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1861. 114 Heft 3. dessen sie sich dazu bedienten, war si'g. - Die Fabrikation einer fuselfreien Ware. Eine nicht weniger große Bedeutung, als für den auswärtigen Verkehr, hat die Fabrikation fuselsreier Brannt weine und Sprite für den innern Verkehr. Hier ist die Herstellung reiner fuselfreier Branntweine und Sprite nifse. Der Name „Fuselöl" ist für die in Rede stehenden Stoffe charakteristischer, als die wissenschaftliche Bezeichnung „Amyl alkohol oder Amyloxydhydrat". Die Bezeichnung Fuselöl kenn zeichnet diese Stoffe, nicht sowohl blos als von dem Alkohol ver schieden, sondern auch als von demselben durch widerliche Eigen schaften verschiedene Stoffe. Bisher bekam nun jeder Käufer deutscher Sprite und Branntweine in diesen außer Alkohol stets eine größere oder kleinere Menge dieser fremden widerlichen Stoffe mit in den Kauf. Diese Thatsache trägt die Schuld, daß Rum, Arac, Cognac, bei denen jener Uebelstand nur in geringerm Maße stattfand, unter viel ungünstiger« Fabrikationsverhältnissen über all in der Welt ihren vortheilhaften Markt fanden, während der ausländische Markt den deutschen Fabriken fast ganz verschlossen blieb. Erst neuerdings haben sich einzelne deutsche Fa brikanten diesen zu eröffnen gewußt, und der Schlüssel, " einfach ohne Widerrede die maß gebende Veranlassung des blühenden Ge schäftsbetriebes einzel ner Fabrikanten, und die Vernachlässigung der Entfuselung die Ur sache des Verfalles an derer. Der Geschmacks sinn des Publikums ist hierbei der sicher ent scheidende Richter, der die Consumenten stets dorthin führt, wo sie reinere Fabrikate fin den. Daraus erhellt, daß es auch für den großen Kreis von Ge schäftsleuten, Destilla teuren und Spritfabri kanten, deren Fabrikate für den nähern Ver kehr bestimmt sind, die wichtigste Aufgabe ist ihre Branntweine möglichst fuselfrei darzustellen. Diese Aufgabe ist aber für die genannten Betriebszweige nicht neu. Jeder Destilla teur und Spritfabri kant — ohne Ausnah me — kennt sie und thut etwas, um sie zu lösen. Ganz über wiegend vergreift man sich dabei aber entweder in der Wahl der Mittel, oder in ihrer Menge, oder endlich in der Art ihrer An wendung. Die große Zahl der Mittel, welche man zur Entfuselung des Spiritus verwendet, theilt sich in solche, welche die Menge des Fuselöls im Branntwein direct verringern, und in solche, welche die Fuselöle in angenehm riechende Stoffe umändern sollen. Beide erfreuen sich der ausgedehntesten Anwendung. Ganz besonders mannigfaltig sind diejenigen Stoffe, welche bei ihrer Verwendung zur Reinigung des Spiritus die Bestimmung haben, die Fusel öle durch chemische Wechselwirkung mit ihnen umzuwandeln. That- Die ausgedehnten Flächen der norddeutschen Ebenen, die größten- theils erst einer kurzen Culturperiode unterworfen gewesen sind und überwiegend leichten Boden führen, sowie der kurze Sommer zwingen dort den Landwirth zum Anbau der Kartoffel. Die Kartoffel ist der unscheinbare, wenig anerkannte und doch wahrhaftige Quell der Wohlhabenheit und der Bodencultur Nord- und Nordost-Deutschlands. Aber die Kartoffel ist, obgleich wenig stickstoffhaltige Bestandtheile führend, nicht weniger eine Nähr pflanze, als eine Nuhpflanze, und bei einer dem entsprechen den Stellung in dem Nahrungs- und Erwerbs-Systeme eines Landes wird der Anbau der Kartoffel dauernd Land und Leuten zum Segen gereichen. Wenn von der Verwerthung der Kartoffel als Nutzpflanze die Rede ist, so kann lediglich das Stärkemehl (Amylum) den Hauptbestandtheil der Kartoffel, den Boden für darauf zu gründende Fabrikationszweige abgeben. Das Stärkemehl an und für sich und die Wandlungsstufen desselben — Dex trin , Stärkesyrup und Stärkezucker — sind allerdings einer viel ausgedehnter» Aus beute fähig, als dieses bis heute in Nord deutschland geschehen ist, dielucrativsteAus- nutzung aber des Stärkemehls der Kartoffel ist die Verarbeitung desselben zu Spiritus. In Bezug auf die Productionskraft an Stärkemehl auf einer gegebenen Ackerfläche übertrifft die Kartoffel alle andern bekann ten Pflanzen. Außerdem ist die Kartoffel durch ihren ganzen Bau und ihre anderwei tigen Bestandtheile ganz besonders zur Spi- ritusfabrikation geeignet. Erwägt man also die große Ertragsfähigkeit und den leichten Anbau der Kartoffel, die großen zum Anbau derselben im nördlichen und öst lichen Deutschland vor handenen Strecken und die lohnende Ausbeute an Spiritus, so sollte man meinen, daß kein anderes Land so geeig net wäre, den Welt handel mit Spiritus zu versorgen, wie Nord deutschland. Und ist dies der Fall? Kei neswegs! Einzelne Fabrikanten gehen wohl mit ihrem Fabri kate nach Liverpool, nach Frankreich, sogar nach Neworleans, aber dieses bildet einen ver schwindenden, jeden falls viel geringer« Theil des Exports, als dieser «ach Lage der angeführten Verhält nisse möglich wäre. Der Grund hierfür liegt nahe. Bei der Fabrikation von Spiritus und dem Handel damit hat man sich bisher in Deutsch land von einer seltsamen Anschauung leite« lassen. Man hat hier selten oder nie, weder im innern Verkehr, noch in dem Handel mit dem Auslande, reinen Branntwein oder Sprit verkauft. Es war dies ein Fehler von unberechenbaren Folgen. Bekanntlich bilden sich bei der Entstehung des Spiritus, in mitten des Gährungs-Processes, in welchem der Alkohol seinen Ursprung findet, außer diesem noch andere Körper. Einer dieser — die Kohlensäure — ist flüchtiger Natur und entweicht, andere — und unter diesen die sogenannten Fuselöle — sind weniger flüchtig als Alkohol und mischen sich mit diesem in jedem Verhält-