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Februar 1893. STAHL UND EISEN.“ Nr. 3. 101 mit Stolz dem Worte „Vom Fels zum Meere“ das andere an die Seite setzen können: „Von Metz zum Meere!“ — Wir können uns diesem Ausdruck der Freude, nur von ganzem Herzen anschliefsen. Haben wir doch die Genugthuung, dafs die in unserm Blatte stets vertretene Anschauung: „Die Zu kunft Deutschlands hängt von dem Ausbau der Wasserstrafsen ab“, mehr und mehr als richtig anerkannt wird. Wir haben diese Anschauung zu einer Zeit vertreten, als man, zumal in Staatseisenbahnkreisen, vielfach die Wasserstrafsen für antiquirt erklärte, als ein Todfeind der Wasserstrafsen in dem auf Ver anlassung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten erscheinenden „Archiv für Eisenbahnwesen“ die verwunderliche Behauptung drucken liefs, dafs die Wasserstrafsen „unter Umständen, vom Stand punkte des Schutzes der inländischen Wirthschaft betrachtet, mehr Schaden als Nutzen stiften“. Es war das die Zeit in den achtziger Jahren, in der man in dickleibigen Broschüren theoretisch die Frage in Deutschland erörterte: „Kanal oder Eisenbahn?“, während Frankreich ' bereits in praktischer Ausführung des Programms Freycinet die einzig richtige Antwort auf die Frage gegeben : '„Kanal und Eisenbahn“. Der Kaiser wünscht den Bau des Moselkanals, des Mittellandkanals und anderer Kanalverbin dungen; er wünscht ein umfassendes Kanalnelz, damit das Getreide vom Osten nach dem Westen und die industriellen Erzeugnisse des Westens nach dem Osten auf dem Wasserwege befördert werden können. Auch diese Ansicht ist von jeher in unserm Blatte vertreten worden. Als man uns auf dem sogenannten „Mosel landtage“ in Coblenz vorwarf, wir verträten ein seitige Interessen, wenn wir den Ausbau des Moselkanals befürworteten, konnten wir mit Stolz darauf hinweisen, dafs die „Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller“ noch niemals dem Ausbau irgend einer, einem andern Bezirk zu gute kommenden Verkehrsstrafse entgegengetreten sei, da sie in richtiger Erkenntnifs der Thatsache, dafs jede Verkehrsge 1 egenheit den Verkehr selbst und damit Handel und Wandel überhaupt fördere, jede weitere Entwicklung unseres Verkehrs, auch den Ausbau neuer, unmittelbar nur anderen Bezirken zu gute kommender Strafsen, mit Freuden begrüfst habe und dafs sie den Moselkanal nur als ein Glied — wenn auch das Wichtigste und Nothwendigste — in der Kette der neuzuschaffenden Wasserstrafsen betrachte. Auch in dieser Ansicht haben wir Recht behalten und wir freuen uns deshalb doppelt, dafs mehr und mehr die Richtigkeit des Satzes zur allgemeinen Anerkennung gelangt: „Die Zukunft Deutsch lands hängt von dem Ausbau der Wasser strafsen ab. j) r w. Beumer. Ueber den Thomasprocefs in Belgien. Ueber den Thomasprocefs sind vor kurzem aus der Feder der belgischen Ingenieure Gh. Palgen und F. Tordeur zwei Abhandlungen* erschienen, die an sich zwar Lob verdienen, aber verhältnifsmäfsig wenig Neues über den eigent lichen Stahlprocefs dem Leser von „Stahl und Eisen“ bringen. Wir beschränken uns deshalb darauf, über den Thomasprocefs selbst nur Einiges aus den umfangreichen Mittheilungen wiederzu geben und ausführlicher nur über die Erzeugungs kosten in Belgien sowie in Luxemburg (Düde- lingen) und in Frankreich (Longwy) zu berichten, für welche wir bei unseren Lesern ein gröfseres Interesse voraussetzen. Allgemeine Anordnung der Thomas werke und Apparate derselben. Die älteren Thomashütten, z. B. das Thomaswerk zu Angleur, hatten zwei Converter, welche einander gegenüber * Ch. Palgen, Studie über die Fabrication von Thomasstahl (Mmoires de l’Union des Ingenieurs de Louvain, 1892); F. Tordeur, Mittheilungen über die Stahlfabrication nach dem Thomas-Gilchristschen Verfahren (Revue universelle des Mines u. s. w., October 1892). 111.13 angeordnet waren und von einem Gentraikrahn bedient wurden. Um mit dieser Einrichtung die gleiche Production wie beim sauren Procefs zu erzielen, waren für den Thomasprocefs zwei gleiche Gruben erforderlich, so dafs von den vier Convertern stets nur einer in Betrieb war. Eine ökonomisch vortheilhaftere Einrichtung besteht in der Anwendung einer Grube mit drei im Halbkreis um einen Centraikrahn angeord neten Convertern: nach dieser Anordnung sind die Thomaswerke zu Mont-Saint-Martin (Fig. 1) bei Longwy angelegt. Um bei dem Thomas betrieb mit einem Converter stets einen regel- mäfsigen, ununterbrochenen Betrieb zu erzielen, müssen, wegen der häufigen zeitraubenden Repa raturen der Ausfütterung und Converter, wenig stens drei Converter vorhanden sein. Eine solche Anlage ist nach Angabe des Verfassers für eine tägliche Production von nicht über 250 t Stahl geeignet.* Will man dagegen eine bedeutendere * Bei den in Rheinland-Westfalen nach diesem System ausgerüsteten Anlagen läfst sich bequem eine Production von 600 bis 650 t Stahl in 24 Stunden erzielen. Anm. des Uebers. 2