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100 Nr. 8. „STAHL UND EISEN.* Februar 1893. Rasenerzen und Puddelschlacken zur Verfügung. Nachdem indessen die Rasenerze nahezu abgebaut, dieVorräthe an Puddelschlacken — vor Einführung des Thomasverfahrens waren die phosphorreichen Puddelschlacken unverwendbar — erschöpft sind, der Puddelprocefs inzwischen infolge Einführung des Thomasprocesses fast gänzlich zum Erliegen gekommen, hat die niederrheinisch-westfälische Hochofenindustrie sich genöthigt gesehen, eine grofse Menge von Puddelschlacken und Erzen aus dem Auslande, aus England, Frankreich, Belgien, Schweden und Spanien, zu beziehen. Da aber auch in diesen Ländern die Vorräthe an Puddel schlacken nahezu erschöpft, ist der Preis dieses Materials aufs doppelte gestiegen und wird die rheinisch-westfälische Hochofenindustrie gezwungen sein, sofern derselben nicht ein billiger Bezug für die an der oberen Mosel in kolossalen Mengen abgelagerten phosphorreichen Minette-Erze eröffnet wird, ihre Werke nach Lothringen, an die Grenz marke des Reichs, zu verlegen. Die derzeitigen Eisenhahnfrachtsätze sind so hoch, dafs sich gegen wärtig ein Bezug der armen Minette-Erze nicht lohnt. Die Werke in Westfalen und am Nieder rhein sind daher genöthigt, die gröfste Menge ihres Erzbedarfs aus dem Auslande zu beziehen. Noch in den jüngsten Tagen haben wir festgestellt, dafs allein sechs am Niederrhein belegene Werke in Jahresfrist 700 000 t = 70 000 Doppelwaggons Erze bezw. Puddelschlacken im Werthe von zehn Millionen Mark aus dem Auslande bezogen haben. Die gröfste Menge dieser Erze würden diese Werke aus Lothringen bezogen haben, wenn eine leistungs fähige Wasserstrafse vorhanden gewesen. Da nun die in Westfalen und am Niederrhein belegene Eisen- und Stahlindustrie die Hauptträgerin des Exports ist, die ausländische Goncurrenz indessen immer schärfer auftritt, so ist das Bestehen dieser ausgedehnten Industrie und die Erhaltung des Exports von der Beschaffung billiger Erze im hohen Grade abhängig. Ew. Majestät Regierung ist der Frage der Kanalisirung der Mosel insoweit näher getreten, als dieselbe auf Kosten der Inter essenten Bau- und Kostenanschläge hat anfertigen lassen bezw. noch anfertigen läfst. Weiter ist die Angelegenheit, welche schon seit nahezu zehn Jahren angeregt, nicht gediehen, und geht unsere unterthänigste Bitte dahin: Ew. Majestät wolle sich dieser Sache annehmen, damit dieselbe nach Möglichkeit gefördert werde. Wir glauben das um so mehr hoffen zu dürfen, da Ew. Majestät aus der Denkschrift entnommen haben werden, dafs die Kanalisirung der Mosel nicht allein die Interessen der Eisen- und Stahlindustrie fördert, sondern weiten Kreisen der Schiffahrt, des Handels und der Land- und Forstwirthschaft, zu gute kommt.“ Während dieses Vortrags nickte der Kaiser wiederholt zustimmend und bekannte sich dann in der Antwort als warmen Freund der Wasser- strafsen. Die Zukunft Deutschlands hänge von dem Ausbau der Wasserstrafsen ab und er glaube, dafs eine grofse Reihe von Bahnen unterer Ord nung bei dem Vorhandensein eines geeigneten Kanalnetzes überflüssig gewesen sein würden. Er hoffe auf den Ausbau unserer Wasserstrafsen, des Moselkanals, des Mittellandkanals und anderer Kanäle, um so mehr, als dadurch die Möglichkeit gegeben werde, das Getreide des Ostens zum Westen und die industriellen Erzeugnisse des Westens zum Osten auf dem Wasserwege zu bringen. Allerdings sei ja bei den einzelnen Vorhaben eine durchaus genaue Prüfung der Pläne nothwendig, dieselbe werde gegenwärtig in den Ministerien vorgenommen. Er werde sich dieselben vorlegen lassen und man könne seiner Förderung gewifs sein, wenn die Finanzlage des Staats die Verwirklichung gestatte, was er hoffe. Er vertraue zugleich, dafs die Interessenten und die betheiligten Städte die Kanalvorhaben fördern würden, die Städte namentlich durch die Ueber- nahme der Hafenanlagekosten. Der Wortführer der Abordnung betonte, dafs die Interessenten bereits durch Erklärung den Ministerien gegen über ihre Bereitwilligkeit, eine gewisse Zins bürgschaft zu übernehmen, ausgesprochen hätten und dafs die übrigen Factoren zweifellos nach folgen würden; dafür bürge die in diesen Kreisen vorhandene Kenntnifs der überaus grofsen wirth- schaftlichen und politischen Bedeutung des Mosel kanalvorhabens. Der Kaiser wies dann noch darauf hin, dafs leider die Landwirthschaft dem Ausbau der Kanäle noch nicht mit der wünschens- werthen Lebhaftigkeit gegenüberstehe, was sich aber im Laufe der Zeit zweifellos ändern werde. Der Wortführer der Abordnung konnte darauf hinweisen, dafs erfreulicherweise gerade bei dem Moselkanal die Landwirthschaft, die in hervor ragendem Mafse im rheinischen Provinziallandtage vertreten sei, durch das in letzterer Körperschaft einstimmig beschlossene Votum für die Kanali sirung der Mosel gezeigt habe, dafs sie den hohen Werth der Kanäle sehr zu schätzen wisse. Der Kaiser berührte dann noch kurz die Frage der Stellung Luxemburgs zum Moselkanal und entliefs die Abordnung mit der nochmaligen Versicherung, dafs er ein warmer Freund der Wasserstrafsen sei, in gnädigster Weise. Wir freuen uns auf richtig dieses Ergebnisses. Nicht allein in den Kreisen der niederrheinisch-westfälischen Industrie, sondern in den Handelsstädten am Rhein und an der Mosel, in landwirthschaftlichen Kreisen des Mosel- und Rheinbezirks und namentlich auch im Reichslande wird man mit Freuden davon hören, dafs. der deutsche Kaiser ein so warmer Freund der Wasserstrafsen im allgemeinen und des Moselkanals im besondern ist. Diese Schiffahrtsstrafse stellt die Verbindung der Reichs lande mit Altdeutschland und zum Meere dar, und wenn der Moselkanal erbaut ist, wird man