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konnte. Er war ein schlechter Mensch gewesen; schlechte Menschen verdienten Strafe. Sterben muffen wir alle — einer früher, einer später. Hilde wollte sich jetzt zusammennehmen und auch ver suchen, etwas in der Wirtschaft zu tun. Sie wollte auch sehen, mit der Schwiegermutter freundlich zu sein. Besser war es, well man einmal hier war. Ihre Mutter konnte bald abreisen, sie war doch nicht fein genug für den Lörrachhof. Hilde schlief fest ein und fuhr in die Höhe, als sie Ihres Mannes Stimme im Nebenzimmer hörte. Er suchte etwas, dann klopfte er und trat ein. ^Sage, weißt du, wo mein kleiner Revolver ist? Vor kurzem war er noch in meinem Gewehrfchrank, dann habe sch ihn eine Zeitlang nicht gesehen. Thormann wlll ihn Dern haben, er ist graulich geworden, seitdem die Ge schichte mir Feldern geschah. Ich meine sicher, daß er vor kurzem in meinem Schrank lag!' Hilde schüttelte den Kopf und wurde übler Laune, wie sie immer wurde, wenn irgendeine Frage auftauchte, die sie nicht beantworte« konnte oder wollte. Sie hatte den «einen Revolver nicht gesehen, wie sollte sie! Sie ging «ichtmit Waffen um! Lutz fragte schon nicht mehr. Er suchte in seinem Schreibtisch, in verschiedenen Laden, in den er wohl die kleine Waffe verwahrt haben konnte. Sie stammte noch von seinem Vater und hatte seinen Namenszug. Der Revolver fand sich nicht, und der alte Verwalter, der durch seine Gicht mißtrauisch und grämlich geworden war, mußte vertröstet werden. So bald käme wohl kein «euer Mordgeselle, der es gerade auf den alten Thor mann abgesehen hätte. Aber Lutz war doch verdrießlich. Zuerst hatte HUde in feinen Sachen gewühlt; er wußte, daß sie ihm Geld benommen hatte, mit einem Revolver wüßte sie wahr scheinlich nicht viel anzufangen; aber es gab eine MSg- itchkeit, daß sie ihn genommen und achtlos, wie sie war, Irgendwo hingelegt und diesen Platz vergessen hatte. Was man verloren hat, pflegt man am meisten zu lieben. Lutz sprach noch mehrmals von dem Revolver, und über HUde kam die Unruhe. Wo hatte sie den Re volver gelassen? Sie wußte es nicht. Hatte sie überhaupt geschossen? Es kamen Augen- dltcke, wo sie sich einredete, daß der Revolver nicht los- gegangen und daß Feldern von einem anderen, von dem, ver ihm Rott und Weste genommen, getötet wäre. DaS war Unsinn; aber es beruhigte sie. Indessen blieb doch eine Unruhe, die an ihr nagte, sie nicht schlafen, nicht essen ließ. Der Briefträger brachte wieder eine neue Nachricht. Der Mann, der als Mörder Felderns verhaftet war, leugnete die Schuld. Er leugnete nicht, einem Toten Rott und Weste genommen zu haben, aber er war schon tot gewesen, als er ihn sand. Nicht allein der Briefträger erzählte dies; es stand im Kreisblatt zu lesen, und ob gleich die Ernte wichtiger war, als Felderns Tod, so begann man doch, darüber nachzudenken, wer denn Fel dern getötet hätte. Auf dem Lörrachhof sprach Fräulein Herrlich mit dem Küchenmädchen darüber, und auch Frau Wenninger sagte ihre Meinung. Sie fand eS merkwürdig, daß die Polizei hier nicht dahinterkommen könnte, wer der Verbrecher wäre. In Berlin wüßte man gleich Bescheid. Worauf Fräulein Herrlich spitzig entgegnete, daß ge rade in Berlin die meisten ungesühnteu Verbrechen geschähen. Das hätte noch vor kurzem im Kreisboten gestanden. Frau Wenninger ärgerte sich. Aus Berlin ließ sie un gern etwas kommen und Hilde müßte doch auch zugeben, daß die Polizei in Berlin besonders gewitzigt wäre. Aber Hilde erwiderte, daß sie nichts mehr von dieser eutfetzltchen Geschichte hören wollte. Sie hatte wieder ihren Appetit verloren und erklärte, daß sie Ruhe habe« müßte. . * In dielen Sommertagen war es friedlich in Fried heim. Frau Agathe kochte einige Früchte ein und half der Pastorin bei einer kleinen Aussteuer für einen erwarteten Enkel. Sie nähte auch für den Kleinen, der auf dem Lörrachhof seinen Einzug halten sollte, aber sie tat es verstohlen. Wenn sie Lutz sah, war er so mit seiner Landwirt schaft beschäftigt, daß sie ihm mcht mit anderen Dingen kommen mochte, und Hilde ließ sich nicht sehen. Sie war immer unpäßlich, wie Lutz spöttisch sagte, wenn er nach seiner Frau gefragt wurde. Da war es besser, nicht von ihr zu reden. Helga Bering arbeitete fleißig an einem Aquarell, daS einen TeU des Jnnenraumes der Kirche darstellte, aber sie kam nicht immer zum Malen. Ihr Onkel nahm sie sehr in Anspruch. Er wollte eine Arbeit über ägyptische Aus grabungen vollenden und behauptete, daß sie noch in diesem Jahre fertig sein müßte. Dabei litt er an Atembeschwerden, und Helga wußte, daß seine Nächte schlaflos waren. Sie durfte ihn aber nicht nach seinem Befinden fragen, dann gab er verdrieß liche Antworten, die Helga nicht gern hörte. Leontine war mit Frau Agathe zu einem Kaffee bei der Pastorin gegangen, und Florinde saß allein bei ihrer Handarbeit. Sie war natürlich auch geladen, hatte aber abgesagt. Sie litt noch immer an Schwindel, wie si« sagte, und zog die Einsamkeit einer lebhaften Unter haltung vor. Es war warm und die weißen Wolken zogen langsam über den Himmel. Florinde saß im Garten vor einem Rosenbeet, das feine zweite Blüte hatte, ihre Arbeit ruhte im Schoße, und sie sah ernsthaft vor sich hin. Wohin ihre Gedanken gingen, wußte sie selbst kaum, aber sie fuhr zusammen, als ein Schritt auf dem Wege knirschte und ein gut gekleideter Herr vor ihr stand. Er zog höflich den Hut» nannte einen Namen, den Florinde nicht verstand, und fragte, ob er sich einen Augen- blitt zu ihr setzen dürste. „Ich habe Ihren Namen nicht verstanden, mein Herr!* sagte Florinde, den Besucher mit ihren ernsthaften, klaren Augen ansehend; der Herr lächelte ein wenig. „Ich heiße Petrich und bin Erster Staatsanwalt'* „Staatsanwalt!* Florinde setzte sich ein wenig fester hin, und der Staatsanwalt räusperte sich. „Fräulein Baumann, ich falle gewissermaßen aus meiner staatsanwaltlichen Rolle, wenn ich zu Ihnen komme. Ein Polizeikommissar würde genau dieselben Dienste tun, aber es liegt mir daran, diese Angelegenheit für Sie so wenig unangenehm wie möglich zu machen!* Er schwieg und sah Florinde an, als erwarte er eine Antwort. Sie aber lehnte sich in ihren Stuhl zurück und sah zu den kleinen Wolken empor. Run zog Petrich ei« Blatt aus der Tasche und seine Stimme wurde geschäfts mäßiger. „Daß es sich um den Mord handelt, der vor einige« Wochen in dieser Gegend begangen wurde, werden Sie sicher annehmen. Wir haben einen jungen Mann gefaßt der dieses Mordes beschuldigt ist; er will ihn aber nicht begangen haben, und so viel ich beurteilen kann, ist er unschuldig. Er hat einem Erschossene« Rock und West« ausgezogen und damit das Weite gesucht. Er bettelte hier im Dorfe, stand dann in der Hecke und erlebte, wie ein Mann und eine Frau* —, der StaatSanwalt wieder holte, „eine Frau einen heftigen Wortwechsel miteinander hatten. Er verstand nicht, waS sie sprachen, nach meiner Ansicht verlangte der Mann etwas, das ihm die Frau nicht geben wollte. Dann fiel ein Schuß —, der Mana fiel auf die Erde, die Frau lief davon. Wenige Augen blicke später stieg eine ältere Frau von dem Baum, unter