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804 Nr. 11. STAHL UND EISEN.“ November 1887. ursprünglichen Kesselbleche, welche bei den älteren Kesseln die gröfsere Masse bilden, ein Material ent hielten, welches kaum eine Biegung ohne Bruch aus halten konnte und bei sehr geringer Anspannung ohne Dehnung und Contraction wie Glas zersprang. Von den genannten Einbiegungen ist nicht nachzuweisen, dafs sie bei der Explosion der Kessel erfolgten, sie können recht gut auch beim Niederfallen und [Auf schlagen der emporgeworfenen Kessel entstanden sein. Hiernach ist den sub a bis e angeführten Er scheinungen auch nicht die mindeste Gültigkeit als Beweis für das Stattfinden einer Gasexplosion zuzuer kennen, sie können vielmehr mit gröfserer Wahr scheinlichkeit als Wirkungen einer regelrechten Dampf explosion gedeutet werden, welche, sich über 18 Kessel mit sehr grofsen Wasserräumen erstreckend, eher zu solchen Colossalwirkungen geeignet erscheint, als eine Reihe von Gasexplosionen, deren Zustandekommen und rechtzeitiges vereintes Wirken, wie es zu einem so furchtbaren Resultate mindestens nöthig gewesen wäre, unter den obwaltenden Umständen unmöglich ist, wie ich später nachweisen werde. Die Vorstellung, welche der Bericht von der Thätigkeit der Gasexplosion bei der Katastrophe zu geben sucht, ist nicht klar: es wird einmal in der Einleitung der Befundsbeschreibung auf Seite 127 von „begonnener“ (also wohl den Anfang machender) Gas explosion und einer „secundären" Dampfexplosion gesprochen, während nach der Schilderung des „Her gangs und der Folge, sowie der muthmafslichen Ur sachen der Explosion“ ein Rundnahtbruch am Kessel 7 den Anfang gemacht haben soll. Diese Schilderung des Hergangs giebt nun aber die Geschichte des Pro- cesses nach der Auffassung des Dampfkessel-Ueber- wachungsvereins im Zusammenhänge und die beste Gelegenheit zur Würdigung der hier aufgestellten Gas explosionstheorie. Ich erlaube mir, den erwähnten Abschnitt vorzulesen: „Sowie von den Bewohnern der Friedenshütte und namentlich den Beamten des Werks drei bis vier Slöfse hintereinander unterschieden wurden etc. etc.“ Hiernach ist also der Kessel Nr. 7 in einer seiner hinteren Rundnähte und im letzten Stützen gerissen, er hat dabei den Kessel Nr. 6 so heftig erschüttert, dafs auch dieser in einer Rundnaht gebrochen ist. Beide Kessel sollen (wohlbemerkt 1) hierbei nicht von ihrem Lager geworfen sein. Das ausströmende Wasser soll die Feuerthüren aufgestofsen und die Kohlen der Hülfsfeuerung vom Roste gefegt haben. Hinterher soll sich dann der Raum zwischen Oberkessel und Gewölben über den Unterkesseln mit einem explosiblen Gasgemisch gefüllt haben, welches denn Alles das jenige besorgte, was das unter hohem Druck aus tretende und meist sofort verdampfende Wasser trotz des grofsen Rundnahtbruches nicht zustande bringen konnte. Nehmen wir an, dafs die Kessel 6 und 7 nach den mit lautem Knall und heftiger Erschütterung er folgten Rundnahtbrüchen nicht sogleich in die Luft geflogen seien, dann mufs das dadurch entstandene Leck in jedem Kessel so klein gewesen sein, dafs die Dampfdruck-Reaction die Kessel nicht empor zu heben vermochte. Dann hat aber auch das Auslaufen des grofsen Wasservorraths der Oberkessel selbst unter dem Druck von 5 Atmosphären eine Zeit in Anspruch genommen, welche eher nach Minuten als nach Se kunden zu bemessen war, während doch nach Aus sage der Zeugen die ganze Katastrophe kaum drei Sekunden gedauert hat. Das durch die Brüche aus tretende hocherhitzte und deshalb sofort meist in Dampf verwandelte Wasser soll die Feuerthüren auf gestofsen und die Kohlen vom Rost gefegt haben. Wenn das austretende Wasser bezw. der Dampf dies zu leisten imstande war, dann hat es sicherlich auch die Gase, deren Eintritt in den Heizraum ganz dicht an den Feuerthüren liegt und welche mit der schwa- schen Pressung von höchstens 20 mm Wassersäule ausströmlen, zur offenen Feuerthür hinaus ins Freie gejagt und dies Herausblasen der Gase hat unter dem Druck des den ganzen Raum der Feuerzüge erfüllen den Dampfes und Wassers so lange gedauert, als der Kessel noch Dampf und Wasser von nennenswerthem Druck bergab — es hat, wenn sich der Hergang so begeben hat, wie der Bericht sagt, länger dauern müssen, als alle Zeugenaussagen der ganzen Katastrophe Zeit lassen. Wo und wann hat sich da Gelegenheit zur Bil dung eines explosiblen Gasgemisches innerhalb der Hohlräume des Kesselgemäuers bieten können, und wo bleibt da die Mitwirkung einer Gasexplosion? Die Bildung eines Gemenges von Hochofengas und Luft vollzieht sich auf dem Wege der freien Diffusion. Für die Diffusion ist eine Zeitdauer er forderlich. welche mit dem specifischen Gewichte des in die Luft diffundirenden Gases wächst und welche durch Beimengungen von Gasen höheren specifischen Gewichts vergröfsert wird. Das Gas der Friedenshütte ist in der dortigen sehr langen Leitung jedenfalls sehr abgekühlt worden und mit möglichst grofser Dichte unter die Kessel gelangt. Die im Mittel etwa aus 60 Gewichts-% Stick stoff, 9 Gewichts-% Kohlensäure, 8 Gewichts-% Wasser dampf und 23 Gewichts-% Kohlenoxyd bestehenden Gase der mittleren oberschlesischen Hochöfen mit reinem Koksbetrieb haben bei der niedrigen Tempera tur, mit welcher die Gase in Friedenshütte unter die Kessel gelangen, ein Gewicht von kaum weniger als 1,2 kg pro cbm und waren in Friedenshütte demnach wenig leichter wie die atmosphärische Luft. Die Dif fusion des allein zur Explosion fähigen Bestandtheils, des Kohlenoxyds, welches für sich allein 3,7 mal langsamer unter gleichen Umständen in Luft diffun- dirt als Wasserstoff, und 1,33 mal langsamer als leichter Kohlenwasserstoff (Grubengas), wird durch die beigemengte Kohlensäure verlangsamt. Es ist so mit für die Bildung der explosiblen Gemenge beim Hochofengas die Bedingung so schwierig wie nur möglich und viel schwieriger als z. B. beim Leucht gase. Das aufserordentlich schlechte Brennen der Hochofengase, welches den Hochöfnern oftmals Un bequemlichkeiten bereitet, ist meistens eine Wirkung erschwerter Diffusion. Ich führe dies an, um darzu- thun, dafs die Bildung explosibler Mischungen aus Luft und Gas in einigermafsen wirksamer Menge sich nicht mit der blitzartigen Geschwindigkeit vollzieht, welche die Erklärung des Hergangs in dem Berichte voraussetzt und dafs dazu Zeit gehört, ein Factor, dessen Berücksichtigung ich in dem Berichte an allen betreffenden Stellen vermisse. Nach diesem ist es unmöglich, dafs sich der Vor gang innerhalb des durch die Zeugen bekundeten Zeitraums in der im Berichte geschilderten Weise ab gespielt hat. Er würde in der Reihenfolge der Rund- nahtbrüche, des Auslaufens der Kessel, der Bildung des explosiblen Gemisches und der Explosion eine Zeitdauer beansprucht haben, welche die Zeugen ihm nicht gewähren und an welcher mich am meisten in Verwunderung setzen würde, dafs nicht der eine oder andere der im Kesselhause beschäftigten Arbeiter sie zu seiner Rettung und Flucht benutzt hätte. Die drei . an den Kesseln beschäftigten Leute sind sämmtlich innerhalb des Kesselhauses erschlagen, ein Beweis, dafs die Katastrophe mit Einschlufs des Reifsens des zweiten Kessels, der den Anfang gemacht, so plötzlich hereingebrochen ist, dafs nicht einmal der laut Bericht an der Thür des Kesselhauses aufgefundene Arbeiter ins Freie sich zu retten versuchen konnte. Es ist wohl nicht wahrscheinlich — und die von den Zeugen beobachteten drei Detonationen sprechen