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Mit den besten westphälischen Kohlen (z. B. Zollverein, Hibernia) verglichen, ist die Newcastle Gaskohle bezüglich der Gas ausbeute und Leuchtkraft etwas vorzuziehen, wenn beide Kohlen sorten gleich frisch aus den Gruben vergast werden. Da bei uns indessen die englische Kohle in der Regel nur nach 1/2- oder jährigem Lagern zur Vergasung gelangt, während die inländische Kohle pr. Eisenbahn stets frisch zu beziehen ist, so gleichen sich in der Praxis jene Differenzen so vollständig aus, daß die umfassend sten Versuche, welche wir auf den für den Bezug in- und auslän discher Kohle ziemlich gleich gelegenen Anstalten gemacht haben, kaum einen Unterschied mehr erkennen lassen. Nur bezüglich der Koksausbeute behalten die englischen Kohlen einen Vorzug, na mentlich wo nach Maß verkauft wird; die guten Newcastle-Kohlen geben an Koks gegen 150, die besten westfälischen Gaskohlen da gegen in der Regel kaum 140 Procent von dem Volumen der Kohlen; die Koks sind dabei auch etwas bröcklicher. Durch Mi schung mit bessern Kokskohlen (so sehen wir z.B. in Mülheim und Gladbach der Zollvereinskohle etwas Mathias bei) kann dieser Nachtheil ziemlich ausgewogen werden, so daß allen deutschen An stalten nur empfohlen werden kann, gute westphälische Kohlen zu vergasen, sobald sie dieselben billiger als englische haben können. Eine große Anzahl von Gewerken, namentlich im Norden Englands und in Schottland, wendet vorzugsweise die Cannel- Kohle an, meistens allerdings mit Newcastler oder sonstiger Gas kohle gemischt. Von allen diesen Cannel-Kohlensorten, worunter die Boghead (13,000 Kubikfuß per Ton) an der Spitze steht, habe' ich nur eine gefunden, welche neben einer großen Quantität vor- i züglichen Gases zugleich einen Koks gibt, der, wenn auch nichts ganz so gut und um 25 bis 30 Procent weniger voluminös als der Koks von Newcastle-Kohle, doch immerhin dem Gewicht nach gleichviel, nämlich 66 Procent gibt, vollkommen verkäuflich und dabei sehr verwendbar zum Unterfeuern ist. Es gilt dies von der Wigan-Cannel (Lancashire). welche die ausgezeichneten Gaswerke Liverpools ausschließlich gebrauchen und die namentlich als Zusatz im Mittlern und westlichen England in großem Umfang zur Ver- Wendung kommt. Sie erzeugt über 10,200 Kubiksuß Gas von 0,5 spec. Gewicht und 23 Spermacetikerzen, also fast doppelter Leuchtkraft, wie das gewöhnliche Londoner Gas. Der Preis in Liverpool ist 15 bis 16 Shill. per Ton, also doppelt so theuer als Pelton- und Leverson-Kohle. Die Wigan-Cannel dürfte sich hier nach vielfach besser als Zusatz eignen, als die noch weit theurere Boghead-Kohle, die gar keine brauchbaren Koks gibt. Oefen und Retorten. Zu der Construction der Oefen übergehend, ist hierbei haupt sächlich die Eingangs gedachte Rücksicht auf den kolossalen Umfang der meisten englischen Gaswerke und auf Ersparniß an Bodenfläche festzuhalten, um nicht den richtigen Maßstab zur Vergleichung mit unfern Verhältnissen zu verlieren. Der erstern Rücksicht haben fast überall unsere einfachen Oefen, die bloß auf einer Seite chargirt und gefeuert werden und hinten frei stehen, weichen müssen, wäh rend die letztere Rücksicht hauptsächlich zu den häufig auftretenden Constructionen von 4 bis 6 Retortenreihen übereinander geführt hat, welche doch im Uebrigen die Manipulation erschweren, ohne irgend wesentliche Vortheile im Gefolge zu haben. Als Normalconstruction aller bedeutenden und neuern Gas anstalten Englands kann man die Oefen mit 18 bis 20 Fuß lan gen durchgehenden Retorten (tbrouzlr anll tKrouFlr turnaoos) betrachten, die auf beiden Seiten gefeuert und chargirt werden und auf beiden Seiten mit Steigeröhren zur Abführung der Gase ver sehen sind. In Frankreich und Belgien dagegen ist das System der kours aäossös (daelc to duck) das gebräuchlichere, nämlich zwei einfache Ofenreihen mit gemeinschaftlicher Rückwand. Wenn Rücksichten auf Raum und auf Umfang der Production zum Ver lassen unseres bequemen und praktischen Systems einfacher Ofen reihen zwingen, so ist jedenfalls das englische, auch in Deutschland scbon zur Anwendung gebrachte System der durchgehenden Retor ten dem französischen vorzuziehen, da erstere 1 bis 1/'^ Fuß Re tortenlänge gewinnen, somit verhältnißmäßig wehr produciren und an Feuerung sparen, auch leichter im Stand zu halten und leichter auszubrennen und zu reinigen sind. Verschiedene Systeme einfacher Oefen werden indeß, von kleinen Anstalten, wo sie Regel sind, abgesehen, später auch Erwähnung finden. Die Oefen find in England in der Regel stark armirt, im Uebrigen in der Stärke der Wandungen und in den sonstigen Ab messungen mit den unserigen ziemlich übereinstimmend. Bei den aus einzelnen Steinen zusammengesetzten Retorten wird häufig die ganze Borderwand des Ofens aus eisernen Platten, auf welche die Mundstücke aufgeschraubt sind, gebildet. Auf gute Fundirung der Oefen wird sehr gesehen. Häufig werden sie, namentlich wo der Raum beschränkt ist, bis 1 Stock über Niveau aufgemauert, um Raum für Koksgewölbe unter den Oefen zu gewinnen. Der Kampf der eisernen gegen die Chamotte - Retorten ist längst zu Gunsten der letztern entschieden, obgleich die billigen Preise des Eisens in England die Lösung dieser Frage dort weni ger leicht erscheinen ließ, als z. B. in Deutschland, wo in der Thal nur der pure Unverstand noch an eisernen Retorten festhalten kann.*) Als letzte Reste des Vorurtheils für eiserne Retorten sind jene Ofen-Constructionen, wie z. B. die Croll'schen in den Lurre^- und 6rsat Zentral 6as volles, zu betrachten, welche im obern Theile des Ofens 6 bis 7 thönerne, im untern dagegen, wohin die Flamme zuletzt gelangt, wo also die Hitze geringer ist, eine gleiche Zahl eiserner Retorten enthalten. Bei Umwechslungen werden jetzt, wie mir mitgetheilt wurde, die eisernen stets gegen thönerne Retorten ausgetauscht. Sehr viele größere Gaswerke bereiten sich die Chamotte-Re- torten und Steine selbst; im Uebrigen wird das Fabrikat von Joseph Cowen L Co. in Newcastle zu dem besten gerechnet, was England hierin leistet. Unsere Erfahrungen mit englischen Retor ten lassen inzwischen annehmen, daß wir zur Zeit in Deutschland hierin ebenso weit, ja weiter vorgeschritten sind, als die Eng länder. Die durchschnittliche Dauer der Retorten ist in England 2 bis 3 Jahre in zwei Campagnen von 1 bis 1^ Jahren. Eben in diesen langen Campagnen, welche in der Regel nur auf größeren Anstalten durchführbar sind, liegt ein großer Vortheil im Vergleich zu unfern deutschen Anstalten, wo eine dreijährige Dauer der Re torte nur mit Mühe zu erreichen ist. Die Campagnen werden beendet, sobald die Feuerungen zu reparaturdürftig geworden sind ; nach der zweiten, häufig auch schon nach der ersten Campagne wer den die Retorten gegen neue ausgewechselt; ein nochmaliges Zu sammensetzen aus einzelnen Stücken, wie es bei uns unter andern Verhältnissen geschieht, findet dort nicht statt. In Frankreich sollen die Retorten meist von minder guter Qualität sein und nicht länger als höchstens zwei Jahre halten. Auf einzelnen Anstalten befinden sich Glühöfen, um die rela tive Feuerfestigkeit der Chamottesteine, Ziegel rc. zu prüfen, ehe sie verwandt werden ; es ist dies ein zweckmäßiges Verfahren, wel ches indeß auch auf einfache Weise in unfern Retortenöfen vorge nommen werden kann, indem man die zu prüfenden Steine auf die Feuerbrücke hinter den Rost legt und ihr Verhalten beobachtet. Die durchgehenden Retorten sind in England in der Regel 18 bis 20 Fuß lang und aus 3, höchstens 4 Stücken mit Cha- mottemörtel zusammengesetzt. Rinnen, die in den einzelnen Stücken vor Kopf eingeschnitten sind, befördern die Dichtigkeit der Fugen. Es wird überdies in der Regel so eingerichtet, daß jeder Stoß in eine der Querwände zu liegen kommt, welche im Innern des Ofens zur Unterstützung der Retorten parallel mit der Borderwand und in lichten Zwischenräumen von 9 Zoll bis zu 2 Fuß ausgemauert sind. Diese Construction, welche auch auf unfern Anstalten jetzt fast durchweg eingeführt ist, findet sichln England fast ohne Aus nahme adoptirt und ist sicherlich, gute Fundirung des Ofens, gute Ausführung und gutes Material vorausgesetzt, die zweckmäßigste, die gewählt werden kann, indem sie die Reparaturen der Retorten erleichtert, denselben dadurch längere Dauer gibt, auch auf gleich mäßige Vertheilung der Hitze im Ofen günstig einwirkt. Die Ofen-Construction (welche u.A. auf der CrefelderAnstalt eingeführt ist), wo die Retorten blos in der Vorder- und Hinter- ') Auch bei dcr H olzqa e - szabrikaiio» <in Lemberg unkTcmesvari liabcu wir seit Iabreu die a.bonrctcrke mit vollkommenem (erfolg einge- führt und auch hicrbci den groytcn Vortkeil gegen eiserne in jeder Be ziehung wahrgcndmmen.