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VNWMKW Kunst uncl wissenseliakt SWWNKK Goethes Neujahr. Es war in den letzten Dezembcrtagcn des Jahres 1826. Der Winter lastete aus dec stillen Residenzstadt an der Ilm, und in seinem Hause am Frauenplane saß der greise Goethe in behag licher Zwiesprache mit dem treuen Kanzler von Müller. Das Jahresende nahte heran, und es war natürlich, daß die hin und her schweifende Unterhaltung sich ihm zuwandre. Der alten Er zellenz fehlte es sa auch da nicht an Erinnerun gen. Neujahrstag — was war das nicht für ein belebter und interessanter Tag; im alten Frank furt gewesen! Und ganz besonders im ansehn lichen Hause der Großeltern Textor hatte an diesem Festtage immer ein bewegtes buntes Leben und Treiben geherrscht, das der Knabe .Wolfgang mit dem höchsten Anteile beobachtete. Er hat diese seine Neujahrserinncrungen aus der .Kinderzeit später selbst ausgezeichnet: „Der Neujahrstag ward zu jener Zeit durch den allgemeinen Umlauf von persönlichen Glüä- wünschungen für die Stadt sehr belebend. Wer sonst nicht leicht aus dem Hause kam, warf sich in seine besten Kleider, um Gönnern und Freun den einen Augenblick freundlich und höflich zu sein. Für uns Minder war besonders die Fest lichkeit in dem Hause des Großvaters ein höchst erwünschter Genuß. Mit dem. frühesten Mor gen waren die Enkel schon daselbst versammelt, um die Trommeln, die Hobocn und Klarinetten, die Posaunen und Zinken, wie sie das Militär, die Stadtmusici und wer sonst alles ertönen l'cß, zu vernehmen. Die versiegelten und über schriebenen Neujahrsgeschenke wurden von den Kindern unter die geringeren Gratulanten aus geteilt, und wie der Tag, wuchs, so vermehrte sich die Anzahl der Honoratioren. Erst erschienen die Vertrauten und Verwandten, dann die un teren Staatsbeamten; die Herren vom Rate selbst verfehlten nicht, ihren Scpnltheiß zn begrüßen, und eine auserwählte Anzahl wurde abends in Zimmern bewirtet, die das ganze Jahr über sich kaum öffneten. Die Torten, B skuitkuchcn, Mar zipan, der süße Wein übten den größten Reiz auf die Kinder aus, wozu noch kam, daß der Schultheiß sowie die beiden Burgemcistcr aus einigen Stiftungen jährlich etwas Silberzeug erhielten, welches den Enkeln und Paten nach einer gewissen Abstufung verehrt ward; genug, es fehlte diesem Feste im Kleinen an nichts, was die größten zu verherrlichen pflegt." Die Jahre gingen dahin, die Szenerie des Dichterlebens wandelte sich und mir ihr auch Goethes Neujahrstag. Jetzt war er der in deut schen Landen viclbeleumundctc Geheime Rat des jungen weimarischen Herzogs, stand in seinem 29. Lebensjahre und trank mit leidenschaftlicher Gier aus allen Quellen des Lebens. Es war im Jahre 1778, und Goethe »var im Dezember mit dem Kammerherru von Seckendorfs und mit Ein siedel in Thüringens Berge zur Jagd ansgefah- ren. Eine vergnügte Jagdpartie war es, und als der Neujahrstag herannäbte, und de drei Hofherren nach Weimar zurückcief, da fühlten üe alle keine Lust dazu, sondern dachten darauf, Ivie sie noch einige Tage ungestörter Freiheit genießen könnten. Und so entstand ein lustiger Neujahrsspaß. Seckendorfs war musikalisch und poetisch be gabt, und nun setzte er sich mit dem. Dichter zu sammen und sie schmiedeten statt der mündlich mit schuldigem Respekte darzubringendcn Neu jahrswünsche, wie sie üblich waren, lauter lustig übermütige Neujahrsverse. Zweiundzwanz g Glcher Neujahrswünschc dichteten die beiden zu sammen; alsdann sandten sie einen Eilboten Flwärts, der diese Neujährsgrüße in der Stadt mszuteilen hatte. Sie waren anonym und oaren mit verstellter Hand geschrieben, und sie mögen dazumal im ktatschlupigen Weimar gar viel frohes Gelächter, aber auch manche spitze „Medisance" hervorgerusen haben. x Denn Goethe und sein Dichterkumpan nah men sich bei dieser Gelegenheit auch manche kleine Schwäche der beglückwünschten Personen zur Zielscheibe. So ward das kokette Fräulein Amalie v. Hcndrich mit dem Versehen bedacht: „In deinem' Herzen ist nicht viel Platz: Drum alle acht Tage einen neuen Schatz!" Besser kam die Hofkammerrätin v. Felgcnhausr weg, der die beiden Dichter die anmutige Huldigung darbrachten: „Wir danken Gott zu dieser Frist, Daß Du ein Weib geworden bist." Sie waren übrigens keine Kostverächter, und auch ein hüb sches „Ratsmädel" bekam seinen Teil. Das war das Annchen Müller, die Tochter des verstorbenen Nates und Hofmedikus Dr. Friedrich Muller, der der folgende verliebte Neujahrswunsch ins Haus flog: „Kätzchen Ein Schwätzchen An mich! Und Deinem Schätzchen Gar lieblich Ein Dutzend mehr! Ach wer doch nur Dein Schätzchen wär'." Aber es war nicht .mmer Scherz und Spott, was Goethe und Seckendorfs die lange halbe Nacht hindurch schmiedeten. Ein fein empfundener Gruß ging an die junge Großherzogin, von der man da mals eben den Thronerben erwarten durfte; Charlotte von Stein aber las auf dem Zettelchen, hinter dessen verstellter Handschrift sie gar wohl den Verfasser erkannte, die folgenden schönen Verse: „Du machst die Alten jung, die Jungen alt, Die Kalten warm, die Warmen kalt. Bist ernst im Scherz, der Ernst macht Dich zu lachen; Dir gab aufs menschliche Geschlecht Ein süßer Gott sein längst bewährtes Recht, Aus Wohl ihr Weh, aus Weh ihr Wohl zu machen." Ach, das waren schöne Tage gewesen . . . Wie lange sind sie jetzt dahin! Jetzt sitzt der Greis im weißen Flauschrocke dem Kanzler von Müller gegenüber und denkt jener lustigen Tage von Weimar. Er macht sich nicht mehr gar viel aus dem Neujahr, das ihm nur durch die er forderten Zeremonien lästig wird. Er mag cs jetzt gern still und gleichmäßig um sich haben, und wenige Jahre später zeichnete er voller Befriedigung in seinem Tagebuche auf, daß die Sitte der persönlichen Ncnjahrsbcsuche dnru) die Abgabe von Glückwunschkarten ersetzt sei . . . * Aus den städtischen Theatern, Im „Alten Theater" hat der Spielplan eine Aend-erung dahin erfahren, daß am Freitag abend Schnitzlers Ko mödie „Professor Bernhardt" (statt „Jüdin von Toledo") gegeben wird; ferner ist am Sonntag, den -l. Januar, das Lustspiel „Krieg im Frieden" angc- setzt worden; die für Dienstag, den 6. Januar, an gezeigte Neuausführung des Lustspieles „Was ihr wollt!" muß auf später verschoben werden, cs geht dafür „Krieg im Frieden" in Szene. * Die Beerdigung Giampietros. Am Mittwoch vormittag fand, wie uns unsere Berliner Re daktion meldet, die Trauerfeier für den verstorbe nen Schauspieler E i a m p i c t r o in dessen Wohnung statt. U. a. hatte auch der Kronprinz einen Kranz gesandt. Rach der Frier wurde die Leiche nach dem Schlesischen Bahnhof gebracht, um nach Wien übergeführt zu werden. " Musikchronik. Felix v. Weingartner, der in Lemberg mit dem Wiener Konzertverein auch im zweiten dem Andenken Richard Wagners ge widmeten Philharmoaiekonzert einen aroßen Erfolg errungen bat, teilte auf Befragen mit, daß seine einaktige Oper „Kain und Abel", deren Text er selbst verfaßte, am 17. Mai 1914 in Darmstadt zur Uraufführung gelangen werde. Der Komponist be absichtigt, dem Wunsche des Großherzogs von Hessen gemäß, die Oper persönlich zu dirigieren. Die weib liche Hauptpartie wird Frau Lucille M a r c e l l - Weingartner singen. * Ankauf des Geburtshauses von Robert Schu mann durch die Stadt Zwickau. Wie uns telcgra« phiich gemeldet wird. Haven die Stadtos ordneten den Ankauf des Geburtshauses Robert Schumanns beschlossen und >u diesem Zwecke die Summe von 165000 ./L bewilligt. * Assistentenaustausch. Die vielversprechende Ein richtung eines Assistemenaustausches ist jetzt auf Anregung von amerikanischer Seite an den chirurgi schen Kliniken der I o h n - H o p k i ns - Univer sität. dessen Direktor Professor H a l st e d ist. und der Breslauer Universität, wo Prozessor Küttner die Klinik leitet, getroffen worden. Von Breslau geht Prioatdozent Dr. Felix Landois auf ein halbes Jahr nach Baltimore, wo er eine für ihn geschaffene Assistentenstelle übernimmt, während der erste Assistent Professor Halsteds, Dr. George Heuer, nach Breslau geht. * Professor Meinecke - Freiburg lBreisgau) teilt dem „B. T" mit, die Nachricht, daß er als Nach folger von Max Lenz nach Berlin berufen sei, sei verfrüht. * Neubau einer Klinik in Halle. Aus Halle a. S. wird uns berichtet: Nachdem im Frühjahr 1911 bei der Berufung des jetzigen Direktors der Klinik, Ge heimrats Prof. Dr. Denker, die frühere Univer sitätsklinik in eine Klinik für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten umgcipandclt worden war, stellte sich bald heraus, daß die bisher zur Verfügung stehen den Räume für die Unterbringung der immer stärker anwachscnden Zahl der Patienten durchaus unzureichend waren. Der Neubau, dessen Pläne schon eingehend durchgearbeitet worden sind un-d den Beifall des Kultusministeriums und» des Finanz ministeriums gefunden haben, wird auf dem Terrain der klinischen Anstalen gegenüber der jetzigen Klinik errichtet und, vorbehaltlich der Genehmigung durch den Landtag, im Frühjahr 1914 begonnen werden. Mit d-ieser neuen Klinik wird die Universität um ein Institut bereichert, das für absehbare Zeiten allen modernen Anforderungen genügen wird. * Georg Marschall, der bekannte Berliner Maler, begibt sich nach Korfu, um mit Genehmigung des Kaisers Skizzen und Gemälde vom Achilleion, Korfu und den Ausgrabungen onzufertigen. Prof. Dörpfeld wird dem Künstler dabei zur Seite stehen * Eine Wallenstein-Versteigerung. Bei Karl Ernst Henrici in Berlin findet am 31. Januar die Versteigerung einer wertoollen Sammlung von Autograwhen und Flugschriften zur Ge schichte des Dreißigjährigen Krieges unter dem Titel „Wallenstein und seine Zeit" statt. Die Sammlung stammt aus dem Nachlaß des bekannten Wallensteinforschers Hofrats Wall wich in Wien, und es befinden sich darunter drei eigenhän- dige Briefe Wallensteins. — Ferner ver steigert Karl Ernst Henrici am 29. Januar englische und französische Kupfer st iche, dabei eine Spezial sammlung französischer Blätter in Kreidemanier, und am 30. Januar eine Sammlung von farbigen Städte ansichten, Oelbildern, Manuskripten, Erinnerungs- stücken aus Alt-Weimar, historischen Darstellun gen und Handzeichnungen. * Lyoner Städteausstelluny. Heber die deutsche Beteiligung an der Lyoner städteausstellung teilt uns das Präsidium mit, daß Vertreter des deutschen Komitees, der Direktor des Komitees für inter nationale Ausstellung in Berlin, ein Architekt, ein Ingenieur und ein Advokat, bei einem dreitägigen An (enthalt in Lyon einen 5000 Quadratmeter um faßenden Bauplatz für den deutschen Pavillon ausgewählt haben. Das deutsche Komitee setze sich aus den höchsten Persönlichkeiten der Wissenschaft, des Handels und der Industrie zusammen; die meisten Großstädte Deutschlands würden in Lyon einen Einblick in die Organisation ihres Gemeinde wesens geben. Straßburg gedenkt einen besonderen Pavillon zu bauen und in 30 Klassen auszustellen; auch die österreichische Beteiligung kündet sich sehr umfangreich an, und ein Vertreter des Bürocr- meisters von Wien traf an Ort und Stelle die ersten Vorbereitungen. Insbesondere Amerika wird sein modernes Städtewesen auf großer Basis vor führen. — Die Ausstellung verspricht einen be deutenden Ersolg. und die unter Senator Herriot in friedlichster Tendenz arbeitende Industriestadt wird viele Ausländer anlocken. Die Loge der Aus stellung am Rhöne-Uier wirb sehr schön fein, der Aufenthalt allen Gästen sehr cmgcnehm gestaltet werden; eine Wohnungskommission bereitet zwei tausend möblierte Zimmer vor. * Rembrandt-Reliquien zum Verkauf. Aus Lon don wird berichtet: Der englische Kunsthändler Franz Satin, der dieser Tage von einer Reise aus Holland nach London zurückgekehrt ist, har in sein: Heimat einen Schatz mitgebrackit, besten Ueberxang in den eng lischen Kunsthandel in Holland zweifellos nicht ge ringes Aufsehen mcchrn wird: er hat zwei einz g- art'.ge Rembrandt-Reliquien durch Kauf ccwor'cn, das elfenbeinerne Paletten messer uns den Malstock aus Lchildplatt. mit denen Rembrandt gearbeitet hatte. An der Echtheit der Reliquien ist nicht zu ,'Weiseln. Auf einem beiliegenden Pergament hoben seit dem Jabre 1669 alle Besitzer der beiden Gegenstände ihren Namen eingezeichnet. Dabei zeigt sich, daß das Palsltenmesser und der Malstcck de» großen Meisters unmittelbar nach seinem Tode von Jacob vanRuisdael für 13 Gulden qekauft wur den. „Ich will sie mein ganzes Leben lang in Ver ehrung für den großen Meister bewahren", schrieb Ruisdael auf das Pergament, das den Sachen beilag. Vom Jahre 1890 an befanden sich die's Rembrandt- Reliquien im Besitze einer holländischen Familie, von der sie der englische Kunsthändler erworben und nun nach Landon entführt hat. Dort ruhen sie jetzt bei den berühmten Browningtr'csen. die derselbe Händler im Mai vorigen Jahres auskaufte. * Uraufführung in Posen. Man schreibt uns aus Posen: Wenn man objektiv die Ankündigungen, die der Uraufführung der komischen Oper „Frau Ann e", die Dame „am Putztijch" von Slaniilaw Letovskn vorausgingen, betrachtet, muz man bei nahe zu dem Ergebnis lommei. man stünde vor dem Andruck' einer neuen musikalischen Aera. Indessen ist die Reklametrommel, anders kann man es nicht nennen, etwas zu unsanft gerührt worden. Letoockä hat von «einem Meiner Kaun, dessen Sinfonien z. B. im Leipziger Gewandhaus eine beachtenswerte Würdigung sanden, gewiß Anregungen empfangen, die güte Früchte tragen können. Verfehlt war es aber auf jeden Fall bei Letovskn von einer fertigen Grche zu sprechen, bei der Be weise von Fertigkeit noch niwt vorhanden sind. Das Milieu der Oper bewegt sich in der Blütezeit der holländischen Malerei (Mitte des 17. Jahr hunderts), auch ihr Hauptvertreter Rembrandt van Nyn erscheint aus der Bühne. Der Stoff behandelt den Kampf zw'>chen einem ehrlichen, ernsthaften Freier (van der Meer) und einem gewissenlosen Don Juan (Franz Mieris). Der Gegenstand beider Ge fühle, Frau Anne Blound. geht natürlich in die Neye des letzteren und erkennt erst mit Hilsc einer Ver- kleidungsszene die wahren Absichten des Mieris. Die Folge davon ist, daß van der Meer doch noch die Angebetete in seine Arme schließen kann. Nebenher spielt ein Liebespaar Helena—Pieter, das schließlich ebenfalls ein glückliches Paar wird. Mit kurzen Worten, ein Stoff, der Gedanken behandelt, die bereits mehrfach auf der Bühne dargestellt wurden. Wie allgemein erwarte*, brachte demnach die Auf führung dem Komponisten lediglich einen lauten äußerlichen Erfolg, der besonders nach dem 3 Akt stark einsetzte. In diesem Akt konnte man einige musikalische Vertiefungen in den Stoff wahr nehmen, und die wachsende Leidenschaft fand eine glückliche Instrumentation, die auch melo diös vorteilhaft verwandt wurde. Dies war der einzige Lichtpunkt im ganzen Werke. Trotzdem wird der Komponist bei fleißiger Weiter- arbeit größere Ersclge haben, denn ei-ic gesunde Grundlage ist sicherlich vorhanden. Tas bewiesen z. B. im 2. Akt innerhalb einer niederländischen Wcrtshauszene einige im Walzerrhythmus recht ge fällig wirkende Tänze, die auch etwas Originalität für sich in Anspruch nehmen können. Der äußere Rahmen der Aufführung war naturgemäß ein glänzender. Szenerie und Kostümierung waren lehr stimmungsvoll und historisch stilgerecht. Die Darsteller setzten ihr ganzes Können ein Die Trägerin der Hauptrolle (Else Voigt) be friedigte im allgemeinen. In den höheren Lagen ließ jedoch die Kraft nach. Auch im Spiel wire größeres Heroortreten am Platze gewesen. Letz eres muß man auch von den beiden Liebhabern sagen (Fritz Bergmann und Kurt Schöner t). 2n musikalischer Hinsicht genügten sie jedoch. Eine nach jeder Richtung hin gute Leistung bot Elsa Wellner-Reich als Helena. Theodor Simons war ein in jeder Hin sicht einwandfreier Rembrandt. Das Orchester spielte an vielen Stellen nicht ganz rein und man vermißte oft das notwendige Zusammenspiel. Die Chöre, ein Schmerzenskind unseres Theaters, klappten auch diesmal nach. Die Bearbeitung der Textoerse hätte eine größere Sorgfalt erfordert. Mit dieser Lyrik ist kein Staat zu machen. Am Schluß gab es Kränze in Fülle, was aber hier nicht weiter als be- iondere Ehrung und Maßstab für Erfolg empfunden werden kann. * Goethes „Weither" im französischen Gewände. Goethes „Weither" hat bekanntlich noch zu Lebzeiten seines Dichters nicht nur in Deutschland, sondern auch über die Grenze Deutschlands und über die deutsche Sprachgrenze hinaus ein für jene Zeit ganz ungewöhnlich großes Aufsehen erregt. Die „Werte,er- Literatur", d. b. die Literatur, die sich mit Goethes „Weither" beschäftigt, und die zahllosen Nachahmungen des „Weither", sind ein besonderes Kapitel der Literaturge chichte geworden. Beionders gross war der Eindruck des „Weither" inFrankreich, wo eine große Zahl von Werther-Ueberietzungen, von Nachahmungen und von dramatischen Bearbeitungen entstand. Es ist interessant, zu beobachten, wie der deutsche Weither besonders in den dramatischen Bearbeitungen und in den Nachahmungen dem französischen Geschmack und Verständnis nahegebracht wurde. Der französiiche Weither ist ganz und gar nicht mehr der deutsche. Er ist weniger fentimental, sondern feuriger, und der Lotte fehlt viel von der Poesie der Goetheschen Lotte. Die erste dramatische Verarbeitung des Stoffes in französischer Sprache fällt bereits in das Jahr 1775. Sie stammt von dem Berner Bibliotheiar Sinn er, der trotz versuchter Gegenbeweise als ihr unzweifelhafter Verfasser gelten kann. Die Handlung des Dramas spielt auf einem Schlosse Watdeck, der Held ist umgetaust und fuhrt den Namen Manstein, und er liest nicht aus Ossian, sondern aus einem französischen Rührstück aus der Schule Crebillons vor. Auch im übrigen ist der Inhalt von Goethes Dichtung recht willkür lich verändert und verflacht. Das Drama hatte aber einen bedeutenden Ersolg. Eine -wette Dramati sierung aus dem Jahre 1777, die unter dem Titel „D.e Abenteuer des jungen d'Olban" erschien und einen gewissen Ramond zum Verfasser hatte, war noch erfolgreicher. Sie war aber weniger ein Drama als eine Reihe dialogisierter Bilder. Später wurden die Bearbeitungen häufiger. In jeder Form wurde der Wer.her» Stoff verwendet. Weither wurde der Held zahl reicher D amen, Opern und Romane, die noch im ganzen 19. Jahrhundert in Frankreich und Italien entstanden, zumeist freilich mit arger Verflachung und Versüßtichung des Goetheschen Urbildes. 2a so^ar in der allerneuesten Zeit kam noch ein neuer Weither ans die Bühne, in einem musikalischen Schauspiel von Decourcelle und Raynold Hahn, das im Jahre 1903 im Theater Sarah Bernhard in Paris aufgeführt wurde. Auch hier ist von dem Goetheschen Werther nicht gerade viel übrig geblieben. Vor allem fehlt den französischen Werther-Dichtungen die echt deutsche süße Sentimentalität der Ent- stehuiigszsit von Goethes „Werther." * Sins unterirdische Wundergrotte im Salz kammergut aufgefunden. Das „Tote Gebirge" im Salztammergut bot von jeher der wissenschaft lichen Forschung in geologischer Hinsicht die reiz vollsten Probleme. Man war schon längst zu der Ueberzeugung gekommen, daß dieser in seiner Ge staltung an die Dclomiten erinnernde Gebirgszug in fecnem Innern eine geheimnisvolle Höhlenwelt deraen müsse, die von großen unterirdischen Ge wässern durchzogen ist. Diese Vermutungen sind nun in oanzem Umfang durch wissenschaftliche Forschungen bestätigt worden, die bis ins 2ahr 19l1 zurück, reichen. Nunmehr ist cs der wissenschaftlichen Expedition des Schriftstellers Oskar Stipic ge lungen, ein unterirdisches Höhlenlabyrinth im Toten Gebirge aufzudecken, das an Ausdehnung und c-chönhect seiner architektonischen Bildung seines gleichen sucht. DerForscher befuhr durch einen50n. Liefen Strickleiterabstieg einen senkrecht in die Tiefe führen den ungeheuren Schlund, das sogenannte „Große Wind loch" am Plateau des Toten Gebirges und entdeckte dort eine weitverzweigte Wunderwelt von herrlichen Felsentemycln, Domen, Hallen und unter irdischen Seen. Auf seine Anregung wurden nun neue größere Expeditionen ausgerüstet, die sich der Erforschung der unterirdischen Höhlenwelt in großem Maßstabe widmeten und ganz außer ordentliche Entdeckungen zutage förderten. So fand man im Innern des Toten Gebirges starke Gemässer, die etagcnsörmia ganze unterirdische Seen, Wasser fälle und Höolcnflüsse bilden und die den das Tote Gebirge umgebenden Seengürtel, sowie die Quellen der Steyr und Draun mit Wasser speisen. 2m Vor jahre konnte man bis zur ersten Wasserctage, den riesigen Grottenhallen Erebos und Orcus, vorstoßen. 2m Juli dieses Jahres gelangte Stipic noch 70 m tieser und sand dort einen brausenden Wasserfall, den „Mysa-Wassersall" und in dem 2sisdom einen breiten Höhlenflui. In diesem Fluß fand man auch ein Exemplar des Grottenolmes auf, eines un gewöhnlich seltenen Tieres, das sich in diesen Ge genden überhaupt noch nicht gezeigt hat. Man wird etwa noch 8lXt m in die Tiefe zu steigen haben, um von den bisher erreichten Wasseretagen auf das Niveau der tiefsten Seen zu gelangen. Dies bleibt einer noch späteren hydrographischen Expedition vorbehalten. Jedenfalls stellt das bisher Entdeckte eine unterirdische Wunderwelt von zauberhafter Schönheit dar, mit der vas Salzkammergut um eine Sehenswürdigkeit bereichert ist, wie sie nur ganz wenige Gegenden ausweisen können. Musvll ostüwrücks leläer II. X^VIIIIi 15 >1sin Invantur-^usvarlrauk Lv Uet borLdßv8otLt<m krolsen beginnt srn 2. Januar 1Y14 VLsolie INorAeurück« kläukel