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An den ewigen Brand im Erdinnern aber erinnern nur die an den äußern Ecken der Glashäuser hie und da aus der Erde hervor guckenden ofenrohrähnlichen Thonröhren, denen ein heißer Brodem mit Steinkohlengeruch entquillt. Das im Schweizergeschmack er baute zierliche Wohnhaus des Besitzers, welches von dem Hochlie genden Ende des Gartenterrains herab die gläserne Kolonie be herrscht, ist noch der angenehmste Ruhepunkt für das Auge. brannte Land zum gedeihlichen Boden herrlicher, ja selbst unserm Klima versagter Pflanzen und Früchte umgewandelt werden sollte. Dem vr. E. A. Geitner in Schneeberg, dem rühmlich bekann ten Erfinder des Argentans, gestorben im Jahre 1852, verdanken wir diese überraschende Metamorphose. Als Besitzer eines nahe gelegenen Vitriol- und Alaunwerks und als Begründer und Vor stand eines Gartenbauvereins zu Auerhammer bei Schneeberg Doch Geduld, das Gefühl der Befremdung über das Ver mißte wird bald vor dem der Befreundung mit dem Vorhandenen in den Hintergrund treten. Nur Eins vergesse man nicht, sich vor Allem über die von der Natur vorgezeichneten Bedingungen näher zu unterrichten, welche der Anlage ihre Entstehung gegeben, aber auch ihr Ziel gesteckt, ihren intensiven und räumlichen Umfang begrenzt haben. Man wird sich dann schnell überzeugen, wie hier weder ein Park, noch ein Luxus- oder botanischer Garten aus fest im Boden wurzelnden Vegetabilien, wie vielmehr nur eine Treib- und Handelsgartenanlage — und anders hat das Etablissement sich nie angekündigt — geschaffen werden konnte, wie hier aber das auf diesem engern Gebiet Erreichbare in Bezug sowohl auf Horticultur als auf Wissenschaft in gleich bewundernswerthem Umfange geleistet wird. Wo heutzutage die Geitner'sche Gartenkolonie sich befindet, war vor 20 Jahren der unfruchtbarste Lehdeboden und die unmit telbare Umgebung derselben ist es noch jetzt. Zwar hatte ihm die Natur ihr grünes Gewand nicht ganz versagt, allein nicht im Frühling und Sommer, wo ringsumher Alles in üppigster Vege tation prangt, im Spätherbst und Winter vielmehr legte er es an, und wunderbar stach dann seine grüne Rasendecke von den nach barlichen Schneeseldern ab. Ursache dieser seltsamen Naturersckei- nung ist die Erhitzung der Erdoberfläche durch aus der Tiefe em porsteigende Dämpfe, und diese wiederum sind die unmittelbare Folge der sogenannten Erdbrände. Vor undenklichen, mindestens bis in das 15. Jahrhundert hinaufreichenden Zeiten nämlich ist auf einer Strecke zwischen Cains dorf und Oberplanitz in dem hier 30 Fuß mächtigen sogenannten Rußkohlenflötz ein Brand entstanden, uud zwar nach abweichenden Traditionen dprch Ausbrennen eines Fuchses, oder Anzünden eines Ameisenhaufens an einer Stelle, wo die Kohlen zu Tage aus strichen, oder durch Blitzstrahl, am wahrscheinlichsten wohl durch Selbstentzündung, wie solche auch in England, Belgien, Schlesien u. s. w. ähnliche Brände erzeugt hat. Gegen Ende des 16. Jahr hunderts jedoch geschieht dieses Brandes keine Erwähnung, wohl aber wurde 1641 durch kaiserliche Soldaten, welche einen mit Habseligkeiten der Dorfbewohner gefüllten Schacht anzündeten, ein neuer Kohlenbrand herbeigeführt, welcher seitdem ununterbro chen wüthet, zuweilen sogar, wie z. B. erst noch 1849, zu Tage ausgeht, und allen, selbst auf chemischem Wege angestellten Lösch versuchen bisher beharrlich Trotz geboten hat. Die durch dieses unterirdische Feuer, welches jetzt bis zu 200 Fuß tief einen Raum von etwa 300 Lachter Länge und 60 Lachter Breite einnimmt, entwickelten Dämpfe dringen nun zu Tage auf, jedoch meistens nicht senkrecht, dann wenigstens nur schwach, sondern vielmehr seitwärts durch alte Baue, Risse und Klüftungen des Deckgebirges. Daher kommt es denn auch, daß, wie auf Grund genauester, durck A. von Humboldt veranlaßter Erdwärmemessungen zu Berichtigung einer ziemlich verbreiteten irrigen Ansicht hier versichert werden kann, die Erdoberfläche keineswegs überall, noch weniger überall gleichmäßig warm ist. Jede dieser Klüftungen, die oft 20—40 Ellen auseinander liegen, theilt nämlich, wenn sie selbst an der Mündung des Rauchlochs -j- 60 bis 70" R. zeigt, dem sie um gebenden Boden höchstens bis auf 2 Ellen, bei einer Temperatur von -j- 30" R. höchstens auf etwa 1 Elle im Umkreis einen glei chen Grad von Wärme mit, während das übrige Terrain, je nach der Jahreszeit und andern Einflüssen sich nur etwa bis zu 5 bis 10» R. zu erwärmen Pflegt. Soviel über jenen unterirdischen Vernichtungsproceß, dessen Wirkungen, ungezügelt und ungenützt durch Geist und Hand des Menschen, der Erddecke über ihm gerade in der Zeit üppigster Ent wicklung der sie umgebenden Pflanzenwelt Jahrhunderte hindurch das Gepräge verkümmerten Lebens aufgedrückt hatten, bis er plötzlich blühendem Leben dienstbar, und das durch ihn todtge- hierzu besonders angeregt, ließ er mit grundherrlicher Erlaubniß im Frühjahr 1837 zunächst nur einen sogenannten holländischen Kasten mit 6 Fenstern zur versuchsweisen Erziehung frühzeitiger Gemüse, durch den Erfolg belohnt aber in demselben Jahre noch mehre Treibbeete und ein Glashaus aufführen, denen in den fol genden Jahren mit Hilfe einer für diesen Zweck eigens gebildeten Aktiengesellschaft noch weitere Warm- und Kalthäuser, ingleichen die nöthigen Freibeete sich anschlossen. Die Erwärmung dieser Häuser bis zu beliebigen Temperaturgraden wird durch horizontale Kanäle von 2—3 Fuß Höhe und über 4 Fuß Weite bewirkt, welche aus den in die Erdklüftungen senkreckr eingelassenen Rauchfang röhren (Fümetten) mit heißen Wasserdämpfen gespeist, und zum Schutz der Pflanzen vorUeberhitzung mit drei Zoll dicken Stangen und gleichstarker Lehmschicht bedeckt werden, worauf dann erst bei Ananasbeeten die gute Gartenerde zu liegen kommt, während die übrigen Warmhauspflanzen aus besondern Stellagen stehen, unter denen ein hohler Raum mitLuftzügen die übermäßigeWärme anderweit vermindert. Seit 1846 ist das Etablissement in das Eigenlhum des für seine Vervollkommnung rastlos thätigen Soh nes des Begründers, Herrn Gustav Geitner, gelangt, und besitzt jetzt, neben 10 Gewächshäusern, mehren Bassins für Wasserpflan zen u. dgl., als seine größte Zierde seit 1855 ein an Größe und Zweckmäßigkeit auf dem Continenk wohl kaum übertroffenes Pal menhaus von 26 Fuß Höhe, 32 Fuß Tiefe und 44 Fuß Länge, dessen auf gußeisernen Säulen ruhendes Dach aus Doppelglas in eichenen Rahmen besteht, und welches, obwohl 14 Fuß tief als Souterrain gebaut, doch vermöge seiner sonstigen Constructionen von allen vier Seiten die vollste Lichtwirkung möglich macht, wo durch die Pflanzen vor dem Nacktheil des Schiefwachsens nach der Lichtseite bewahrt werden. Doch treten wir nach längerem Verweilen bei der Entstehung und äußern Beschreibung des Etablissements nun auch in das Innere seiner Räume. Welch ein Reichthum der Formen und Farben breitet sich hier in wechselvollster Gruppirung der Hunderte von Pflanzenfamilien vor dem staunenden Auge, namentlich des eingeweihteren Kenners, aus! Die Hauptgruppe eröffnet das Haus der Vermehrung (50 Fuß lang), auf dessen Beeten nebst Bassin Jahr aus Jahr ein Tausende von Pflanzen, einschließlich Palmen und Wasserpflanzen, gezogen werden. Ihm folgt das Orchideenhaus (46 Fuß lang), dessen Bewohner, in ihrer tropischen Heimath als Schmarotzer pflanzen um die höcksten Baumstämme fick schlingend, des Blätter- sckmuckcs fast gänzlich entbehren, dafür aber durch die Farben- und Formenpracht ihrer, bald in gigantiscker Größe emporsteigen den, bald in Hunderten von Trauben niederhangenden, hier dem brillantesten Schmetterling, dort dem beutebeladenen Adler glei chenden Blüthen wiederum zu wahren Mysterien der Pflanzenwelt erhoben werden. Darunter find viele mit bedeutendem Kosten aufwande (durch eigene Reisende des Herrn Geitner) aus Süd amerika direct eingeführt, und eignen sich auch vollkommen zur Zimmercultur. Neu, wie die Einführung vieler derselben, ist auch die hier zuerst mit glänzendem Erfolg unternommene Cultur auf erzgebirgischen Torfstücken und die ihrem originellen Charakter ent sprechende Gruppirung auf Baumstämmen. Ein großartiges Exemplar der hier reich vertretenen eigenthümlichen Familie der Schlauch- und Kannenpflanzen (Kcpontlrc8 äcotillatoria) durch rankt das ganze Haus und trägt Schläuche von fast Fußlänge. Ein Durchgang führt in den Glaspalast der Victoria re^ia. Im Hintergrund die durch Eleganz der Struktur, wie durch das Pracht- colorit der Blätter und Blüthen^überraschende Familie der 8cita- minesn, kleinster bis größter Form, links die wegen Reichthum der Blattformen und originelle Blüthenarchitektur allbeliebten Aroideen in 150 Species. In einem Bassin wuchert die Victoria mit ihrer neuesten Nebenbuhlerin aus Madagaskar, der Ouviranckra