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Die einzigen Augenzeugen der Erschiessung berichten Schlageters T<ampf und Tod n. Die Erschießung Schlageters von Gefängnis-Pfarrer Lahbender Sofort noch der Einlieferung Schlageters in dos Gefängnis Düsseldorf versuchten der Gefnngniskoglon Noggeudorff und ich, ihn in der Zelle oufzusuchcn, uin ihm, wie es auch bei den anderen politischen Gefangenen ge schah, seelsorglich beizustehen. Der Leiter der französischen Mteilung Caron, lies; uns jedoch nicht zu, weil der „Saboteur Schlageter" mit seinen (genossen Sadowski, Werner und Becker nts „secrct" zu behandeln sei. Bitten und Borstellungen waren vergebens. So kam es, das; wir Schlageter vor der Berurteilung nicht kennen lernten. Am Pfingstmontag machten der Kaplan und ich den letzten Bersuch, zu Schlageter zugclasseu zu werden. Wir gingen zu dem Divisionspfarrer Bouve, der für unsere Bitte anscheinend grosses Berständnis hatte. Er hatte anch sonst immer gern geholfen, ivenn es in seiner Macht lag. In seiner temperamentvollen Art antwortete er uns: „Morgen spreclh! ich mit dem General, und sofort erhalten Sie tele phonisch die Erlaubnis die Erlaubnis!" Bei dieser Ge legenheit fragten wir, ob nicht ein Gnadengesuch an den Armeebischof zweckmässig sei. „Non, non" wehrte er ab. Er tat dies in einer Form, das; wir nachher auf der Strosse wie aus einem Munde sagten: „Schlageter ist verloren!" — Unsere Sorge wuchs von Tag zu Tag. Trotz der gegen teiligen Ansicht Bouves machten wir doch das Gnaden gesuch an den Armeebischof, wenn auch mit wenig Hoff nung. Freitag, den 25. Mai, fragte ich nochmals die fran zösische Wache im Gefängnis, ob für mich keine Besuchs erlaubnis angekomen sei. Immer wieder hiess es: „Nein". Trotz der Aeusserungen des Divisionspsarrers Bouve hofften wir immer noch für Schlageter. Doch zu bald sollten all unsere Hoffnungen vernichtet werden. In der Stacht vom Freitag auf Samstag (25. bis 20. Mai 1923) wurde ich gegen 12.30 Uhr durch stürmisches Klopsen an meiner Wohnung von dem Leiter der franzö sischen Gefängnisabteilung, Caron, geweckt. Er erklärte mir durch den Dolmetscher,dass Schlageter um -1 Uhr er schossen würde. Ich könne aber erst um 2.30 Uhr zu ihm gelassen werden. Wie ein Miss traf mich diese Meldung. Also doch! In nicht misszuvcrslchendcn Worten drückte ich dem Gesängnisleiter meine Entrüstung über die bevor stehende Exekution sowie auch darüber aus, das; man aus gerechnet in der letzten Nacht mir gnädigst die Erlaubnis gäbe, dem Verurteilten als Priester zur Seite zu stehen. So und so oft hätte ich mich bemüht, erst jesst gebe man meinen Bitten nach. Es gab eine erregte Szene, beson ders auch deshalb, weil Caron mich nicht sofort zulassen wollte. Ich erklärte noch, dass man bei deutschen Rich tern mehr Berständnis für die Not eines wehrlosen Men sche» zeigen würde, der doch sicherlich das Verlangen hätte, so zu sterben, wie sein Glaube und sein Gewissen es forderten. Doch Protest und energische Forderungen hal sen nichts. Ich musste mich fügen und mich bereit leiten für 2,30 Uhr. Heute wundere ich mich nicht, das; der Protest ver geblich war. Denn heute weis; ich, dass Caron Freimaurer ist. der einige Zeit nach der Erschiessung Schlageters zwei mal offen erklärte: „Ich gehöre der Loge an, ivenn es nach mir ginge, käme überhaupt kein Geistlicher zu den Ge fangenen." Wahrscheinlich hat er sich aber doch gescheut, Schlageter ganz ohne geistlichen Beistand zu lassen, weil er sicherlich den schlechten Eindruck fürchtete, den diese Tat sache allgemein gemacht haben würde. Er zögerte aber mit der Zulassung des Psarrers bis zur letzten NH nute. Ob er die Hauptschuld hierbei hat, kann natürlich nicht fest gestellt werden. Es ist nicht ausgeschlossen, das; auch der Gendarmerieleutnant Lortet seine Hand im Spiele hatte. Denn anch er galt unter denen, die ihn näher kannten, als Freimaurer. Gegen 2 Uhr holte ich Kaplan Nozzendorsf. Es war Im Gerichtssaal in Düsseldorf, wo Schlageter vor 1» Jahren zum Tode verurteilt wurde, wurde zum Jahrestag des Urleilsspruchs, am 12. Mai. ein Larbeerlrranz a» der Stelle der Anlilagcbanl angebracht. eine sehr dunkle Nacht. Die Strassen waren wegen des Streiks auf dem Gaswerk nicht erleuchtet. Das machten sich manche Elemente zunutze, die sich gröhlend umher trieben. Der Kaplan war bald geweckt und wir begaben uns sofort zur Strafanstalt. Wohl selten war es uns schwerer ums Herz! Ist schon der letzte Gang mit einem Mörder nicht leicht, wieviel schwerer musste uns der Gedan ke an den Weg niederdrücken, der uns nun bevorstand! Wir als Deutsche sollen einem deutschen Mann beistehen, der sich aus edelsten Beweggründen für die Sache des Vater landes cingesesst hat und nun vor unseren Augen durch Feindeshand sein junges Leben lassen muss! Wir waren punkt 2.30 Uhr im Gefängnis: wollten wir doch keine Minute versäumen von der kurzen Zeit, die man uns liess. Vald nach unserer Ankunft erschien in Vertretung des eigentlichen Verteidigers Dr. Marx Rechts anwalt Dr. Sengstock, den man ebenfalls in der Nacht ahnungslos herbeigeholt hatte. Es war uns sehr ange nehm, das; uns ein Mann wie Sengstock, als furchtloser 'Verteidiger der politischen Gefangenen bekannt, bei den Schwierigkeiten, die noch zu erwarten waren, zur Seite stund. Sofort baten wir. weil Caron uns für 2.30 Uhr den Zutritt versprochen Halle, um Zulassung ;u Schwgeter. Doch wir hatten wieder mal ein Versprechen bekommen, das nickt gehalten wurde. Es ging uns wie so ost. Wie ost hallen wir früher schon die schönen Worte gehört: .Morgen haben Sie die Erlaubnis". Wie ost »raren diese Worte von noch schöneren 'Verbeugungen begleitet, und ebenso oit wurde das Versvrechen nicht gehalten. So auch jetzt wieder. Man sagte: ..'Nein". Wir wurden energischer, boten nickt w ar. sondern forderten unser Rech' mit Be rufung aus Amt nnd Verantwortung. Doch alles war umsonst. Man blieb bei dem „Nein". Jeder ankommende Singer und Gendarm es waren ihrer schliesslich sechs oder sieben — wurde von uns nm Zutritt^erlaubnis angegangen. Der eine oder andere Offizier besonders habe ich einen jungen Offizier mit südländischem Tup in bester Erinnerung — schien zwar unsere Vite zu verstehen, alle erklärten aber, das; vor der Mitteilung durch den Staatsanwalt niemand zugelassen werden dürfe. Das allerwenigste Verständnis sanden wir natürlich bei Lortet. in denen Hand die Vorbereitungen zur Exe kution lagen. Dieser erklärte mit dem grössten Znnis- mus, das; er — er war Kolonialossizier — schon 300 Erschiessungen milgcmnchl habe und einer solchen rul'ig beiwohnen könne mit der Zigarslte im Mund. Aus seine Frage, wieviel Zeil ich für die Vorbereitung des Verurteilten wünsche, erklärte ick: Stunde, da cs üblich sei, dem Abgeurteilten Gelegenheit zu einer Lebens beichte zu gelx'n; ferner müsse eine heilige Bleue gelesen werden, in der die heilige Kommunion empsangen würde. Höhnisch auflachend erklärte Lorlel, dass soviel Ze l nicht Gc>!d Von F. Schrönghamcr-Hcimdal. Der Michelbaucr rüstet zu einer Akrllsahrt. Die Zeiten sind so miserabel wie noch nie. Seit Monaten ist kein Kreuzer Geld mehr im Hause, das Vieh hat keinen Preis und das Holz kann einer nicht einmal um den Arbeits lohn verkaufen. Wie ein Waldbauer da noch Hausen soll, weiss der Gugetzer. Der Michelbauer rveiss es nicht, noch weniger der Steuerbote, der alle Daumenlang dahcrstiirmt und an die Stalltüre seine grauslichen Psandmarken klebt, dass die Kühe von der Milch kommen möchten, wenn sie eine blasse Ahnung hätten von der Schande, die dem ehrsamen Michclbauernhause mit solchem Gehaben angetan wird. In solcher Notzeit und Drangsal kann nur noch der Him mel helfen, sagt sich der Michelbaucr mit Recht und rüstet zu der Wallfahrt weit ins Vöhmerland hinein, zu unserer Lieben Frau auf den heiligen Berg. Weil er aber keinen Kreuzer Geld hat zur Zehrung auf dem weiten Weg, stopft er sich den Rucksack voll Vrot nnd Rauchfleisch und Zissa, die Geiss, zieht er am Stricke mit. Die muss ihm Milch liefern auf der Akgfahrt. Mit einem Mordoseufzer drückt er sich an der Stalltüre mit den grauslichen Pfandmarken vorbei und gewinnt den Hohlweg hinter dem Hause. Da atmet er schon freier wie einer, der einem schier unabwendbaren Schicksal entronnen, und wie Zitza, die Ziege, in munteren Sprüngen tollt und meckert, wird ihm fast wohl zumute. Im Hellen Licht der Sonne, im Lcbcnshauch der Freiheit in der Gottnatur schaut sich ja manches anders an als beim trüben Brüte» in der dumpfen StuLe. Köstlich Ist der Wallsahrtsweg durch die weltelnsame» Wälder hinter dem heimatlichen Mrlddorf. Da hörst du nichts von Not und Elend, von Politik und Parteien, von Psand marken und Notverordnungen. So still nnd sriedsam ist's da wie am ersten Schöpsungstag und der Höhenrauch über den Wipfeln schwingt feierlich wie der Mantelsaum des Welten vaters. Und er sah, dass es gut war. Ja, sagt sich der Michelbauer, grossartig gut ist die Welt, wie sie aus der Schöpserhand hervorgegangen, lind so wohl und heimelig ist ihm ums Herz, wie schon lange nicht mehr — wie im Traum. Zissa, die Ziege, ist ein Ausbund von Brav heit. Sie gibt ihre 'Milch so willig wie der Röhrenbrunnen da heim das lautere Bcrgwasser, und das derbkräslige Bauernbrot mundet ihm besser als dem Kaiser der knusperige Kapaun. Wie der Michelbauer wieder einmal solche Wegrast hält, schiebt sich aus dem Dickicht ein herrenmässiges Mannsbild mit einem wuchtenden Rucksack aus dem Buckel und einer mächtigen Mappe nnterm Arm. „Brot", sagt das Mannsbild geheimnisvoll und seine Augen stieren lüstern nach den Köstlichkeiten, die der Michel bauer zum Mahle ins Waldmoos gebreitet hat. „Brot", sagt das Mannsbild wieder — wie im Traume. „Selig, o selig, wer noch Brot hat! Und eine Schale Frisch milch, köstliche Ziegenmilch." ,,No ja", erwidert der Michelbauer auch wie im Traum, „Brot nnd Milch, das ist wohl das wenigste, was einer in diesen lausigen Zeiten haben kann. Gold nnd Geld ist eh längst beim Tcixel. Aber leider, lieber Mann, kann ich dir von meiner Zehrung nichts teilen. Ich muss mit meiner Sach Hausen wie ein Hastclmacher, denn sic muss langen bis auf den heiligen Berg hinein — hin und zurück auch." „Den Weg, guter Mann, kannst du dir sparen. Den» wisse, die Welt ist untergcgangen. Dn wallfahrst umsonst." „Die Well? Untergegangcn"? sährt der Mickelbauer ans. „Durch wen? Wie und was — möcht ich wissen. Durch unscrn Herrgott gewiss nicht." „Nein, nein", traumdeutet der Fremde, „durch den nicht. Der will so was nicht. Al>er durch seinen Widerpart, durch den Antichrist, durch den Kapitalismus." „So, durch den?" sioltert der Michelbauer toderfchrocken, ! „Also ist's rvahr geworden, was die Acten schon immer prophe zeit haben, dass der Antichrist, der Kapitalismus, die Welt noch ganz zugrunde richten wird. So, nnd jetzt haben wir die Be scherung. Das ist sauber, muss ich sagen. Den Kapitalismus, wenn ich da hält, dem schlaget ich das Kreuz ab mit meinem Schncuztüchel, so wahr ich der Mick-elbauer bin." „Ein Stückchen Brot?" bettelt der Fremde zudringlich. „Nur ein Stückchen, bitte, so gross wie mein Daumen. Schau, ich biete dir das dafür . . ." Der Fremde lüstet seinen Rucksack und lässt dem Michel bauern einen Blick in die gleissende Tiefe tun. Da schimmert I es von Perlen und Edelsteinen, von Goldbarren und Gold stücken, dass dem Wallfahrer die Augen übergehen. Und aus der Aktenmappe breitet er Psandbricse und Schuldverichreibun- gen vor den Michel kauern, der nicht weiss, wie ihm geschieht. „Dies alles will ich dir geben siir ein Stückchen Brot. Seit Wochen irre ich schon in diesen wilden Wäldern umher, nm meinen Reichtum, meinen Goldschatz in diesen unsicheren Zeiten zu retten. Ich umr Generaldirektor einer Grossbank und j zwanzigfachcr Aufsichtsrat bei Syndikaten und Kartellen nnd habe diese Schütze ehrlich verdient." „Ehrlich verdient?" tobt der Michelbaner. ..Wie kann ein Mensch in ein paar Jahren solch unermessliche Schätze ehrlich verdienen? Das machst du einem andern weis, aber nicht mir, dem Michelbaucrn. Ich sag dir eins: Kein Menjch auf Gottes Erden kann ehrlich mehr verdienen, als das tägliche Brot. Und das sollten alle haben. Ihr aber, ihr Kapitalisten, ihr Banditen des Antichrist, raubt mit euren Listen und Tücken den Schassenden auch noch das wenige, was sie bedürfen, das tägliche Brot. Ihr habt die Welt zugrunde gerichtet. Friss jetzt deine Goldbarren und deine Psandbricse, ob sie vor Hunger gehen! Mich aber lass ungeschoren mit meinem Brot, jonst erschlag ich dich mit meinem Cchneuztüchel." Poll heiligen Ingrimms holt der Michclbauer wirklich zum Lchlage aus, aber er trifft nicht den Banditen des Anlt-