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Februar 1893. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 3. 123 Der vorstehende Auszug aus der Statistik des Patentamtes giebt zu einigen Betrachtungen Veran lassung, die um so näher liegen, als das Jahr 1892 das erste volle Lebensjahr des neuen Patentgesetzes bedeutet — denn die Zeit vom 1. October 1891, an welchem Tage das neue Patentgesetz in Kraft getreten ist, bis zum 1. Januar 1892 kann als Uebergangs- periode kaum in Betracht gezogen werden. Da fällt denn vor Allem in die Augen, dafs die Zahl der Patentanmeldungen im Jahre 1892 gegen das Vorjahr um 1,60 % gestiegen ist, während man im Hinblick auf das gleichzeitig mit dem Patentgesetz in Kraft getretene Gebrauchsmustergesetz das Gegen theil erwartet hatte. Der Grund für die Vermehrung der Patentanmeldungen trotz Gebrauchsmustergesetz dürfte darin zu suchen sein, dafs die Interessenten in einem seitens des Patentamtes und der Industrie vorgeprüften Patent einen zuverlässigeren Schutz erblicken, als in einem lediglich angemeldeten Ge brauchsmuster. Diese Ueberzeugung wird sich vor aussichtlich um so stärker aufdrängen, je mehr Er fahrungen mil den Gebrauchsmustern, besonders bei deren Vertheidigung vor den ordentlichen Gerichten, gemacht werden. Nicht unwahrscheinlich ist es, dafs diese Erfahrungen manchmal Enttäuschungen mit sich bringen, die schwerer wiegen, als die Mühen und Kosten zur;Erlangung und Sicherung eines Patentes. Auf die verhältnifsmäfsig hoch scheinende Zahl der im Jahre 1892 eingegangenen Gebrauchsmuster- Anmeldungen (9066) darf in dieser Hinsicht nicht zu grofses Gewicht gelegt werden, einestheils, weil manche Gegenstände als Gebrauchsmuster angemeldet werden, die zweifellos Gebrauchsmuster im Sinne des Gesetzes nicht sind, für deren Zurückweisung aber letzteres keine Handhabe giebt, und anderntheils, weil für viele Gegenstände gleichzeitig Patent- und Gebrauchs musterschutz beantragt wird, um, im Falle der Ver sagung des ersteren, doch letzteren zu erhalten. Ein anderer in die Augen springender Punkt der vorstehenden Statistik ist die Zunahme der bekannt gemachten Anmeldungen um 15,55 %. Sie dürfte in der neuen Organisation des Patentamtes begründet sein, die für die Continuität der bei der schwierigen Beurtheilung der Patentfähigkeit mafsgebenden Grund sätze eine gröfsere Gewähr giebt, als das nach dem früheren Gesetz organisirte Patentamt. Dafs in den einzelnen Patentklassen der Procentsatz der bekannt gemachten Anmeldungen erhebliche Unterschiede auf weist, liegt in der Art der betreffenden Gegenstände selbst, deren Erfinder vielfach Laien und nicht in der Lage sind, über das bereits Vorhandene sich zu ver gewissern. Hierauf dürfte es zurückzuführen sein, dafs in der Klasse 3 (Bekleidungsindustrie) die Zahl der Patentertheilungen in der Zeit vom 1. Juli 1877 bis Ende 1892 nur 21,29 % der Anmeldungen beträgt, wohingegen in der Klasse 60 (Regulatoren) 71,74 % der Anmeldungen zur Patentertheilung gelangten. Mit der Zunahme der bekannt gemachten An meldungen schreitet die Zunahme der Patentertheilungen nicht in gleichem Grade fort; sie verhalten sich wie 15,55:6,31. Diese auffallende Thatsache ist weniger in der Zurückziehung der Anmeldung seitens des Anmelders und Versagung des Patentes auf Grund von Einsprüchen, die im Jahre 1892 sogar um 3,69% gegen das Jahr 1891 abgenommen haben, als darin begründet, dafs ein nicht unerheblicher Theil (fast 6 %) der bekannt gemachten Anmeldungen wegen unab sichtlich versäumter Zahlung der ersten Jahresgebühr als zurückgenommen gilt. Hierin liegt eine Härte des Gesetzes, die der Gesetzgeber nicht vorausgesehen hat und die deshalb den Wunsch nach einer Aen- derung nahe legt. Die Zahl der Nichtigkeitsanträge hat im Jahre 1892 den niedrigsten Stand (58 gegen 134 im Jahre 1880) seit dem Bestehen des deutschen Patentgesetzes erreicht. Im Einklang hiermit steht die Abnahme der vernichteten und zurückgenommenen Patente um 52,17%. Die Beschwerden, ein Prüfstein für die Hand habung des Patentertheilungsverfahrens , haben im Jahre 1892 gegen das Vorjahr um 47,24 %, gegen das Jahr 1890 sogar um 59,25 % abgenommen. Es steht zu erwarten, dafs eine noch weitere Abnahme in Zukunft zu verzeichnen ist, wenn das neue Patentamt in seinen Anschauungen noch mehr sich gefestigt hat. Ganz verschwinden werden aller dings die Beschwerden niemals, weil die Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit, welche das Patentamt abzuwägen hat, zu heterogener Natur sind. Bedauerlich ist die Abnahme der Einsprüche, welche eine erspriefsliche Handhabung des Patent gesetzes erschwert. Es mufs immer wieder darauf hingewiesen werden, dafs das bei uns eingeführte System der Vorprüfung der Patentanmeldungen auf zwei Factoren, dem Patentamt und den Gewerb- treibenden selbst, beruht. Wenn ersteres die Erfindung geprüft und als neu und patentfähig befunden hat, wird die Anmeldung öffentlich bekannt gemacht, um den Gewerben Gelegenheit zu geben, auch ihrerseits über die Patentfähigkeit sich zu äufsern und zwar ganz besonders im Hinblick auf die offenkundige Be nutzung der Erfindung, welcher aus naheliegenden Gründen eine noch so reichhaltige Literatur nicht schnell und umfassend genug folgen und über die auch durch Informationsreisen der Mitglieder des Patentamtes eine nur im entferntesten erschöpfende Kenntnifs nicht erlangt werden kann. Aufserordentlich hat sich die allerdings in der vorliegenden Statistik nicht berührte mündliche An hörung des Erfinders vor dem vorprüfenden Mitgliede (vergl. § 26 des Patentgesetzes) bewährt, welchem dadurch Gelegenheit gegeben ist, auf dem kürzesten Wege über den Erfindungsgegenstand sich zu unter richten und dadurch mifsverständliche Auffassungen desselben zu vermeiden. Patentanmeldungen, welche von dem angegebenen Tage an während zweier Monate zur Einsichtnahme für Jedermann im Kaiserlichen Patentamt in Berlin ausliegen. 9. Januar 1893: Kl. 18, M 7620. Kohlung von Eisen in der Giefspfanne durch Ziegel aus Kohle und Kalk. Johann Meyer in Düdelingen, Luxemburg. 12. Januar 1893: Kl 49, G 7.449. Verfahren zur Herstellung von Schaufeln. Gouvy & Gie. in Ober homburg, Lothringen. Kl. 49, Z 1114. Vorrichtung zur Erzeugung einer Stichflamme aus einem Davyschen Lichtbogen mittels magnetischer Felder. Dr. phil. HugoZerener in Berlin. Kl. 72, M 9276. Hydraulische Vorrichtung zum Heben von Geschützplattformen. Thomas Reese Morgan sen , John Reese Morgan, Thomas Reese Morgan jun. und William Henry Morgan in Alliance, Ohio (V. St. A). Kl. 72, S 6878. Aufsatz für Schnellfeuergeschütze. Emil Ritter von Skoda in Pilsen, Böhmen. 16. Januar 1893: Kl. 1, J 2826. Waschvorrichtung für Sand, Kies oder dergl. Nathan Jewett in Chicago (V. St. A.). Kl. 18, B 13929. Beschickungsvorrichtung für Herd- und dergl. Oefen. James Buchanau jun. in Brasenose Road, Liverpool, Grafschaft Lancaster, England. Kl. 20, K 10007. Locomotive mit selbstthätiger Einstellung der gekuppelten Achsen beim Befahren von Curven. C. Richard Klien und Robert Lindner in Chemnitz.