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Allgemeine gewerbliche Verhältnisse. Bemerkungen über den Stand der englischen und französischen Gasindnstrie. Von Wilhelm Oechelhäuser, General-Director der deutschen Continental-Gas-Gesellschaft in Dcßau Nachfolgende Zeilen enthalten eine Reihe von Bemerkungen über den Stand der englischen und französischen im Vergleiche zur deutschen Gasindustrie, welche von dem Unterzeichneten auf einer im Herbst 1859 nach jenen Ländern*) unternommenen Geschäfts reise gesammelt wurden. Sie waren ursprünglich nicht für Ver öffentlichung, sondern blos zur Mittheilung an die Directions- mitglieder und Ingenieure meiner Gesellschaft bestimmt. Indem ich auf Aufforderung von Fachgenossen den wesentlichen Inhalt dieser Mittheilung, vielfach ergänzt durch die Resultate neuerer Erfahrungen, der Oeffentlichkeit übergebe, bitte ich daran nur den Maßstab einer technischen Reiseskizze anlegen zu wollen, welche ein fach aufzählt, was der Verfasser auf einer vierwöchentlichen Tour im Gasfach gesehen und erfahren, ohne irgendwie in erschöpfende wissenschaftliche oder gar polemische Erörterungen einzugehen. Auch bin ich weit entfernt, ihr den Charakter einer, die ganze englische und französische Gasindustrie umfassenden Beschreibung vindiciren zu wollen, indem hierzu ein weit längerer Aufenthalt in jenen Ländern nothwendig gewesen wäre. Dem Praktiker technische und ökonomische Fingerzeige und Anregung zu weiterm Forschen zu geben, ist der einzige Zweck der Veröffentlichung. Eine Vergleichung der äußern Lage der französischen und noch mehr der englischen mit der deutschen Gasindustrie ergibt zu nächst einen ganz gewaltigen Abstand in dem Umfang derselben. London allein verbraucht vielleicht doppelt so viel Gas, als alle mit Gas erleuchteten Städte Deutschlands zusammengenommen. Dreizehn Gasgesellschaften mit einem Gesammtcapital von 28 Millionen Thalern theilen sich in die Versorgung dieser Stadt, die im December täglich circa 25 Millionen Kubikfuß verbraucht; Paris lv—12 Millionen. Ein so kolossaler Umfang läßt vielfach Constructionen und Verfahrungsarten als zweckmäßig erscheinen, die bei den verhälr- nißmäßig kleinen Verhältnissen, in welchen wir unser Geschäft be treiben, nachtheilig oder ganz unanwendbar sein würden ; es ist dies ein Umstand, den man stets im Auge behalten muß, um den relativen Werth gewisser Einrichtungen und Methoden richtig zu benrtheilen. Ein anderer Umstand, der in England häufig eine Einwirkung ausübt, wovon wir in Deutschland kaum berührt werden, liegt in dem hohen Werth der Grundfläche; die Rücksicht hierauf führt häufig zu Constructionen und Anordnungen, die man aus bloßen technischen oder ökonomischen Gründen nicht gewählt haben würde. Daß überdies die verschiedenen Werthe der Mate rialien, namentlich der geringere Preis von Kohlen, Koks und Kalk in England ebenfalls ihren bedeutenden Einfluß auf die tech nische und ökonomische Gestaltung des Geschäfts üben, liegt aus der Hand und wird vielfach aus der nachfolgenden Darstellung hervorgehen. , Die Beobachtung wird ferner in England vielfach erschwert durch den Mangel an einer genauen Betriebs-Statistik. Nur aus nahmsweise nähern sich darin einzelne Anstalten der Genauigkeit und Sorgfalt, mit welcher hierin bei uns verfahren wird. Häufig ist es völlig unmöglich, selbst über die wichtigsten Punkte, z. B. Verbrauch an Feuerungsmaterial, Verlustprocente, Productions- Verhältnisse, Selbstkosten ic., in direktem Wege zuverlässige Auf schlüsse zu erhalten. ') Die Reise erstreckte sich auch aus verschiedene belgische Ansialteu, die im Msenllichen mit reu französische» gleich sieben und zu Bemer kungen wenig Anlaß geben. Wieck « Illuftr. eeulschc Bewerbe-Zcilung IS«I. Zur Erklärung endlich von manchen ganz auffällig veralteten und schlechten Einrichtungen dient vielleicht ein Punkt der englischen Gesetzgebung, wonach keine Gasanstalt mehr als 10 Proc. Divi dende vertheilen darf. Anstatt weiter sortzuschreiten und die Gas preise herabzusetzen, zieht da manche Gesellschaft vor, Alles beim Alten zu lassen; die gesetzliche Bestimmung, indem sie auf diese Art an einem bestimmten Punkte jeden fernern Reiz zum Fort schritt abschneidet, schadet sonach den Eigenthümern der Gasanstal ten ohne den beabsichtigten gemeinnützigen Zweck zu erreichen. Allerdings sind nur eine kleinere Zahl von Gasanstalten in dieser Lage; bei den meisten lassen die eintretenden Concurrenzen oder die Bestimmungen der städtischen Contracte das Erträgniß ohne dies nicht zu solcher Höhe gelangen. Nach Vorausschickung dieser allgemeinen Bemerkungen wende ich mich nunmehr zu den Details des Gasfachs. Kohlen. In Betreff der Kohlen können hier nur die Bemerkungen Platz finden, welche für deutsche Gasanstalten, die aus englische Kohlen angewiesen sind, ein specielles Interesse haben. Die ge nauesten Recherchen haben mich nun überzeugt, daß gerade die Sorten, welche wir bisher hauptsächlich beziehen, nämlich- Old Pelton und Leverson's Wallsend (H8rvortK Oollier)-) unbedingt die besten für uns sind und wohl auch bleiben werden, und daß der kleine Preisunterschied von 6 Pencc bis 1 Shill. per Ton (—5-^ bis 6 preußische Tonnen), um welchen sie durchschnittlich höher als die gewöhnlichen Newcastler oder vielmehr Durhamer Kohlensorten stehen, durch den Mehrwerth des Gases und der Koks nicht blos ausgeglichen, sondern bedeutend überstiegen wird. Die Old Pelton zeichnet sich vor allem durch eine große Gleichmäßigkeit und Rein heit aus ; die Besichtigung des einzigen 4'Müßigen Flötzes (Hutton Seam), auf dem sie arbeitet, gewährte mir die Ueberzeugung, daß nickt leicht eine andere Zeche größere Garantien in dieser Beziehung bie ten kann. Die Kohlen von Usworth haben die Eigentümlichkeit, daß sich ein Streifen Cannel-Kohle durch das Flötz, genannt Lever son's Seam, hindurchzieht, welcher auf Erhöhung der Leuchtkraft Les gewonnenen Gases wesentlich einwirkt. Diese Kohle ist ins besondere durch Herrn Director Kornhardt in Stettin in vielen deutschen Gasanstalten mit gutem Erfolg eingesührt worden. Die Koks von Leversons Wallsend find allerdings nicht ganz so gut und so voluminös als die aus Pelton; doch ist die Differenz auch nicht sehr bedeutend. Eine Mischung beider Sorteu wird sich vielfach empfehlen. Aehnlicher Qualität wie die Leversons, d. h. mit Strei fen von Cannel-Kohle, sind Ravensworth Pelaw, Deans Prim rose und Washington (Durham). In London, wo fast ausschließlich Newcastle-Kohlen vergast werden, ist Old Pelton weniger gebräuchlich, weil der etwas höhere Preis dort weit mehr als unter unfern Verhältnissen in die Wag schale fällt. Dagegen werden die Kohlen mit Cannel - Streifen immer mehr gesucht und insbesondere sind fürs nächste Jahr schon bedeutende Contracte über Leversons Wallsend für London abge schlossen worden. Besonders beliebt sind dort auch Ravensworth, ferner werden New-Pelton, Burnhvpe, Neddlesworth, Bran- cepeth und die verschiedensten sonstigen Sorten gewöhnlicher New castle Ka8-Ooal8 gebraucht. Man zieht in London in der Regel 8500 bis 9500 Kubikfuß per Ton oder 1500 bis 1650 Cubikfuß per preuß. Tonne. Wir find hierin viel weiter vorgeschritten, in dem auf unfern Anstalten, aus der preuß. Tonne Newcastler Koh len ü 350 Pfund gerechnet, 1700 b^s 1900 Kubikfuß*) gezogen werden, also etwa 10 bis 11,000 Kubiksuß pr. englische Ton. Ueber die Leuchtkraft dieses Gases folgen die Bemerkungen weiter unten. Aus ganz frisckicr westpbäliscdcr Kcubcnkoblc Ik00-l90t>, ;a selbst 2000 Kubiksup, pr. Tvnue a Z70 Psuue,