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28 er eben von Lysander und Agesilaus dazu gezwungen worden sei?" Agis erwiderte: „er sei von Niemand gezwungen worden; Lykurg sei sein Vorbild gewesen, dem er nachgestrebt habe; auf diesem Wege sei er zu dem gleichen politischen Verfahren ge kommen." Noch einmal stellte der gleiche Mann die Frage an ihn, ob er seine Handlungen nicht bereue? Allein der junge König erwi derte: „er habe die edelsten Absichten gehabt und diese könne er nicht bereuen, auch wenn er sehe, daß er die schwersten Leiden dafür erdulden müsse!" Jetzt verurtheilten sie ihn zum Tode und befahlen ihren Schergen, ihn in die sogenannte „Dechas" abzuführen. Dies ist ein Gemach im Gefängnisse, worin man die Verbrecher durch Erdrosselung um's Leben bringt. Aber Damochares mußte es sehen, daß die Schergen es nicht wagten, Hand an Agis zu legen, und ebenso die anwesende Schaar seiner Trabanten mit Abscheu sich der blutigen Arbeit zu entziehen suchte, weil sie es als eine sündhafte, gesetzwidrige Handlung betrachteten, die Person eines Königs anzutasten. Nachdem er also zuvor die stärksten Drohungen und Scheltworte gegen sie ausgestoßen hatte, schleppte er selbst den Agis in das Gemach hinein. Denn bereits hatten Viele dessen Gefangenneh- mung erfahren. Es entstand ein wilder Lärm an den Thüren, zahlreiche Fackeln erschienen; auch Agis' Mutter und Großmutter waren herbeigeeilt, schrieen und baten: „Der König von Sparta müsse Recht und Gericht finden unter seinen Bürgern." Aber nur um so mehr eilte man mit der Hinrichtung, weil man eine gewaltsame Befreiung während der Nacht befürchtete, wenn die Volksmenge sich noch vergrößern sollte. Cap. 20. Als Agis zu dem Stricke hinging und dabei einen von den Schergen selbst im tiefsten Schmerze weinen sah, rief er ihm zu: „Jammere nicht mehr, lieber Mensch; so muß ich sterben Wider Gesetz und Recht, und bin besser daran, als meine Mörder!"