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4g Nr. 1. .Stahl und eisen? Januar 1893. Zwanglose Mittheilungen aus Wissenschaft und Leben. Des Moselfreundes Traum. Eine Neujahrsgeschichte. GGO Glückliches Geschick und gute Gedanken I fügten es, dafs die Enthüllung des Kaiserdenkmals am Deutschen Eck in Coblenz gleichzeitig mit Eröffnung der Schiffahrt auf der kanalisirten । Mosel stattfinden konnte. Selten sah die Rhein- ! provinz schönere, bedeutungsvollere Tage. Ideale und reale Ziele von grofsartiger Tragweite feierten zur selben Stunde das Fest ihrer Verwirklichung. Das Kaiser Wilhelm I. gespendete Lob brauchen wir nicht zu wiederholen, es hiefse Eulen nach Athen tragen, sofern dieser Gemeinplatz noch erlaubt ist. Unser redegewaltiger Herrscher wies in der ihm eigenen schlagenden Weise, deren Geheimnifs er besitzt, auf die Bedeutung des Tages hin, pries die allmähliche geistige und wirthschaftliche Gewinnung der von seinem Grofsvater durch die Waffen wieder erworbenen Reichslande, tadelte aber streng das zerfahrene politische Parteiwesen und die thörichte Schwarz seherei, welche den Deutschen die Freude, am Vaterland vergällen. Als auf Sr. Majestät Befehl die Hülle des Standbilds fiel, als die helle, warme Sonne ihren goldenen Schein über das prachtvolle Denkmal gofs, da brauste tausendstimmiger Jubel empor, der sich zum höchsten Entzücken steigerte, als die Geschütze der benachbarten Vesten schwiegen und schier endlose Reihen beflaggter Schiffe unter knatternden Böllerschüssen am Deutschen Eck vorbeifuhren, nicht nur Rhein schiffe, sondern auch zahlreiche Moselschiffe. Vielen der letzteren hatte sinnige Dankbarkeit die Namen der Vorkämpfer für die Moselkanalisirung verliehen. 1 Da sah man einen Dr. Feodor Goecke, einen Karl Lueg, einen August Servaes, einen Karl Spaeter u. s. w. Lachend wurden zwei winzige Mosel schlepper begrüfst, welche die Namen der einst verspotteten „Reiseprediger der Moselkanalisirung“ Dr. W. Beumer und J. Schlink trugen, und einen so gewaltigen Lärm mit dem Auspuffdampf und ihren Dampfheulern machten, dafs die Festgenossen j sich die Ohren zuhielten. Das nachfolgende Prunkmahl im Casino, dessen : Weine einen Weltruf geniefsen, wird allen Theil nehmern unvergefslich bleiben. Nachdem der officielle Theil erledigt, die höchsten und hohen Herrschaften sich entfernt, da kam die Studenten regel ex est commercium initium fidelitatis zur vollsten Geltung. Das Haus Deinhard & Cie. hatte einen echtdeutschen Sekt geliefert, der alle Erzeugnisse der Champagne in Schatten stellte. Ein Trinkspruch folgte dem andern. Rheinische Dichtkunst, ernst- und scherzhafte, würzte das Mahl. In hübschen Reimen besang ein launiger Gelegenheitsdichter, der wacker für die Mosel gestritten, die Schicksale der beiden Unternehmen; lustig stimmte die Gesellschaft ein. Der Bericht erstatter genofs die Ehre einer hochpreislichen Nachbarschaft. An einer Tischecke tafelten vier Mitglieder des Provinziallandtages, vier geheime Commerzienräthe, die HH. Karl Freiherr von Stumm - Hallberg, Karl Lueg-Oberhausen, Karl Spaeter-Coblenz und Karl Röchling-Saarbrücken. Manche, früher bestandene Gegensätze schwanden unter der frohen Feststimmung, die im Brüder schafttrinken der vier .Karolinger“, dieser Säulen unserer heimischen Industrie, gipfelte. „Viribus unitis“ lautet das künftige Feldgeschrei zum Nutzen und Frommen unsers engen und weiteren Vater lands. * » * „Wünscht der Herr rasirt zu sein?“ Diese Frage nebst kräftigem Pochen an die Zimmerthür entrissen mich dem Reich der Träume. Jählings flohen die lustigen Gebilde weinseliger Phantasie. Im Casino zu Coblenz hatten wir allerdings tüchtig gezecht, aber nicht an einer Festtafel, sondern stillvergnügt unter guten Freunden. Spät, sehr spät war es geworden, als mir der verschlafene Hausknecht im „Riesen* die gastliche Pforte öffnete. Frische Luft zu schöpfen, wanderte ich nach dem Frühstück zum Deutschen Eck. Allerlei krause Gedanken kamen mir da. Wie lange wird das hehre Denkmal, dessen Ausführung gesichert, auf die verödete Mosel noch blicken? Wenn die Fran zosen 1870 gesiegt, was selbst König Wilhelm für nicht unmöglich hielt, wenn das linke Rheinufer französisch geworden, könnten Zweifel bleiben, dafs bei der Fürsorge unserer Nachbarn für ihre Wasserstrafsen, die Mosel längst bis zur Mündung kanalisirt wäre? Ich schüttelte mich bei dem häfslichen Ge danken, die mein katzenjämmerliches Unbehagen entschuldigen mag. Als ich heimkam, lag ein sehr billiges Angebot spanischer Eisensteine vor. Wir berechneten, dafs die Fracht von Bilbao bis zur Verwendungsstelle an der Ruhr ungefähr derjenigen für den Bezug von Minette gleich komme. Die Spanier haben die Barre vor dem Hafen beseitigt, denselben erweitert und äufserst bequem eingerichtet, die Gruben angeschlossen u. s. w. Das Erz stellt sich für die hiesigen Hochöfen fast um ein Drittel billiger wie früher. Holländische Schiffe und Wagen bringen es nach Deutschland. Ein Heiden geld geht ins Ausland. Lebte der alte Fritz noch, der würde derb mit seinem Krückstock dazwischen fahren. Er schrieb am 27. September 1784: „Die Eisenfabriquen sind sehr important und vor das Land sehr nützlich. Weshalb den auch alle Atten- tion erfordert wird, auch dafs es damit immer weiter gehen möge.“ Friedrich der Grofse machte die Ruhr schiffbar. Kleine Dynasten, u. A. der Abt von Werden, widersetzten sich, wurden aber durch Einquartirung sehr bald bekehrt. Landgraf, Landgraf werde hart! J- S.