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Zuschriften an die Redaction. Stahl und Eisen. 21 solchen Studien in einer ungleich ungünstigeren Lage sich befindet, da er seine Versuchsstücke aus der grofsen Masse herausgreift, also vom Zufall abhängig ist (Tabelle I auf Seite 5), was beim Hüttentechniker, der seine Proben mit Vorbedacht wählen kann, eben nicht der Fall ist. Auch ist zu berücksichtigen, dafs die praktische Erprobung des Schienenmaterials zumeist eine lange Reihe von Jahren erfordert, so dafs nur wenige Eisenbahn techniker in die Lage kommen zu sehen, wie sich ihre bezüglichen Ideen bewähren. Was die Bemerkung betrifft, dafs ich bei dem Facit der Untersuchungen zu geringen Werth dem Einflusse der Behandlung der Blöcke und der mechanischen Bearbeitung beigemessen, so ver weise ich auf Seite 35 meiner Broschüre, wo zu lesen ist, dafs ich die Behandlung der Blöcke nicht in den Rahmen meines Vortrages einbezogen habe, weil die eventuell daraus entstehenden Un- gleichmäfsigkeiten des Materials keiner Gesetz- mäfsigkeit unterliegen, während ich auf Seite 33 im Gegensätze zu Sauveur den Einflufs der mecha nischen Bearbeitung auf die physikalischen Eigen schaften des Materials zugebe, jedoch die Ansicht zum Ausdruck bringe, dafs diesem Einflüsse all gemein ein zu grefser Werth beigemessen wird. Nachdem ich als Uebernahmsingenieur der Nordbahn sehr häufig österreichische Hüttenwerke besuche, so ist mir die Thatsache, dafs Aetzproben in den Hüttenwerken als Hülfsmittel zur Er kennung der Ungleichmäfsigkeiten des Materials dienen, viel geläufiger, als der Verfasser anzu nehmen scheint. Auch ist die Aetzprobe schon viel zu lange bekannt und dabei ein so vortreff liches und einfaches Mittel, dafs garnicht ange nommen werden kann, dieselbe könnte in den Hüttenwerken nicht fleifsig geübt werden, wenn gleich die Erklärungen für die zu beobachtenden Erscheinungen oft sehr divergirend sind. Wenn ich jedoch auf Seite 12 meiner Broschüre den Wunsch äufserte, dafs die Aetzprobe mehr Be achtung finden sollte, wenngleich es nicht in der Weise zu erfolgen hätte, wie es in den Bedingungen einer deutschen Bahn und zwar schon im Jahre 1882 geschehen ist, in welchen es heifst: „die ge beizten Flächen dürfen weder ungleich harte und weiche Stellen oder Adern, noch kleine Löcher im Material und namentlich nicht an den Rändern des Profils erkennen lassen“, so ist aus diesen Zeilen unzweifelhaft zu erkennen, dafs mein oben geäufserter Wunsch sieh nur auf die Anwendung der Aetzprobe bei Uebernahmen bezogen haben konnte, und ebenso, dafs die früher genannte „Idealfabrication" mir vollständig fern gelegen war. Zum Schlüsse mufs ich noch bemerken, dafs der Sache mehr gedient gewesen wäre, wenn der Verfasser die Resultate, die anderwärts erhalten wurden, und welche grundverschieden von jenen sein sollen, welche ich veröffentlicht habe, diesen Resultaten gegenübergestellt hätte. Ein solcher Vorgang ist bei technischen Fragen gebräuchlich und wäre bei der Wichtigkeit des Gegenstandes auch zu erwarten gewesen. Es ist nicht anzu nehmen, dafs die Erscheinungen beim Erstarren der Blöcke und der Einflufs der darauf folgenden Verarbeitung derselben anderwärts wesentlich ver schieden sind von jenen, welche bei dem von mir vorgeführten Versuchsmateriale beobachtet wurden, und es ist daher auch nicht anzunehmen, dafs die Materialungleichmäfsigkeiten anderwärts wesentlich verschieden sind von jenen, welche bei den Ver suchsschienen der Nordbahn beobachtet wurden. Sind nun die hier beobachteten Erscheinungen und die hierfür gegebenen Erklärungen zutreffend, dann müssen dieselben im grofsen und ganzen auch auf andere Stahlschienen anwendbar sein. Da nun ferner viele im Betriebe beobachtete Anbrüche bei Stahlschienen Begrenzungen er kennen lassen, welche einen unverkennbaren Zu sammenhang mit der Erstarrungslinie und dem Kernstahl zeigen, so ist der Schlufs, dafs diese von Einflufs auf die Haltbarkeit der Schiene sind, jedenfalls gerechtfertigt. Sollte jedoch von anderer Seite eine entsprechendere Erklärung gegeben werden, so soll es mich sehr freuen, durch Ver öffentlichung eines negativen Resultates die An regung zu einem weiteren Schritt in der Erkennt- nifs der Materialeigenschaften gegeben zu haben. Solange dieses jedoch nicht geschehen ist, mufs Einsprache erhoben werden gegen Bemerkungen, welche durch Versuche nicht erhärtet sind, der Sache nicht dienen und, wenn auch unbeabsichtigt, nur dazu geeignet sein können, die seriösen Studien der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn in einem zweifel haften Lichte erscheinen zu lassen. Genehmigen Sie den Ausdruck meiner vor züglichsten Hochachtung! Ingenieur Anton v. Dormus. * * * Getreu dem Grundsätze „audiatur et altera pars“, bringen wir vorstehende Zuschrift des ge schätzten Verfassers der Schrift: „Ueber die Un- gleichmäfsigkeits-Erscheinungender Stahlschienen“ zum Abdruck. Indem wir die kritischen Bemer kungen, welche über letztere in dem in Nr. 22 dieser Zeitschrift veröffentlichten Auszug enthalten sind, zu den unsrigen machen, begnügen wir uns, auf die vorstehenden Einwendungen das Folgende zu berichtigen: 1. Es ist in unserm Artikel in Nr. 22 nirgendwo, auch nicht andeutungsweise, behauptet, dafs das Dormus sehe Versuchsmaterial „ganz speciell für diese Studien“ hergestellt sei; es ist nur fest gestellt, dafs „das Probematerial unter ganz be sonderen abnormen Verhältnissen hergestellt war“. An dieser Ansicht halten wir auch heute fest. Unter Hunderten von durchbrochenen Schienen blöcken haben wir nicht einen einzigen Fall ge funden, in welchem der Bruch dem von Dormus