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Unsere Lausitzer Raubvögel H. Kramer, Niederoderwitz 1. Der Wanderfalke nter dem wenigen Guten, das die Nachkriegszeit gebracht bat, ist vor allem die wachsende Liebe AWD unseres Volkes zur Heimat zu nennen. Diese zeigt sich natürlich auch in der Pflege der Natur. Man hat sogar in unserm hochkultivierten Lande nach Naturdenkmalen gesucht und sie auch gefunden, um nun die Erhaltung derselben mit rühmlichem Eifer zu be treiben. Interessante geologische und botanische Überreste unserer ursprünglichen Natur sind nicht zu selten. Man ver sucht aber auch Tiere bei uns zu erhalten, die ehemals unsere Landschaft belebten, jetzt aber dem Aussterben oder Ver schwinden nahe sind. So wird aus weidmännischen Rück sichten im Zittauer Gebirge das Auerwild gehegt. In man chen Revieren scheint man auch Grimbart, dem Dachs, nicht sonderlich nachzustellen: denn befahrene Baue dieses Gries grams sind in unfern Wäldern jetzt bedeutend häufiger als vor dem Kriege. Mit besonderer Freude erfüllt es aber den Naturfreund, daß das Wanderfalkenpaar des Oybin, das letzte der Oberlausitz, seit einigen Jahren den Schutz der Stadt Zittau genießt. Bon diesem soll im folgenden Einiges berichtet werden. Der Wanderfalke ist kein mächtiges Tier, und derjenige, der ihn zum ersten Male sieht, wird leicht von ihm enttäuscht sein. Bei den Raubvögeln finden wir als Merkwürdigkeit, daß die Weibchen die Männchen an Größe und Stärke be deutend übertreffen. So erreicht das Männchen des Falken nur die Größe einer Krähe, während seine Gemahlin fast einem Bussard gleichkommt. Ihre Oberseite ist graublau oder bräunlich, die Unterseite dagegen weiß und gesperbert. Als Kennzeichen der Art zieht sich vom Mundwinkel ein breiter schwarzer Bartstreifen in das Weiß des Halses hinab, weswegen der Bogel in manchen Gegenden treffend Schwarz backen genannt wird. Uber seinen Rücken scheint ein feiner mohnfarbener Schimmer ausgegossen zu sein, der bei ge wisser Beleuchtung den sreisliegenden Bogel schon auf kurze Entfernung fast unsichtbar macht. Obgleich der Falke als einer unserer besten Flieger ge priesen wird, gewährt er bei seinem gewöhnlichen Fluge keinen schönen Anblick. Er eilt nämlich meist mit hastigen, kurzenFlügelschlägen.scheinbar buckelig,dahin. Sein Können zeigt sich erst beim Schweben und Kreisen oder beim pfeil schnellen Stoß aus Beutetiere. Der letztere ist so geschwind, daß der Vogel, aus der Nähe betrachtet, nur unbestimmte Umrisse zeigt. Seine fabelhafte Schnelligkeit wird nur da durch erreicht, daß der Stoß in gerader Linie schräg von oben nach unten geht, so daß die Schwerkraft noch beschleunigend wirkt. Der Falke vermag infolge dieser Eigentümlichkeit seines Stoßes nur fliegendes Wild in freier Luft zu fangen. Die Jagd im Walde oder am Erdboden könnte ihm zu leicht verhängnisvoll werden. Junge Bögel, die soeben von ihren Eltern verstoßen worden sind, sollen mitunter die Erdjagd probieren, geben sie aber gewiß bald als ihrer Natur nicht entsprechend auf. Bei seiner Jagd ist der Falke keineswegs immer vom Glück begünstigt; ja er mag wohl zehnmal fehl stoßen, ehe er Beute macht; denn seine Opfer strengen ihre letzte Kraft an, um dem Verderben zu entrinnen, und machen dabei die unglaublichsten Schwenkungen. Will er bei seiner Jagd dennoch erfolgreich sein, so muß er durch seine Schnellig keit so überraschend auftreten, daß die verfolgten Vögel nicht mehr Zeit haben, ihre Flugkünste anzuwenden. Alles ist das Werk von Bruchteilen einer Sekunde; und dem Beob achter wird es gewöhnlich erst lange nachher klar, was sich vor seinen Augen abgespielt hat. Gesellige Vögel sind weniger der Gefahr ausgesetzt als ungesellige. Bemerken ihn Stare oder Tauben, so bilden sie einen dichten Schwarm. Erstere fliegen sogar dem Falken direkt entgegen. Wenn ihm sein Leben lieb ist, muß er aus weichen; denn er könnte sonst leicht durch Flügelschlag oder Schnabelstoß beim Zusammenprallen sein Augenlicht ver lieren, und das wäre sein Tod. Wer das Glück hat, ihn bei der Taubenjagd zu beobachten, sieht etwa Folgendes. In einem geschloffenen Schwarm rasen die Tauben wie unsinnig in unregelmäßigem Fluge mit vielen Bogen über die Felder dahin. Man wundert sich, was das auffällige Benehmen zu bedeuten hat. Plötzlich macht die Schar eine ruckartige Schwenkung in die Höhe, und unter ihnen wird ein größerer, dunkler Vogel sichtbar. Es ist der Falke, der, scheinbar ärger lich, tief unter den Tauben in die Höhe bremst. Jetzt gilt es für sie, in gerader Linie so schnell wie möglich den Schlag zu erreichen; denn schon schraubt sich der Feind wieder hastig in die Höhe, um zum neuen Stoß ansetzen zu können. Ist ihm nun endlich das Jagdglück hold gewesen, so setzt er sich auf eine freie Bodenerhebung, um dort die Beute zu verzehren. Dieser Brauch hat für ihn zwar das Angenehme, daß er von nahenden Feinden nicht überrascht werden kann, aber er selbst ist auch weithin sichtbar, besonders für scharfe Bogelaugen. Da dauert es denn nicht lange, so sammelt sich eine lärmende Krähenschar um ihn. Einige sitzen schimpfend am Boden, andere stoßen von hinten an ihm vorbei, um wo möglich sein Auge mit einem Flügelschlag zu treffen. Ärger lich muß er schnelle Kopfwendungen aussühren, um der Ge fahr zu begegnen. Die mutigen Krähen werden aber immer dreister und lassen ihn garnicht mehr zum Essen kommen, sodaß er sie vertreiben muß. Er schwingt sich in die Luft, und alles sucht mit gellendem Aufschrei sein Heil in schleu nigster Flucht. Befriedigt läßt er sich wieder zum Mahle nieder, aber die Quälgeister kommen von neuem heran und zwingen ihn endlich, seine Beute im Stich zu lassen und an einem einsameren Ort zu jagen. Hat er gar eine ihrer Art- genossinnen geschlagen, so ist der Tumult um ihn her un beschreiblich. Bor und bei dem Mahle rupft der Falke seine Beute. Die Großfedern der Flügel bereiten ihm bei größeren Vögeln oft solche Schwierigkeiten, daß er sie nicht herauszieht. Er läßt die noch durch Sehnen zusammenhängenden Knochen der Brust und der Flügel übrig, an letzteren die stärksten Schwungfedern. Solche Überreste lassen dann einen ziemlich sichern Schluß auf den Räuber zu, selbst wenn man ihn nicht beobachtet hat. Seinen Namen hat der Wanderfalke erhalten, weil man fast auf der ganzen Erde Artgenossen von ihm gesunden hat. Bei unseren Oybiner Tieren dürfte das Weibchen die Heimat nach der Vollendung des Brutgeschäftes für längere Zeit verlassen. Die Jungen tun dies, von den Eltern vertrieben, für immer, falls nicht etwa der Vater später eine seiner Töchter zur Gemahlin nimmt oder einer seiner Söhne ihn von seinem Stammsitz vertreibt. Möglich, daß auch er nach den anstrengenden Freuden der Minne- und Brutzeit eine kleine Erholungsreise an die See unternimmt, wo um diese Zeit den Raubvögeln der Tisch reichlich gedeckt ist. Es kann sich aber bei ihm nur um Wochen handeln; denn Anfang