung Deutsch lands in den letzten Jahrzehnten hin. Der Präsident der Gesellschaft, Earl of Hopetoun, betonte in seiner Erwiderung: die „Institution of Naval Architects“ sei kejne englische, sondern eine mehr cosmopolitische Einrichtung, sie zähle Mitglieder in allen schiffahrt- und schiffbautreibenden Ländern. Die Nationalität spiele in ihr keine Rolle, und wenn in den Zeitungen wirklich einmal etwas von Frictionen unter ihnen gesprochen würde, so schwänden diese, sobald die gemeinsamen Interessen zu behandeln seien. — Aus den Vorträgen werde man ersehen, dafs Deutschland in dem Fache enorme Fortschritte macht und jetzt bereits Kopf an Kopf mit England marschirt. Deutsch land und speciell Hamburg war es auch, welche dem Bau der grofsen Doppelschraubendampfer den Weg gebahnt habe. Grofsbritannien und Deutschland wett eifern darin, das handeltreibendste Volk zu sein. Ihre „Rivalität“ habe die Cultur bis in die fernsten Länder getragen, und England begrüfse diese „Rivalität“ mit Freuden, da die gesunde, ehrliche Concurrenz die beste Förderung der Bestrebungen darbiete. Das deutsche Volk sei dem englischen nahe verwandt durch Abstammung und Sprache, England und Deutschland seien stets gemeinsam bestrebt gewesen, ihre Unabhängigkeit allen Anderen gegen über zu behaupten. Beide Nationen streben nicht nach eitlem Ruhm, sondern wollen friedlich neben einander wirken. Redner schliefst mit dem Aus drucke des Wunsches, dafs die beiden Nationen stets Hand in Hand gehen mögen, als Pioniere der Civilisation des Christenthums und des Friedens. (Lebhaftes Bravo!) Ober-Ingenieur FranzAndreasMeyer-Hamburg hielt darauf einen Vortrag über „Die maritime Lage und die Charakteristik der Häfen von Hamburg“. Er giebt eine Schilderung der Entstehung der Stadt und ihrer Lage an der Elbe und der Entwicklung der maritimen und handelspolitischen Verhältnisse von hrem Anfang an bis auf die Gegenwart, und bringt ein reiches statistisches, geographisches und handelspolitisches Material bei zur Beurtheilung der jetzigen Lage der Hamburger Häfen und des Ham burger Handelsgetriebes.* Sodann spricht der um das Gelingen der Zusammenkunft unermüdlich thätig ge wesene Präses der Hamburger Handelskammer, Rheder C. F. Laeifs, über „den Schiffbau in Deutschland“. An beide Vorträge, von welchen der letztere an an derer Stelle dieser Nummer im Wortlaut wiedergegeben ist, schlossen sich kurze Discussionen, in denen insbeson dere die Gäste den deutschen Einrichtungen ihre Aner kennung aussprachen. B. Martell, welcher zwar seine grofse Verehrung für Hrn. Laeisz bekundet, zugleich auch meint, dafs dieser ihn wegen der Klassificirung der Tankdampfer arg auf die Füfse getreten habe, ist der Ansicht, dafs gegenüber dem billigeren Schiff baumaterial und billigerer Kohle, welche den Eng ländern zur Verfügung ständen, die deutschen Werfte den Vortheil niedrigerer Löhne und längerer Arbeits schichten sowie der neueren Werkseinrichtungen be- sälsen. Bei Blohm & Vofs ist dem Sprechenden ein bei Fried. Krupp hergestellter, trefflich ge arbeiteter Vordersteven aufgefallen. Sir W m. White führt noch aus, dafs er bei einer kürzlich angestellten Berechnung gefunden habe, dafs bei einem Torpedo boot 70 bis 75 % der Kosten aus Löhnen bestanden hätten; der grofse Einflufs der in Deutschland um 25 % billigeren Löhne liege daher auf der Hand. A. Denny spricht der Werft von Blohm & Vofs ebenfalls unumwunden hohe Anerkennung aus, sie habe ihre Lehrer, die Engländer, überholt, namentlich sei man in Deutschland in Bezug auf die Gefälligkeit der Form voraus. Sodann hält Ingenieur Lyonei Clark, London, an der Hand einer grofsen Anzahl von Ab bildungen einen Vortrag über „Die neuesten Verbesse rungen an den Docks und den Dock-Einrichtungen“. Die Fortsetzung der Sitzungen erfolgte auf be sondere Einladung des deutschen Kaisers in Berlin. * Vergl. den Vortrag des geschätzten Redners, welchen derselbe im Jahre 1888 vor dem „Verein deutscher Eisenhüttenleute“ gehalten hat. „Stahl und Eisen“ 1888, Nr. 10, Seite 650.