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und das Mittelgut. Unter den sieben kommt aber zweimal die Bezeichnung „Erbe" vor (das schmale und das breite Erbe). Dieser Flurname deutet aber auf das gebesserte Grundrecht deutscher Kolonisten und damit auf Rodung und einstigen Waldbestand. Die Ortsnamenlage der näheren Umgebung ist sehr interessant. Ueber diese ist wohl noch ganz wenig gearbeitet worden, aber ihr Vergle ch ist überzeugend: Wenn Orte mit Wendisch- und Deutsch- sonst aber gleichnamig benannt werden, so liegt stets der Wendisch- genannte Ort näher dem Gefilde als der mit Deutsch- gebildete Ortsname. Oft sogar liegt der Ort beträchtlich vom andern entfernt, was wohl aus die einstige Gründung in der Zeit der Wiederein deutschung des Landes zurückzuführen ist. Man vergleiche die Lage der oberlausitzischen Dörfer: Wendisch- und Deutsch-Baselitz (nahe) „ „ „ Paulsdorf lentfernt) „ „ „ Cunnersdorf „ „ -Sohland und Sohland (nahe). Dabei beachte man, daß die mit Wendisch- gebildeten Orts namen stets näher nach Bautzen zu liegen als dem Mittel punkt des einstigen Gefildes. Wendischossig jedoch liegt nicht näher nach dem vermeint lichen Gau Besunzane um die Landeskrone, sondern liegt nach Süden zu, nach dem wahren Ostgau der Oberlausitz zugewandt, nach dem Zagost. Hätte Zecht Recht, so müßte der Ort Wendischossig landlskronenwärts von Deutschossig aus liegen. Bemerkt sei dabei, daß auch Wendischossig bereits ein Kolonisationsdorf ist und auf Urwaldboden steht, nur liegt es dicht am Rande des Zagost. Die Ortsnamen lage der deutschen Dörfer zu beobachten ist ebenfalls sehr interessant, bestimmte Ortsnamenformen treten an den Rodungspforten des Urwaldes auf, andere tiefer im U,wald- gebiet und zeichnen so deutlich den Gang der Rodung in zeitlicher Gliederung nach. Darüber später! Die Gemarkungsgröße ist für Gefilde gleichfalls anders als für Rodungsorte. Letztere haben fast stets eine außerordentlich große Ortsflur (20 und mehr qkm kommen sogar vor), dagegen haben die in einem Gefilde liegenden Ortschaften stets eine kleine oder mittlere Größe der Orts mark. Man blicke auf die Grundkarte und sehe sich die Ortsfluren um Bautzen und Seidenberg an: Kleine und kleinste Landstücke, ein Gewimmel von winzigen Orts marken bedeckt die Karte. Dagegen liegen um die Landes krone herum nur große Ortsgemarkungen und mehrere mittlere, die jedoch Gutsbesitz sind. Alsö auch aus diesem Anzeichen kann man keinen Beweis eines Gaues bezw. Gefildes um die Landeskrone herleiten. Sie sprechen wie die vorhergehenden dagegen. Die Flurformen nun, ein ganz besonders wichtiges Hilfsmittel für die Urlandschastsforschung, sind mit Aus nahme der Gutsfluren durchweg Waldhufen.. Diese liegen nur auf Rodungsgebiet. Wir vermissen durchaus die für ein Gefilde charakteristischen Blocksluren, wie sie zu Hun derten geschart um Bautzen und Seidenberg liegen. Hier bezeugen sie alte Besiedlung, an der Landeskrone liegen nur Rodungsformcn, die hier einen Urwaldbestand anzeigen. Auch die Ortsformen sind für die Urlandschafts forschung wichtig. Weiler — nicht Rundlinge — sind die Ortsform der wendischen Bevölkerung, die als letzte von verschiedenen vorgeschichtlichen Sicdlerschichten auf dem Gefilde und späterhin in dessen Randzone saßen. Derartige Weiler suchen wir vergeblich an der Landeskrone, dagegen sehen wir hier im Westen das ausgesprochene Bachdorf Pfaffendorf liegen und im Norden die unentwickelten Bach dörfer Schlauroth und Rauschwalde, selbst Groß-Biesnitz könnte man mit hierher rechnen. Kleinneundorf und Po- sottendorf im Süden und Osten jedoch sind wieder ausge sprochene Bachdörfer: Rodungsortschaften. Einzig Kunner witz, Kleinbiesnitz und vielleicht auch das in seinem Cha rakter unklare Großbiesnitz könnten u U. als Gutsweiler für ein Gefildeanzeichen gehalten werden. Doch verweise ich auf das von R. Zecht selbst entdeckte Klephelswalde, das doch sicher ein Rodungsort ist, der sich aber auch nicht zu einem Bachdorfe entwickelt hat. Mit R. Zecht müssen wir annehmen, daß sich in und um Görlitz schön sehr zeitig, mindestens vor 1200 verschiedene Gutshöse befanden, die Lehnsgüter für die milites, die Ritter waren, die an dieser wichtigen Stelle der Kreuzung einer vorgeschichtlichen Nord südstraße mit einem frühgeschichtlichen Westosthandelswege die Interessen des Landesherrn wahrnahmen. Zn ihrem Unterhalt ward ihnen ein Lehn gegeben. Da sich an dieser Stel'le derartige Lehnsgüter häufen, so muß man auch an nehmen, daß die landskronenwärts gelegenen kleinen Ort schaften sich aus solchen und nicht aus ursprünglich slavi- sehen Weilern entwickelten. Die „geschlossene Masse Wenden", die Zecht NLM. 1923 S. 21 um 1300 vermißt, ist in der Görlitzer Gegend nie vorhanden gewesen. Für die Eindeutschung der „zweifellos ursprünglich zahlreichen wendischen Flurnamen" bei Görlitz gibt es keine Belege, desgleichen fehlen solche für die Umlegung wendischer Dorf fluren (Blockformen) in deutsche (Waldhufen). Zm Gegen teil müssen wir feststellen, daß gerade Zecht es war, der die Langlebigkeit alter Fluraufteilung durch seine Wiederent deckung der Görlitzer Königshufen auf der heutigen Stadt flur aus dem XI. Jahrhundert schlagend erwies. Die Zähig keit des Lebens solcher Wirtschaftseinrichtungen und die Schwierigkeit einer Flurumlegung wird ständig unterschätzt. Wir müssen feststellen, daß die Ortssormen keinen bündigen Beweis für die Existenz eines Gaues um die Landskrone liefern, daß sie vielmehr gegen diese Annahme sprechen und daß sich die kleinen Unregelmäßigkeiten aus der Orts geschichte genügend erklären lassen. Die Waldverbreitung an der Landskrone ist auch heute noch recht stark. Von Kunnerwitz und Großbiesnitz aus ziehen sich neißewärts ebenso Waldzungen hin wie vom Steinberge, der zwischen beiden Orten liegt. Die Urland- schaftssorschung hat erwiesen, daß die Stellen, die heute bewaldet sind, in der Zeit der waldgünstigen Klimalage vor und um 1000 auch bewaldet waren. Die Gegend des Zecht- schen Besunz-Gaues ist dann aber so stark noch durch Wie- sengrllnde geschmälert, daß ich die Frage aufwerfen möchte, wovon haben sich die 1000 Krieger mit ihren Frauen und Kindern ernährt, die in der urds Lusina von Thietmar bezeugt werden? Doch davon gleich mehr. Wir haben gesehen, daß die Siedlungsgeschichte und Ur landschaftsforschung uns keine Möglichkeit bietet, der Zecht- schcn Gau-Hypothese an der Landeskrone beizutretcn, daß mit den Forschungsmitteln beider Wissenschaften nur das Gegenteil erweisbar ist, daß nämlich an d r Landeskrone vor und um 1000 noch Urwaldgebiet war. Mit unfern heutigen Forschungsmitteln kann man Zecht nicht recht geben. Nun aber zur Betrachtung der vorgeschichtlichen Verhält nisse an der Landeskrone. Aus der Zeit des waldunaün- stigsten Klimas, aus dem 2. vorchristlichen Jahrtausend, haben wir auch in dieser Gegend zahlreiche Siedlungs-