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^S2. Unter Verantwortlichkeit der Rcdaction der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1839. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den IZ. Deeember 1839. Trösten Sie sich, meine sieben dunkel- oder helläugigen Dcukschländerinncn, wenn Sie zu Weihnachten keine Casabaika erhalten sollten, so sehr Sie sich auch darnach sehnen, denn ich kann Ihnen nun mit voller Gewißheit versichern, daß ihre Herrschaft von Tag zu Tage abnimmt und die Mode allge mach ihr Anathema über diesen russischen Aufdringling schleu dert, statt dessen trägt man jetzt kurze Mäntelchen mit Zobel oder andern Pelzen verbrämt. Sie nehmen sich sehr gut aus, insonders macht sich ihr klassischer Faltenwurf sehr interessant. Farben sind gewöhnlich kaffce- oder lichtbraun, auch wohl bcr- linerblau. Stoff natürlich Atlas oder schwere Seide. Es hat sich hier ein- Modenclique gebildet, welche denen kürzlich aufgekommcnen kleinen Hüten auf das heftigste oppo- nirt. Aum allgemeinen Scandal erschien unlän?,ff ,n einer Soiröe in der Rue St. Honorv die schöne Gräfin Ei -> que in einem ungeheuren Sammethute, dessen Bogcnrändcr eine Peripherie von zwei Fuß umschrieben. Jules Janin äußerte sich in seinem berühmten Feuilleton, dergleichen Hüte wären besonders für Damen geeignet, welche die Epaulette lieben, in dem sie einen ganzen uniformirten Generalstab ihrer Anbeter unter dem süßduftenden Schatten ihrer Kopfbedeckung versam meln, oder gegen Regen oder Sonnenschein schützen könnten. Eine noch muthwilligere Neuerung sind die Holzpantöffel chen, genannt llastuxnetto« aux piolls (Fußcastagnelten). Be kanntlich war der Sabot einst das Symbol der Sklaverei. Die Engländer haßten besonders die Franzosen, wegen der an rüchigen Holzschuhe, die sic trugen, jetzt sind dieselben durch Madame Düdcvant (G. Sand) wieder in Aufnahme gekom men; man muß sie sich aber keinesweges so plumb denken. Sie sind aus wohlriechendem Holze, z. B. Cedern, Nußbaum- Ahornholz, auf den Sohlen mit goldnen Nägelchen beschlagen, niedlich, wie die Pantöffelchen non Göthe's Philline gearbeitet und verdienen wirklich den Namen Fußcastagnetten, weil sie ein angenehmes Geklapper, ein unwillkührlichcs Concert, eine castagnettenartige Musik hervorbringen, wenn zwei oder drei Dutzend Damen mit diesen allerliebsten Grazienschuhcn in ei nem Salon herumtrippeln. Aber man wittert hinter dieser Erfindung eine nicht ganz unsträfliche Absicht. Rührt sie doch von Madame Düde- vant her,! Rur ein Blinder kann nicht sehen, daß ein solches Pantöffelchen in der reizenden Hand einer gereizten frauen- emanzipationssüchtigen Dame zur gefährlichsten Waffe wird. Ist schon der lederne Pantoffel eine ominöse Erscheinung, wie vielmehr erst ein hölzerner! Wie wenn die Dame plötzlich den Pantoffel vom Fuße zieht und einem geliebten Rebellen einen sanften Backenstreich versetzt! Ein so zart hingehauchter Dandy, wie cs deren in unfern Tagen unzählige giebt, kann von der Berührung einer solchen duftigen Holzsohle eben so leicht er schlagen werden, als die Fliege von der Flicgenklapper. Wirk lich kam eine ähnliche Geschichte in der Gazette de Tribünaur vor, der man allerdings nicht unbedingten Glauben schenken darf. Eine schwarzäugige Dame soll vor den Assisen gestanden' haben, weil sie ihren Anbeter durch einen unzarten Backen streich mit dem Pantöffelchen auf drei Tage seines, ohnehin nicht sehr festen, Verstandes beraubte. In den Coiffüren der Damen herrscht noch immer ein einfacher Blumenschmuck vor, beliebt sind vorzüglich die Dah lien, Tulpen und unter der Noblesse der Faubourg St. Ger main noch immer die Lilien. Das Haar selbst fällt in zarten Flechten nach vorn herab und ist gewöhnlich mit Satin- oder Sammetbändern auf eine sinnige Weise durchflcchten. Einige Damen haben diese erstere Mode benützt, um den Selam (i. e. die Blumensprache) cinzuführcn. Sie geben nämlich auf einem Balle durch die Arrangirung der Blumen ihren Vereh rern ihre jedesmalige Empfindung zu erkennen. — Nächstens werde ich der Herren in einem möglichst gro ßen Aussatze gedenken, da hinsichtlich ihres Anzuges, wie man sich in den hiesigen diplomatischen Zirkeln zuflüstert, wichtige Neuerungen vorfallen .o.cden, und man dies mit dem al- gierischen Kricgstreiben in Verbindung brr,Bis dahin Ihre rc. Kleine Weltschau. England. Es ist gut, daß die Königin Victoria sich nun bald in den Stand der heiligen Ehe begiebt, damit sich die Zahl der ungebctncn Freier vermindre. Neulich erschien schon wieder ein wahnsinniger Fabrikant aus Manchester. Er sagte zum Portier im Schlosse: „Ich bin der König von Eng land, führe mich zu meiner Gemahlin." „Sehr gern, Ew. Majestät," erwiederte der Thürhüter, der sogleich den Zustand des Ankömmlings bemerkte, „aber-gedulden sich Höchstdieselben nur so lange, bis ich meinen Hut geholt habe. Die Majestät geruhte, sich zu gedulden. Der Portier ölte Leute herbei und der Wahnsinnige ward in Gewahrsam gebracht. Paris. Hier herrschte im ersten Augenblick großer Schrecken, als Abdel Kader von Neuem den Kriec erklärt hatte; doch erholte man sich bald und beschloß, eine Armee von vierzigtausend Mann nach Afrika zu schicken, um dem kriegslustigen Emir die Wege zu weisen. Ucbrigcns soll letzterer über hunderttausend Mann gebieten und namentlich von dem Kaiser von Maroto sehr unterstützt werden. Alle den Fran zosen bisher befreundet gewesene arabische Stämme gehen zu Abdel Kader über —, welcher einen heiligen Krieg procla- mirt hat.