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29. April 1908. Anblasen eines Hochofens nach 14 Monate langem Dämpfen. Stahl und Eisen. 623 von 6750 KW., beobachtet wurden, denen sich die Dynamos und Motore in jeder Hinsicht ge wachsen zeigten. Diese in sorgfältigster Weise durchgeführten Versuche haben tatsächliche Werte über den Kraftverbrauch einer derartigen Anlage ergeben, die einen Beitrag liefern zur Ermittlung der Walzkosten und zur Berechnung, ob unter Be rücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, wie der Produktion, Kohlenpreise und dergl. dem Dampfantrieb oder dem elektrischen Antrieb einer Umkehrstraße der Vorzug zu geben ist. Anblasen eines Hochofens nach 14 Monate langem Dämpfen. [Nach"Mitteilungen von Direktor S. Surzycki und Hochofenchef W. Jacobson in Czenstochau (Russ.-Polen). V an pflegt den Hochofenbetrieb insofern für stetig anzusehen, als ein Stillsetzen des Ofens, wenn auch für kurze Zeit, nicht allein in wirtschaftlicher, sondern auch in technischer Beziehung als ein großer Uebelstand betrachtet werden muß. Die Zustände indessen, welche die russisch-polnische Eisenindustrie in den letzten drei Jahren durchzumachen hatte, haben bei den dortigen Hochöfen öfters die schlimmsten Störungen hervorgerufen und dadurch gelehrt, einen Hochofen auch unter den denkbar schwie rigsten Verhältnissen im Feuer zu halten. Lange dauernde Arbeiterstreiks und Unruhen, ferner Koks mangel hatten ein derartig häufiges Einstellen des Betriebs oder Dämpfen der Hochöfen im Gefolge, daß z. B. ein Hochofen in einem Be triebsjahre volle 21 o/o der Schichtenzahl still gesetzt werden mußte. Daß ein solcher Betrieb in wirtschaftlicher Beziehung geradezu ruinierend ist, braucht nicht näher erwähnt zu werden. Wahrscheinlich das erste Mal in der Hoch ofengeschichte ist es jedoch vorgekommen, daß ein Hochofen nach 14 Monate langem Dämpfen wieder angeblasen werden konnte. Dieser Fall ereignete sich bei dem Hochofen Nr. 1 der Hüttenwerks-Aktiengesellschaft B. Hantke in Czenstochau. Ueber den Ofen selbst sind nach stehende Angaben gemacht: Höhe 17,5 m, In halt 325 cbm, Düsenzahl 8 (zu 130 mm 0), Windverbrauch 450 cbm in der Minute, Erzeu gung in 24 Stunden 140 bis 150 t Martinroh eisen. Der Ofen wurde das erste Mal im März 1899 angeblasen und im April 1902 zwecks Reparatur des Gestells ausgeblasen. Während dieser Zeit hat er 90 821 t Roheisen von ver schiedener Beschaffenheit, meist Gießerei- und Martinroheisen, erzeugt. Nach der Neuzustellung wurde der Ofen am 9. August 1904 wieder angeblasen und ging dann bis zum 26. Oktober 1906, mit Ausnahme des Februars 1905, währenddessen er infolge eines Arbeiterstreiks 28 Tage gedämpft werden mußte. In der Reise August 1904 bis Oktober 1906 hat der Ofen erzeugt: . Martinroheisen 45 914 Gießereiroheisen .... 17 720 Hämatitroheisen .... 5 442 Phosphorroheisen .... 3 766 Spiegeleisen (20 prozentig) 2 904 Ferrosilizium (14proz.) . 810 Ferromangan (80proz.) . 2 287 Zusammen 78 843 Wegen vollständigen Koksmangels mußte alsdann der Betrieb eingestellt werden. Da aber infolge des Erblasens von Ferromangan und Ferro silizium die Schachtwandungen des Ofens sehr dünn geworden waren (es waren Stellen von nur 30 mm Stärke vorhanden), wollte man das Nieder blasen nicht wagen, und entschloß man sich, den Hochofen zu dämpfen, obgleich man bestimmt wußte, daß der Stillstand sehr lange Zeit dauern werde. Es wurde daher zuerst eine leere Gicht von 5 t Koks, sodann eine Gicht von nochmals 5 t Koks und 3300 kg Möller (1/3 des gewöhn lichen Erzsatzes) und nach darauffolgenden acht normalen Gichten zuletzt Koks im Ueberschuß aufgegeben. Insgesamt stellte sich die Mehr aufgabe an Koks auf 15 t. Der Ofen war bis auf drei Gichten gefüllt, die Beschickungssäule wurde bis zur Gicht durch granulierte Hochofenschlacke, etwas mulmige und tonhaltige Erze und schließ lich Lehm ergänzt. Das Ganze wurde fest gestampft. Weiterhin zog man die Düsen zurück, mauerte die Formen zu und strich den ganzen Ofen von oben bis unten mit Teer an, um das Schachtmauerwerk möglichst dicht zu halten. Nach Verlauf von drei Monaten konnte man keine Veränderung an dem Hochofen bemerken. Auch die Beschickungssäule war dieselbe geblie ben. Erst im April 1907, also nach fünf Mo nate langem Stillstand, war die Teerschicht an verschiedenen Stellen gerissen, ein Beweis, daß der Ofen infolge der Abkühlung sich zusammen gezogen hatte, durch die so entstandenen Risse war Luft in den Ofen gedrungen und die Gichten fingen allmählich an niederzugehen. So ging es bis Ende Dezember 1907 weiter, zu welcher Zeit man beschloß, einen Versuch zu unternehmen, um den Ofen wieder in Betrieb zu setzen. Es stellte sich heraus, daß der Ofen nach 14 Mo nate dauerndem Dämpfen um 10 Gichten gesunken war. Man besserte daher zuerst die schwachen Stellen im Mauerwerk aus und öffnete sodann die Formen. Dabei entstand sofort ein Luftzug