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8 Nr. 1. Januar 1893. «STAHL UND EISEN.“ besseren Ausnutzung des Wagenparks und Be seitigung des Wagenmangels, andererseits in betreff der besseren Ausnutzung der Bahnhöfe. Alle Versuche, eine bessere Ausnutzung der Güterwagen durch eine Beschleunigung der Güter züge zu erreichen, haben sich bisher als vergeb lich erwiesen. Auf Vollbahnen beträgt bereits die gröfste zulässige Fahrgeschwindigkeit der Güterzüge 45 km in der Stunde. Diese Maximai- Grundgeschwindigkeit findet indessen nur bei Eil- güterzügen, welche mit einer geringeren Achsen zahl von etwa 50 bis 60 Achsen befördert werden, Anwendung. Aber auch bei diesen Zügen, welche nur auf verkehrreichen Bahnen befördert werden und in der Regel nur auf den gröfseren Stationen halten, sinkt infolge des Aufenthaltes auf den selben die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit einschl. der Aufenthalte auf etwa 35 bis 30 km in der Stunde. Auf Vollbahnen schwankt die Grundgeschwindigkeit der gewöhnlichen Güterzüge zwischen 25 bis 35 km und beträgt im grofsen Durchschnitt 30 km in der Stunde. Während aber auf zweigeleisigen Bahnen, auf denen die regelmäfsige Durchführung der Güter züge weniger Schwierigkeiten begegnet, selbst bei den sogen, geschlossenen, längere Strecken ohne Aufenthalt durchfahrenden Güterzügen die Fahr geschwindigkeit pro Stunde auf etwa 20 km herab sinkt, vermindert sich dieselbe bei gewöhnlichen, auf allen Stationen haltenden Local-Güterzügen, ins besondere auf eingeleisigen Bahnen, auf welchen die Beförderung der Güterzüge wegen der langen Aufenthalte auf den Stationen mit grofsen Zeit verlusten verknüpft ist, bis auf etwa 12 km, be trägt also nur etwa 1/3 der für Güterzüge ge wöhnlich angenommenen Grundgeschwindigkeit. Es geht hieraus hervor, dafs eine Beschleunigung der Güterzüge weniger in einer Erhöhung der Grundgeschwindigkeit, was auch im Interesse der Oekonomie und Sicherheit des Betriebes weniger zu empfehlen ist, als in einer Verminderung der Aufenthaltszeiten auf den Stationen gesucht werden mufs. Und diesem Ziele, mit welchem unzweifel haft eine Beschleunigung des Wagenumlaufs und damit eine wesentliche Erhöhung der Leistung der Güterwagen verbunden ist, sind auch neuer dings die Bestrebungen unserer Staats-Eisenbahn verwaltung zugewandt, indem schon seit einer Reihe von Jahren für die Beförderung von Kohlen in geschlossenen Zügen vom Ruhrkohlenrevier aus in der Richtung nach Holland und Belgien ermäfsigte Zugtarife erstellt und die Kohlengruben zur Verminderung des Rangirdienstes und zur Beschleunigung des Wagenumlaufs wiederholt ersucht worden sind, auf die Beförderung der Kohlen in geschlossenen Zügen hinzuwirken. Diesem Ersuchen würde seitens der Kohlengruben in gröfserem Umfange entsprochen werden können und dieselben jedenfalls auch bereit sein, die damit verbundenen Schwierigkeiten und Mehr kosten in weiterer Ausdehnung als bisher auf sich zu nehmen, wenn die sogen. Zugtarife nicht nur auf einige wenige Verkehrsbeziehungen be schränkt, sondern für den Kohlen- und Koks verkehr allgemein eingeführt und aufserdem ge stattet würde, dafs die Beladung eines Sonder zuges nicht ausschliefslich auf einen Schacht beschränkt wird, sondern auch von mehreren be nachbarten, ein und derselben Grube gehörigen Schächten erfolgen kann. Dieses geringe Entgegenkommen der Eisen bahnverwaltung würde bei weitem aufgewogen werden durch die grofsen Vortheile, welche mit der ausgedehnteren Beförderung von Kohlen und Koks in geschlossenen Zügen für die Beschleu nigung des Wagenumlaufs, Verminderung des Rangirdienstes, Entlastung der Bahnhöfe und somit allgemein für die Verminderung der Betriebs ausgaben zu erwarten sind. Wie es fast 2 Jahrzehnte gedauert hat, ehe es trotz aller Bemühungen in Wort, Schrift und praktischem Beispiel gelungen ist, die so natür liche und mit so grofsen finanziellen Vortheilen verbundene Erhöhung der Tragfähigkeit der Güter wagen zur allgemeinen Einführung zu bringen, so scheint auch die Frage der Entladung der Güterwagen einem ähnlichen Schicksal zu unter liegen. Alle Betheiligten: Eisenbahnen, Beigbau, Industrie, Landwirthschaft leiden unter den vor handenen Uebelständen, aber Niemand macht auch nur den Versuch, dieselben zu beseitigen, obgleich bei einem gemeinsamen Vorgehen der Bezirks- Eisenbahnräthe, Handelskammern u. s. w. die Eisenbahnverwaltung voraussichtlich es nicht ab lehnen würde, die Lösung dieser Frage in die Hand zu nehmen. Gegenüber den häufigen Klagen über den Wettbewerb Englands und Nordamerikas auf dem Weltmärkte und dem dabei geltend gemachten Vorsprunge, den beide Länder in Bezug auf die günstigere Lage der Industriebezirke und Erz lagerstätten für die Verkehrsverhältnisse haben, macht es einen wenig ermuthigenden Eindruck, dafs wir, wie die vorliegende Frage zeigt, beiden Ländern auch in solchen Einrichtungen nach stehen, deren Abänderung in unserer Hand liegt. Schwabe, Geheimer Regierungsrath a. D.