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1861. 104 Heft 3. Photometrie. Für Lichtmessungszwecke ist unser Bunsen'sches Photome ter allgemein eingeführt und regierungsseitlich anerkannt. Als Einheit für die Lichtmefsungen dienen in England die Spermazeti- Kerzen von 14V—12V Gr. stündl. Consum, in letzterm Falle unge fähr mit unfern Wachskerzen. 6 aufs Pfund, gleichstehend. *) Die Prüfung wird bei dem normalen Londoner sg. 12-Candle-Gas gegen 5 Kfuß Argand-Brsnner vorgenommen. Der durch Parlamentsacte angenommene Standard-Argand-Burner hat 15 Löcher bei Zoll Durchmesser zwischen den Löchern und 7 Zoll hohem Glas. —Ver hältnisse, die übrigens keinesfalls als überhaupt zweckmäßige em pfohlen werden sollen, indem die Argands mit doppelter Zahl fei nerer Löcher weit bessern Effect geben. Berücksichtigt man, daß dieser Argand immer doch 20—25 Procent Licht mehr gibt, als der Schnittbrenner, der bei uns den photometrischen Messungen häufig zu Grunde gelegt wird, so stellt sich eine ungefähre Über einstimmung zwischen der Lichtstärke des normalen Londoner und des von unseren Anstalten gelieferten Gases heraus, wenn 5 Ku bikfuß beim Londoner Gas und Argand-Brenner 12—IS Sperma- zeti-Kerzen, bei unserem Gas und unter Anwendung des Schnitt brenners oder Schotten 11—12 Wachskerzen geben.*') Wo das Gas aus Cannel-Kohlen bereitet wird, dient statt des Argand der Schnittbrenner als Standard-Burner, so z. B. in Liverpool, wo 5 Kubikfuß 23 Spermazetikerzen geben. Die Lon don Chartered Gas-Company sabrizirt zwei Gassorten, ein ge wöhnliches 12 Candle-Gas und ein anderes aus Boghead mit Durham-Kohle gemischt von 26 Lichtstärken, jenes mit dem Argand, dieses mit dem Schnittbrenner verbrannt. Ersteres kostet 4 Vs, letz teres 6 Sh. Per 1000 Kubikfuß. Die Lichtstärken verhalten sich also wie 100 : 217, die Preise dagegen nur wie 100 : 144; man kann also für denselben Preis etwa die Hälfte Licht mehr haben, wenn man das schwerere Gas nimmt, und dennoch zieht das Pu blicum, dem doch durch die neben einander liegenden Röhren beide Gasarten zur Disposition stehen, das absolut billigere dem ver- hältnißmäßig billigern Gas weit vor und zwar nicht, weil die Eng länder schlecht, sondern weil sie in der That gut zu rechnen verstehen, da der Gebrauch sehr reicher Gase weit mehr die Angewöhnung des Auges an überflüssige und übertriebene Helligkeit als eine dem Mehr preis entsprechende Ersparniß in der Konsumtion zur praktischen Folge zu haben pflegt. Dtr bekannte Ingenieur Georg Lowe photometrirt in der Regel, wo es sich nur um die für die Praxis, nicht für wissenschaft liche Arbeiten erforderliche Genauigkeit handelt, mit einem Einloch- Brenner (am besten von Porcellan), indem er die Höhe der demsel ben unter bestimmtem, stets gleichmäßigen Druck entströmenden Flamme mißt. Auch Herr von Unruh hatte diese Methode vor Jahren bereits in Magdeburg für die annähernde Bestimmung des specifischen Gewichtes angewandt. Nachdem zuerst auf rein empi rischem Wege bei ein für alle Mal bestimmtem Druck (Lowe nimmt 6 Linien) das Verhältniß dieser Flammenhöhe zu der normalmä ßigen Leuchtkraft festgestellt ist, nachdem ferner auf gleichem Wege der Einfluß leichtern oder schwerer« Gases, also der um so und so viel Kerzen größern oder geringem Leuchtkraft auf Verkürzung oder Verlängerung dieser Flamme mit dem Maßstab beobachtet worden ist, kann man in der That — vollkommen gleichen Druck und gleiche Brenner-Oeffnung vorausgesetzt — mit dieser einfachen Vorrichtung innerhalb der für die Praxis erforderlichen Grenzen recht genau Photometriren. Selbstverständlich bleiben diese Ver- hältnißzahlen der Flammenhöhe nur so lange von Bedeutung, als die Anstalt unter gleichen Verhältnissen, namentlich mit gleichen Kohlensorten, arbeitet. Auch auf das verschiedene specifische Ge wicht läßt sich hieraus schließen, wenn man gleichen Gehalt an ') Bei tiefer Annahme, von ter die Ansichten vieler Ingenieure übrigens! abweichen, spielt natürlich die Flammenhöbc, auf ter die Kerze währent ter Messung erhalten wirt, eine bcteutentc Rolle. Die Normalflammenhöhe unserer teutschen Wachskerzen ist beschränkt man tie englische Kerze auf tiefe Höbe, was bei >20 Grains Consum ungefäkr zutrifft, so ist auch ihr Lichtcffcct nahezu ter gleiche. ) Bei Vergleichung der Lichtstärken, tie aus teusclbcn Kohlen sorten in ssngland und Deutschland gewonnen werken, tritt übrigens ter schon früher erwähnte Unterschieb zwischen Anwendung frischer und abgelagerter Kohle deutlich hervor Kohlensäure voraussetzen darf. Diese äußerst einfache Art der Lichtmeffung hat den Vortheil, daß man ohne Mühe jeden Augen blick die Lichtstärke beobachten kann, indem man im Bureau eine derartige Flamme fortwährend brennen läßt; sie ist ferner ganz praktisch für Beobachtung der von bestimmten Kohlensorten in den verschiedenen Stadien der Destillation entwickelten Leucht kraft des Gases. Ein sehr genauer Druckregulator (sxpsi imonts.1- xavernor) und ein vervielfältigendes Manometer sind dabei aller dings nothwendig.*) Bei diesem Abschnitt von der Lichtmessung sei schließlich noch bemerkt, daß die schon seit vielen Jahren von Zeit zu Zeit auftau chenden Vorrichtungen zur Carbonisirung, d. h. Verbesserung der Leuchtkraft des Gases durch die Dämpfe reicher Kohlenwasser stoff-Verbindungen (Benzin, Naphta u. dergl.) noch zu keiner nen- nenswerthen Verbreitung unter den Gas - Konsumenten gelangt sind, trotz der glänzenden Resultate, die sich anfänglich herauszu stellen pflegen. Schwierigkeit in Beschaffung vollkommen geeigneter Ingredienzien, Ungleichmäßigkeit der Wirkung aus die Leuchtkraft und andre empirische Hindernisse sind bis jetzt hemmend entgegen getreten. Es bleibt abzuwarten, welches die praktischen Erfolge der neuerdings auch in Deutschland begonnenen Einführung dieser Neuerung sein werden. Nebenprod ucte. Die Benutzung der Nebenprodukte anbelangend, so wird der Theer in der Regel von den Anstalten verkauft,") seltener weiter verarbeitet oder verfeuert. Der aus Cannel-Kohle gewonnene Theer wird wohl auch behufs Gewinnung der Oele destillirt. Das Ammoniakwasser wird auf den meisten Anstalten nach dem speci fischen Gewicht verkauft; seltener sieht man eigene Anlagen für des sen Weiterverarbeitung. Bei unfern deutschen Verhältnissen sind leider zur Zeit noch die wenigsten Anstalten im Stande, aus diesem Producte Vortheile zu ziehen; für die kleinen Anstalten insbesondere ist es, bei den gesunkenen Preisen dieser Chemikalien, vielfach durch aus unökonomisch, eigene Anlagen für die Weiterverarbeitung des selben zu machen, wie uns eigene und die Erfahrungen anderer Anstalten entschieden gezeigt haben. Der Preis des schwefelsauren Ammoniaks ist in England etwa derselbe als bei uns, nämlich 4V^ Thlr. pro Centner. Naphthalin. Schließlich muß ich eines sehr unerfreulichen Nebenprodukts, des Naphthalins, Erwähnung thun. Die Klagen über die Ver stopfungen mit dieser Masse waren ganz allgemein; in London insbesondere ist das Naphthalin selbst in die Privatwohnungen ge drungen, so daß oft in einem Tage Hunderte von Beschwerden des halb einlaufen. Bei unfern Anstalten find dieselben nur einigemal in größerm Maßstab vorgekommen, namentlich im August und Sep tember 1858 und 1859 in Frankfurt a./O.,*") während sie auf an dern Anstalten, bei vollkommen gleichen Constructions- und Be triebs-Verhältnissen, sich entweder gar nicht oder höchst unbedeutend gezeigt haben, überdies in Frankfurt jedesmal nach kurzer Dauer wieder eben so geheimnißvoll und ohne Auffindung der Ursache verschwunden sind, als sie kamen. Die Mittheilungen der großen Zahl von deutschen, belgischen, französischen und englischen Inge nieuren, die ich über diesen Gegenstand gesprochen, gehen im Gro ßen und Ganzen dahin, daß sie ihre Unkenntniß der Ursachen oder *) Bezüglich des neuen Erdmannschen Kasprufungsapparats möge hier die Bemerkung Platz sinken, kasi rcnclbc jedenfalls kie Aufmerk samkeit der Fachgenossen verdient und zu Vm neben auffordcrt. Ich bin indcß der Meinung, daß Herr Professor (rrdmanu dem Apparat (die durch Cmpirie und Wissenschaft zn beitätigende Richtig keit des Gr u n dpri n ei ps vvrausgcjctzt) erst dann eine allgemei nere Bedeutung geben wird, wenn dadurch lowobl das verbrauchte Gas als die zur Vernichtung seiner Leuchtkraft erforderlichen Luftmengcn kubisch genau bestimmt werden können unk die kicrturch gewonnenen Verbältniß-Zaklen au die Stelle der jetzigen willkürlichen Gradcintbei- lung treten. ") Neuerdings wird er in immer größerem Maßstabe zur Anilin- Bereitung verwandt. Neuerdings (October 1860) ist »och eine solche Verstopfung in Crfurt vorgckommcn. Wirkliche Betriebsstörungen sind indcß niemals auf unfern Anstalten dadurch vcrurfacht worden.