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Goldner Spiegel. Die ^cmlcmis francaiss hat bekanntlich das cigenthüm- liche Privilegium, in ihrer öffentlichen Jahressitzung die Tu gendpreise zu vertheilcn und die besten moralischen Werke zu krönen. In der diesjährigen Sitzung waren die Laureaten der ersten Kategorie sehr zahlreich, und es ergab sieb das Resultat, daß ungeachtet alles Geschreies über Immoralität der Zeiten, die Tugend, namentlich in den niederen Klassen, einen treuen Stamm hat. Die Preisgekrönten sind meist Dienstboten, welche sich durch lange, treue Dienste, oder durch einzelne, ausgezeichnete Handlungen, hervorgethan haben. (Mitternachtszcit.) Miszellen. In London ist ein wirklicher Vampyr angckommcn. Die Menge strömte sogleich nach dem Schiffe, in dem sich das außerordentliche, mit so viel schrecklichen Sagen von jeher aus geschmückte Thier befand. Es wurde in die Gärten von Surrcy transportirt, wo cs bleiben soll. Kein Thier von der Familie der Vampyre ist noch je lebendig nach England ge kommen; dieser ist von der Race, die man auf Sumatra findet. Das Ansehn des Vampyrs ist scheußlich und rechtfertigt vollkommen den Beinamen, den ihm Linnäus gegeben hat: respertilio Spectrum. Er hängt beständig mit den Krallen, die sich am Ende seiner Flügel befinden, am obersten Theile seines Käfigs. Dabei läßt er den Kopf hängen, in welchem seine Augen mit ungewöhnlichem Glanze umherrollcn. Dazara, der berühmte Naturforscher, behauptet, daß der Vampyr selbst Pferde, Maulthicre angrcift. Das Thier, welches . t in der Regel am Krebs. Dtr- aß dieser improvisirte Wundarzt er aus dem Lande schlief, zur Augenblicke des Aderlasses die iMunv. - - sauger nur sanft aus den Kapil ¬ largefäßen der Haut zieht, ohne die Pulsadern oder Venen zu verletzen, und während seiner verstohlenen Operation sein Opfer durch das Flattern seiner Flügel in Schlummer fächelt. Anekdote von Tallcyrand. Dieser große Staats- ..iann hatte ein sehr gutes Mittel erfunden, die Schriftsteller, welche ihm ihre Werke schickten, los zu werden. Er ließ sie nie auf ein Danksagungsschrciben warten; gleich den Tag daraus enhieltcn sie einen allerliebsten Brief, worin Tallcyrand sagte: „Ich bin überzeugt, daß cs mir eben so viel Vergnü gen machen wird, Ihr Buch zu lesen, als es mir angenehm war, dasselbe zu empfangen. Diese schnelle Beantwor- ng, sagte Tallcyrand, hat das Angenehme, daß man sich urch die Mühe, da« Buch zu lesen, erspart, wogegen man, .. nn man mehrere Tage verstreichen läßt, Höflichkeit« halber gcuöthigt ist, zu lügen. Eine sonderbare Corrcctionsanstalt befindet sich in Amsterdam. Sie giebt unter andern ein Mittel an, die Faulen in Bewegung zur Arbeit zu bringen. Die Faulen werden in eine wasserdichte Zelle gesperrt, in welche fortwäh rend so viel Wasser fließt, als ein thäliger Mensch auspum- pcn kann. Nun hcißt's: Pumpe oder ertrinke! Die Faulen pumpen was das Zeug hält, um ihr Leben nicht im Ertrin ken zu verlieren, und werden also fleißig. Bei uns ist eS umgekehrt, die Faulen pumpen, um faul zu bleiben, und um recht viel zu trinken! — Sonderbarer Selbstmord. Der Bekannte Londoner Bajazzo, Grimaldi, lebte mit seiner Frau nicht eben in der besten Ehe. Sie zankten sich oft mit einander, und die Feind seligkeiten nahmen endlich einen so ernsten Charakter an, daß sie nach einer Berathung über ihre Unverträglichkeit über dos einzige Mittel Übereinkommen, das ihrem Zustande ein Ende machen könnte, und sich demnach entschlossen, sich das Leben zu nehmen. Grimaldi ging in eine Apotheke in der Nähe und verlangte eine Unze Arsenik, „um Ratten zu vergiften." Der Apotheker gab dem ihm wohlbekannten Grimaldi dicD.- sis, die, wie er glaubte, hinreichen werde, ihn von allen Erdenübcln zu befreien. Die beiden Eheleute theilten das Gift ehrlich, nahmen cs in einem Glase Wasser ein und umarmten einander. Die Frau legte sich darauf im Schlafzimmer auf das Bett, der Mann auf das Sopha in der Wohnstube. Die Thüre zwischen beiden ließen sie offen stehen, Thränen füllten Bei der Augen; es folgte eine lang» feierliche Stille; man hörte kein Stöhnen, nicht einmal Seufzer dec Angst; alles war still, wie das Grab. Endlich richtete Grimaldi, dem vor bangem War ten die Geduld ausging, den Kopf empor und rief im aller leisesten Tone seiner Stimme: „Liebe Frau, bist du todt?" — Madame Grimaldi antwortete darauf in dem möglich höchsten Tone: „Rein, Grimaldi." Der Mann brummte etwas wie „verflucht!" in den Bart. Es verging wieder eine halbe Stunde, die Neugierde quälte die Frau, da sie keinen Laut in dem Nebenzimmer hörte, und sie fragte: „lieber Grimaldi, bist du todt! „Grimaldi antwor tete verdrießlich: „nein, Frau." So wurde zwei Stunden lang periodcnweise hinüber und herüber gefragt, bis die Reihe end lich wieder einmal an der Frau war und sie in ziemlich ge reiztem Tone und ärgerlich laut rief: „Grimaldi, bist du denn noch nicht todts" — „Nein, liebe Frau," antwortete Gri maldi, „ich bin noch nicht todt, auch glaube ich nicht, daß ich diese Nacht sterbe, ich müßte denn verhungern; ich habe fürchterlichen Appetit, stehe auf und hole etwas zu essen." So endete die Geschichte. Der Apotheker, der von den fort währenden Zänkereien des Ehepaares gehört, hatte klüglicher- wcise statt des Arseniks Magnesia gegeben, welche die beiden gethcilt, zu sich genommen hatten. — . In dem bedeutenden, mehr als 80000 Einwohner zählen den Marktflecken Pavoye aus der philippinischen Hauptinsel Luzon bei Manilla, besteht eine sonderbare Stadtmiliz. Es