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232 Nr. 4. »STAHL UND EISEN.“ April 1883. struction völlig correct ausgerüstet, und bedient waren. Unter einer correcten Ausrüstung werde ver standen, dafs alle Bremsapparate des Zuges einer und derselben modernen Construction angehören, dafs alle Frictionsrollen-Rahmen angemessen belastet sind, dafs alle Auslösungsapparate übereinstimmend aufge hängt sind, dafs die Verbindungsleine mit ihren Haken und ihrer Führung vollkommen in Ordnung, und dafs die Locomotive mit einer Dampfhaspel aus gerüstet ist. Die Anforderungen an eine gute Schnell- bremse, nämlich Einfachheit, leichte Verständlichkeit und Controlirbarkeit, Dauerhaftigkeit und Unabhängig keit von der Witterung, sowie schneller Eintritt der Bremswirkung, würden nach den bei der Militär- Eisenbahn gemachten zweijährigen Beobachtungen und Erfahrungen von der Heberlein-Bremse neuester Construction in ausreichendem Mafse erfüllt. Der der Heberlein-Bremse vorgeworfene Uebelstand, dafs das Bremsen ein unangenehm stofsweises sei, lasse sich dadurch beseitigen, dafs die continuirliche Bremsleine schon an der Hinterwand des vorletzten-Wagens durch den doch nicht entbehrlichen Schlufsbremser von Hand bedient, oder dafs — bei durchweg continuir- licher Bedienung — der Schlufsapparat entsprechend stärker belastet werde. Redner ist erfreut, dafs die besonderen Vorzüge der Heberlein-Bremse anerkannt worden sind und wünscht, dafs man weitere Verbesse rungen der Heberlein-Bremse, ebenso wie dies für die Carpenter - Bremse in Aussicht genommen sei, nicht aus den Augen verlieren möge. Herr Eisenbahn-Maschinen-Inspector Garbe, als Gast anwesend, trat den Ausführungen des Oberst Golz in betreff der Heberlein-Bremse vollkommen bei und machte noch auf die Details einiger neuer Ver besserungen derselben aufmerksam. Herr Ingenieur Kapteyn aus London, als Gast an wesend,''"bemerkte, dafs die Complicirtheit des Func tionsventils der Westinghouse-Bremse kein Hindernifs gegen deren Einführung sei und dafs durch die von Carpenter gemachten Verbesserungen, um das Func tionsventil zu vermeiden, anderseits wieder Compli- cationen herbeigeführt seien, welche sich im Betriebe störend erweisen würden. Herr Generalmajor von Kessler bedauert, dafs eine so geringe Hoffnung auf die Anwendung einer conti- nuirlichen Bremse in aufsergewöhnlichen Betriebs fällen, z. B. bei grofsen Militärzügen, gemacht worden sei, zumal in solchen Zeiten das Personal schon auf das äufserste angespannt werde, und spricht die Zuversicht aus, dafs es mit der Zeit auch gelingen werde, in dieser Beziehung zu einem günstigen Er- gebnifs zu gelangen. Herr Eisenbahn - Maschinen - Inspector Wichert er widert auf die gemachten Einwendungen, dafs die Einrichtungen der Bremsen bei den Versuchen durch die Vertreter der verschiedenen Bremsgesellschaften selbst bewirkt worden sind und diese sich schriftlich dafür erklärt haben, dafs diese Einrichtungen den Anforderungen entsprochen haben; es müsse hiernach angenommen werden, dafs auch die Heberlein-Bremse ihrem damaligen Standpunkt der Vollkommenheit ge nügt habe; es könne nicht bezweifelt werden, dafs wesentliche Vereinfachungen und Verbesserungen, wie an allen anderen Bremsen, so auch an der Heberlein- Bremse noch zu erwarten seien; die Möglichkeit sol cher Verbesserungen hätte jedoch keinen Grund ab geben können, den Abschlufs dieser so hochwichtigen Frage ins Ungewisse zu verzögern. — Die Lage und Zukunft der Stahlindustrie. Der bekannte belgische Statistiker Paul Trasenster veröffentlichte vor kurzem in der »Revue universelle des mines« eine interessante Uebersicht über die ge genwärtige Stahlproduction und Consumtion der Welt und knüpfte daran. unter vorzugsweiser Berücksich tigung der Stahlschienen, Betrachtungen über die Aussichten, welchen die Stahlindustrie in den näch sten Jahren entgegengeht. Bei dem Umfang der Tra- sensterschen Abhandlung müssen wir uns an dieser Stelle zu unserm Bedauern mit einem Auszug be gnügen. Im wesentlichen sagt der Verfasser: So lange noch die Eisenbahnschienen für ihre Herstellung den Löwenantheil der Bessemerstahl-Pro duction beanspruchen , wird der Schmiedeeisenmarkt noch verhältnifsmäfsig wenig durch den Wettbewerb bedrückt werden; sobald aber in dem Absatz von Schienen ein ausgeprägter und andauernder Nachlafs eintritt, wird gewalzter Bessemerstahl dem Schmiede eisen ein viel gefährlicherer Nebenbuhler werden, als dies bisher der Fall war. Trasenster stellt zuerst fest, dafs die Zahl der in Betrieb befindlichen Bessemerwerke der Welt 91 und die Zahl der Conventoren 280 sei; nach seiner Schätzung repräsentiren dieselben eine jährliche Lei stungsfähigkeit von 7 500 000 bis 8 000 000 t, ein- schliefslich von 1 000 000 t Tiegel- und Martin stahl. Was den Verbrauch anlangt, so stellt er denselben auf 3 480 000 t als Schienen und l 000 000 t als an dere gewalzte oder gehämmerte Erzeugnisse. Da also ungefähr drei Viertel der Stahlproduction zur Her stellung von Schienen dient, so ist es ungemein wich tig, sich über die Gröfse des dafür vorhandenen Be darfs Klarheit zu verschaffen. Im Jahre 1881 betrug die Schienenfabrication 4 185 000 t, hierunter unge fähr 700 000 t eiserne, von welchen allein die Ver einigten Staaten 566 000 verlegten. Der Verbrauch an Schienen in der ganzen Welt hat während der letzten zehn Jahre zwischen 2350000 t und 4 665 000 t geschwankt, d. i. im Durchschnitt 75 t pro Kilometer in Europa und 60 t anderwärts. Im Verfolg dieser Zahlen nimmt Trasenster den Schienenverbrauch des Jahres 1881 auf 4 185 000 t an, wobei er 1 510 000 t für neue Strecken und 3 665 000 t zur Auswechselung auf alten Strecken rechnet, indem er den augenscheinlichen Widerstreit der Zahl durch die Voraussetzung erklärt, dafs that sächlich 1 990 000 t der zur Verlegung gelangten Schienen bereits in dem vorhergehenden Jahr gefer tigt wurden. Er erkennt die Schwierigkeiten, welche sich einer genauen Feststellung der für seine Zwecke benöthigten Zahlen entgegenstellen, wohl an, gelangt indefs zu der Schätzung, dafs im Januar 1882 in den Vereinigten Staaten 210 000 Kilometer (als einfache Linien gerechnet!) Eisenbahnlinien gebaut seien, hier von 79 000 km oder 37 0/o mit Stahlschienen. Bel gien besitzt 260 000 t Stahl- und 270 000 t Eisen schienen auf seinen Strecken im Gebrauch, d. h. 49 pCt. Stahlschienen. Deutschland besitzt 58 000 km Eisenbahnlinien, hiervon 22 000 km oder 38 pCt. in Stahl. In England stellt sich das gleiche Verhältnifs auf 55 pCt., in Frankreich auf 50 pCt., in Rufsland auf 60 pCt., in Oesterreich-Ungarn auf 44 pCt., in Canada auf 75 pCt. und in den anderen Ländern auf 45 pCt. im Durchschnitt. Aus diesen Angaben zieht Trasenster seine Schlüsse. Er geht von der Annahme aus, dafs alle seit 1871 fabricirten Stahlschienen noch im Gebrauch sind, dies macht insgesammt 17 260 000 t. Nach Abzug eines gewissen Theiles für Vorräthe etc. verbleiben dann 15 000 000 bis 16 000 000 t thatsächlich am 1. Januar 1882 verlegte Schienen. Diese Zahl prüft er dann durch eine Berechnung der Meilenzahl mit dem pro Kilometer in den verschiedenen Ländern verlegten Gewicht und gelangt indem er eine Auswechselung von ca. 2 Millionen Tonnen seit dem 1. Januar 1882 und eine Production von 4 Millionen Stahlschienen in 1882 annimmt, zu der Schätzung, dafs die auf den Eisenbahnen der Welt in Gebrauch befindlichen Eisen-