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sowohl in den technischen als andern deutschen Journalen, ja selbst in Gelegenheitsschriften und Broschüren?) über keinen Gegenstand so viele und so widersprechende Nachrichten verbreitet worden, als über die neue Bewegungskraft. Während die Einen die wunderlichsten und phantasievollsten Zukunftsbilder entwarfen, Andere, ohne die Maschine gesehen und durch längere Zeit in ihrer Anlage und ibrem Gange beobachtet und studirt zu haben, die verschiedenartigsten Bedenken, Einwürfe und Zweifel geltend machten, erhoben sich sogar Stimmen, welche sich nicht entblödeten, den neuen Motor ohne alle Begründung prima kasis als einen „Humbug" zu erklären! Wie bei so vielen Controversen, so lag auch bei der in Rede stehenden die Wahrheit in der Mitte. Man wird allerdings nicht, wie ein warmblütiger Sanguiniker prophezeite, „mit einer aus Aluminium construirten Gasmaschine die Lüfte durchschiffen", die selbe aber ebenso wenig, ohne sich mit dem Vorwurfe eines schnell fertigen Absprechens zu belasten, einen „Humbug" nennen können. Ich habe in meiner Eingangs erwähnten, durch die deutsche Presse vielfältig verbreiteten ersten Mittheilung wörtlich gesagt, daß „sich von der Lenoir'schen Erfindung heute (Mitte Mai) noch nicht apodiktisch behaupten lasse, daß sie sofort die Wasserdampf kraft vollständig und unter allen Umständen verdrängen dürfte, daß sie aber unzweifelhaft in derJndustrieEpoche machen und einen tief eingreifenden Umschwung herbei führen werde." Auch habe ich hervorgehoben, daß die Frage, ob sich das Lenoir'sche System mit gleichem Vortheile auch auf größere Maschinen anwenden lassen werde, erst durch die Wissen schaft und praktische Erfahrungen gelöst werden müssen. Die Entwicklung, welcher die Erfindung seither zugeführt worden ist, sowie der Standpunkt, welchen sie heute (23. Novem ber 1860) einnimmt, bestätigen, daß meine damalige Auffassung derselben auf keiner Selbsttäuschung beruhte, und daß mein oben- angeführter vor sechs Monaten gemachter Ausspruch ein richtiger und begründeter war. Wie bekannt, haben auch in Deutschland mehre durch ihre Leistungen rühmlichst bekannte Fachmänner, welche von meiner Mittheilung Kenntniß erlangt und mit mir die Erkenntniß von der großen Bedeutung und Tragweite der Anwendung expandiren- der Gase als bewegender Kraftgetheilt hatten, sich mit dem Gegen stände beschäftigt und den Bau von Gasmotoren in Angriff ge nommen, welche zwar mit dem Lenoir'schen im Principe überein stimmend, jedoch in ihrer Construction verschieden und wesentlich modificirt sein sollen. ^) Es ist begreiflich, daß man hier in Paris, der Geburtsstätte der Gasmaschine, nicht minder emsig thätig war, um dieselbe wei terer Verbesserung und Vervollkommnung entgegenzuführen. Lenoir ist nur Autodidakt, er hat nie ein Hehl daraus ge macht, daß er seine Kenntnisse in der Physik, Chemie und Mecha nik nur durch den Besuch der zahlreichen populären Vorlesungen erworben habe, welche in Paris in den Abendstunden für die Ar beiter gehalten werden. ^) Er war aber wie Watt so glücklich, 2) G. ConsentiuS, die Dampfkraft durch die Gaskraft erseht re. re. Leipzig >860. . . Die neue Gasmaschine, welche in >cder Stube und Werkstätte an der gewöhnlicheu Gasleituugsröhre angelegt und zugleich auch zur Heizung des Locales benutzt werden kann. Wien 1866. A. Lipowitz, Lenoirs und Ericssons neue Bewegungs-Maschinen rc. Leipzig 1866. . . . In Frankreich ist bisher nur eine einzige Flugschrift: „Notour ä wir äilats pur los §pur snüumms« pur l'oleotrieitö" als Separat abdruck eines in der kovuo europösnne veröffentlichten Aufsatzes von Paul Dalloz erschienen. D. Berf. 3) Der Maschincnfabrikant G. Kuhn in Berg bei Stuttgart war der Erste, welcher die Sache in die Hand genommen hatte. Eine ver besserte „Gaskraftmaschine" soll binnen Kurzem aus der Maschinenfabrik der Herren Koch L Co. in Leipzig hervorgehen; endlich hat der lei der vor einigen Tagen mit Tobe abgegangene Ingenieur und Maschinen fabrikant Franz ckavcr Wurm in Wien in einer der jüngste» Sitzun gen des niedcrvsterr. Gewerbeoereins angezeigt, daß er einen Gasmotor gebaut habe und demnächst im Betriebe vorweisen wolle. D. Verf. 4) Lenoir war ursprünglich Arbeiter (Nnnlsur) in einer Brvnce- warcnfabrik; er warf sich später auf die Galvanoplastik, gründete im Vereine mit Herrn Gautier eine galvanoplastischc Anstalt unter der Firma: „oociöto Oonörule äs Eulvunopluntio." Die Unternehmung war jedoch in ihrem materiellen Erfolge nicht sehr glücklich, obschon seinen Bolton zu finden, indem er mit dem hiesigen Maschinen fabrikanten Hypolite Marinoni in Verbindung trat, einem tüchtigen, viel erfahrenen Praktiker von seltener Geduld und Aus dauer in Verfolgung selbst gesteckter Ziele. Seinen vielseitigen und mühsamen, mit großen Opfern an Zeit und noch größern an Geld ununterbrochen fortgesetzten Versuchen ist es gelungen, die vollstän dige und praktische Lösung des Problems und in einer Weise zu sichern, die jeden Zweifel behebt. Marinoni hat nämlich seit vollen vier Wochen in seinen Maschinenwerkstätten (kstr. 67 rus äs VauZirarä taukmurK 8t. üermain) Tag für Tag einen Gasmotor von acht Pferdekräften im Gange, welcher seine sämmtlichen Hilfsmaschinen, als: 1 Ventilator für 6 Schmiedefeuer, 10 Drehbänke, 3 Bohrmaschinen, 1 Hobelmaschine, 1 Lochmaschine und 2 Schleifsteine treibt. Der Verbrauch von Leuchtgas (6 Proc. Gas mit 94 Proc. atmosphärischer Luft) beträgt 500 Litres pr. Stunde und pr. Pferdekraft (1000 Litres 1 Kubikmeter, der von der Pariser Gascompagnie zu 30 Cent, geliefert wird). Es gewährt ein eigenthümliches Interesse, den neuen Gas motor in Marinoni's Atelier unmittelbar neben der alten bisher benutzten und nun außer Betrieb gesetzten Dampfmaschine von sechs Pferdekrästen ^) und der ausgeblasenen Dampfkesselfeuerung auf gestellt zu sehen. Der Gasmotor nimmt kaum den zehnten Theil des Raumes ein, welchen die Dampfmaschine mit dem Dampfkessel bedeckt. Siebst diesem größern Gasmotor hat Marinoni bereits zwölf kleinere Gasmaschinen der neuen Construction von ein, zwei, drei und vier Pserdekraft abgeliefert, worunter eine nach St. Peters burg an die Herren Popoff und Havet, eine zweite nach Amster dam an Herrn Peignat und vier nach Madrid an Herrn Jean Po eh, welcher die Erfindung zur Ausbeute in Spanien, Brasilien und der Havana um den Betrag von 100,000 Francs angekauft hat. 6) Dreißig Motoren neuer Construction von bis 4 Pferde krästen lind in den Marinoni'schen Werkstätten eben im Baue. Vierundsechszig neue Bestellungen liegen vor. Von den in den Pariser Gewerben bis heute in Anwendung stehenden Gasmaschinen bieten die bei Herrn Barvajel (20 rus ^8amt 8auvsur), einem Fabrikanten von Leonischen Goldborten, ! Schnüren und dergl. Posamentirwaren, und Herrn Cummin ! (34 rus äss Naruig, 8aint Nartin), einem Elfenbein-Drechsler, I zum Betriebe seiner Drehbänke, Circularsägen, Polirscheiben rc. seit 29. Sept. v. I. in täglichem Gange stehenden besonderes In teresse, weil sie die großen Vorzüge und Vortheile der Erfindung für die Kleingewerbe und die Industrie in den Städten zur vollen Evidenz nachweisen. Die Werkstätten des Herrn Barvajel befinden sich z- B. in einem, in dem dichtbevölkertsten Stadttheile von Paris (dem soge nannten Quartier St. Denis) gelegenen, von achtzehn Wohnpar tien, meist kleinen Gewerbsleuten, bewohnten Miethhause. Die Gasmaschine arbeitet ruhig, ohne Lärmen und Geräusch, und er setzt zwei Tagelöhner, welche früher täglich während 10 Arbeits stunden zwei große Treibräder zu drehen hatten, um eine Reihe von Garnweifen, Börtel- und Schnur-Mühlen und dergl. Werk stühle in Bewegung zu setzen. Diese beiden Tagelöhner wurden mit 6 Fr. pr. Tag (jeder 3 Fr.) bezahlt; die Gasmaschine consu- mirt acht Kubikmeter Gas in 10 Arbeitsstunden, welche 2 Fr. Lenoir durch seine „ronäo dosso" und die Anwendung der Galvano plastik auf die Lampenfabrikation einen ganz neuen Weg betreten hatte. Er beschäftigte sich in Folge dessen mit vielfachen Versuchen, den Elektro magnetismus als bewegende Kraft zu benutzen und diese führten ihn endlich zu der glücklichen Idee der Anwendung des Leuchtgases zu dem gleichen Zwecke? .... D. Vers. 5) Marinoni baute bisher ausschließlich nur Buchdrucker-Schncll- ! pressen und bedurfte zum Betriebe seiner Werkstätten keiner größeren Kraft. , . „ , .. . . D. Lcrf. 6) Herr Lenoir bestndct sich ,» diesem Augenblicke in Madrid, um ! die Maschinen dort aufzustcllcn. D. Verf.