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1. Juli 1896. Meteoreisen und seine lieziehumjen zum künstlichen Eisen. Stahl und Eisen. 491 Meteoreisen und seine Beziehungen zum künstlichen Eisen. Von Otto Vogel. (Fortsetzung von Seite 448.) Kohlenstof. Schon Alexander von Humboldt hebt, gestützt auf die Untersuchungen von Rammeis berg, hervor, dafs der Kohlenstoff im Meteoreisen, wie im Stabeisen, theilweise als schwer verbrenn licher Graphit beigemengt, theils chemisch mit dem Eisen verbunden vorkommt.* Neuere Untersuchungen von Weinschenk haben ergeben, dafs man im Meteoreisen, ebenso wie im künstlichen Eisen, aufser Graphit und ge bundenem Kohlenstoff noch zwei Formen unter scheiden kann, nämlich graphitische Temperkohle und Carbidkohle. Wir wollen nun diese 4 Formen der Reihe nach besprechen und an gegebener Stelle einige Bemerkungen über die mögliche Ent stehungsweise dieser Beimengungen einflechten. Graphit. Das Auftreten von Graphit in Eisenmeteoriten ist schon sehr früh beobachtet worden; bereits im Jahre 1806 führte Smithson Tennant denselben als Bestandtheil des Cap- eisens auf. Im allgemeinen kommt der Graphit in Form von knollenförmigen, bis 100 g schweren, Stücken, oft von annähernd eiförmiger Gestalt und in erheblichen Mengen im Meteoreisen vor. Graphit erscheint aber auch in Blättchenform im Meteor eisen. Diese Blättchen sind dünn, rund, etwa bis 2 mm grofs. Bis zu 10 cm lange und 5 cm breite, plattenförmige Massen beobachtete Flight im Eisen von Cranbourne. Der Graphitgehalt des Meteoreisens ist sehr verschieden; er schwankt nach den vorliegenden Analysen zwischen 0,03 % im Abert-Eisen und 1,170% im Magura-Eisen. Auch in dem terrestrischen Eisen von Ovifak hat Berthelot eine graphitartige Substanz nach gewiesen, die sich indessen anders als der Graphit im Meteoreisen verhält. Nach Berthelot ist die aus meteorischem Graphit entstehende Graphitsäure identisch mit derjenigen, welche Gufseisengraphit liefert, aber nicht mit der aus dem Mineral Graphit sich bildenden. Man mufs daher den meteorischen Graphit als Kohlenstoff auf fassen, der von geschmolzenem Eisen aufgelöst war und sich beim Erkalten ausschied. Da der Graphit im Meteoreisen aber fast regelmäfsig mit Schwefel eisen vergesellschaftet vorkommt, so wurde die Graphit bildung auch auf Zersetzung von Schwefelkohlenstoff durcli glühendes Eisen zurückgeführt. Nach meinem Dafürhalten ist es gar nicht nöthig, hier eine andere Ursache für die Graphitbildung an zunehmen, wie beim künstlichen Eisen, denn auch bei diesem tritt der Graphit in ganz ähnlicher Weise * „Kosmos“, 111. Band, S. 612, wie im Meteoreisen auf, nämlich entweder in Form von Blättern (Tafeln) oder in der Eisenmasse knoten artig eingebettet.* Das gemeinsame Vorkommen von Graphit und Schwefeleisen läfst sich, wie ich später noch zeigen werde, auf eine Saigerungserscheinung zurückführen. Nach A. Ledebur** ist der Graphit, wie die Carbid- und graphitische Temperkohle, „das Erzeugnils eines Zerfallens, einer Saigerung der im flüssigen Eisen vorhandenen Eisenkohlenstofflegirung; während aber diese Kohlenstoffformen im erstarrten Eisen sich bilden, entsteht der Graphit nur während des Ueberganges aus dem flüssigen in den festen Zustand des Eisens, und die Bedingung für sein Ent stehen ist die Anwesenheit von Silicium neben einer bestimmten Menge Kohlenstoff im Eisen. Das erstarrte Eisen vermag von beiden Körpern nur eine beschränkte Menge, weniger als das flüssige, in Lösung zu behalten; die Folge davon ist, dafs, wenn letzteres mehr davon enthielt, ein Theil des Kohlenstoffs als Graphit auskrystallisirt. Dieser Vorgang ist ebenso bekannt als die Thatsache, dafs auch die Graphit bildung wie jede Saigerung erstarrender Legirungen durch rasche Abkühlung geschmälert oder ganz ver hindert werden kann.“ — Das Vorhandensein von grofsen Graphitausschei dungen im Meteoreisen würde daher für sehr lang sames Erstarren dieser Massen sprechen. Damit stimmen aber die meisten übrigen Erscheinungen nicht überein, ja die ganz eigenartigen Krystallisationen, auf die wir später noch zurückkommen werden, lassen eher auf ein plötzliches Erstarren der Massen schliefsen. Ein anderer Punkt, der zu Bedenken Veranlassung giebt, ist das vollständige Fehlen von Silicium im Meteoreisen, während doch grade die Graphit ausscheidungen auf einen hohen Siliciumgehalt deuten würden. Es ist daher noch der Fall denkbar, dafs der Graphit des Meteoreisens gar kein primärer Gemengtheil, son dern erst durch nachheriges Erhitzen des Eisens zur Ausscheidung gelangt ist. In erster Linie denke ich dabei an ein künstliches Erhitzen. Es ist indessen auch möglich, dafs die beim Durchgang des Meteoriten durch die Erdatmosphäre auftretende Erwärmung die Graphitausscheidung bedingt hat. Zum Beweise meiner Vermuthung will ich nur ein einziges Beispiel anführen. Der Graphitgehalt des Meteoreisens von Cosbys Creek wird zu 0,798 bezw. 0,5 °/o angegeben.*** Ueber dieses Eisen macht Dr. Otto Buchner t folgende Mittheilungen : „Es fanden sich zwei Massen von 1000 kg und 56 kg. Da erstere nicht zerschlagen werden konnte, so wurde sie auf einem Scheiterhaufen erhitzt, dann in Bruchstücke zerschlagen und in einer Schmiede in Sevier County verarbeitet. Der Rest fiel in die Hände von Troost, der etwa 32 kg davon besitzt.“ — * Dr. H. Wedding: Eisenhüttenkunde, II. Aufl., I. Bd., S. 28—30. ** „Stahl und Eisen“ 1888, Nr. 11, S. 746. *** E. Cohen, „Meteoritenkunde“ I, Seite 152. t Dr. 011 o B u c h n e r: „Die Meteoriten in Samm lungen, ihre Geschichte, mineralogische und chemische Beschaffenheit“. Leipzig 1863, Seite 164.