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Wolle der Schafe, und die auskriechenden Maden verursachen geradezu entsetzliche Wunden an den befallenen Tieren, da sie diese buchstäblich bei lebendigem Leibe auffressen. Wenn der Ursache des Übels auch nur schwer beizukommen ist, so ist dessen Bekämpfung doch eine einfache und sichere, wenn auch keines wegs leichte, falls mit der genügenden Energie und Umsicht zu Werke gegangen wird. Mit demselben Mittel, mit dem die Räude in Australien so gut wie ausgerottet wurde, geht man jetzt dem Madigwerden der Schafe zu Leibe, nämlich dem „Dippen“ 1 ) oder „Tauchen“. Unter Tauchen versteht man das Baden und Unter tauchen von Tieren in einer desinfizierenden Flüs sigkeit. Mit dem Tauchen werden, was selten der Fall zu sein pflegt, zwei Fliegen mit einem Schlage erledigt. Durch das desinfizierende Bad werden nicht nur die Parasiten an den Tieren getötet und deren Wiederinfektion vorgebeugt, sondern auch die Qualität der Wolle wird nicht ganz unbedeutend verbessert und die Gesundheit der Tiere erhöht. Daß desinfizierende Bäder Parasiten töten, dürfte allgemein anerkannt sein, so daß eine Beweisführung überflüssig erscheinen dürfte. Eine andere Sache ist es mit der Verbesserung der Wolle, und darum soll, ehe auf das Tauchen selber eingegangen wird, diese Tatsache näher beleuchtet werden. Die Verbesserung der Wolle wird durch zwei ganz verschie dene Wirkungen erzielt. Die erste besteht darin, daß durch das Tauchen alle jene Parasiten entfernt werden, die die Tiere er kranken ließen. Die Erkrankung besteht meist weniger in einem tatsächlichen Auffressen des Körpers, wie beim Madigwerden, also körperlichen Schmerzen, oder Erkrankung irgendwelcher Organe, sondern darin, daß die Parasiten die Tiere durch den von ihnen verursachten Juckreiz — drastisch ausgedrückt — zu Tode kitzeln. Und eine gute Wollbildung ist von einem Wohlbefinden des Kör pers abhängig. Wer kann geistig oder körperlich sein Bestes leisten, wenn nur „ein Floh“ auf seinem Körper Expeditionen aus führt? Beim Schaf ist es nicht die Arbeitsleistung, die durch die Parasiten beeinträchtigt wird, sondern deren Schlaf und die Freß lust, denn nur durch genügende Futteraufnahme und deren Ver dauung kann ein erstklassiger Körper erzeugt werden, auf dem erstklassige Wolle wächst. Und hiernach muß unbedingt gestrebt werden. Und nur von einem Tiere, das sich „in seiner Haut wohlfühlt“, kann dies erwartet werden. Neben der mittelbaren Verbesserung der Wolle, durch ein un gestörtes Dasein hervorgerufen, wird aber noch eine unmittelbare Verbesserung erreicht, und zwar durch die Gesunderhaltung des Fettschweißes. Denn ohne gesunden Fettschweiß keine gesunde Wolle. Der Fettschweiß übt einen wichtigen Einfluß auf das Wachstum der Wolle aus. Man findet ihn bei allen Schafrassen, doch ist sein Vorhandensein in Art und Menge sehr verschieden; selbst an den verschiedenen Körperteilen ist sein Vorhandensein unterschiedlich. Er bildet eine schutzgewährende Schicht gegen die Einwirkung der Feuchtigkeit, macht die Faser weich und bieg sam und gibt ihr einen seidenartigen „Griff“. Während der Wachs tumsperiode verhindert er die Wolle, sich ineinander zu verhed dern, was ohne ihn unvermeidlich wäre und gibt ihr so die Mög lichkeit, aneinander vorbeizugleiten. Die Beschaffenheit des Fett schweißes ist sehr verschieden und seiner Verbesserung sind weite Grenzen gesetzt. Hier ist es, wo das Tauchen verbessernd einzu setzen hat. Wenn diese fettige Substanz sich in einem gesunden Zustande befindet, kann sie weiß, leicht braun und dunkelbraun sein und ist von einer flüssigen Natur und in keiner Weise klebrig oder schmierig. Sie ernährt die Wolle und regt damit deren Wachstum an. Der Unterschied des Fettschweißverlustes bei der Wäsche ist groß, wenn man ein Merinoschaf von durchschnitt lichem mit einem solchen von starkem Fettschweiß vergleicht. Die Wolle der ersteren Sorte wird 40—45%, die der letzteren 60—70% (ausschließlich Schmutz) durch Auswaschen des Fettschweißes an Gewicht verlieren. Eine schlechte Fettschweißqualität bildet in nassen Jahren eine große Gefahr für die Güte der Wolle, da diese unter der Einwirkung der Feuchtigkeit leicht erkrankt. Er bildet *) To dip (englisch) — ins Bad tauchen. dann eine harte Masse, welche die Wolle stark verfärbt, welche je nach dem Grade der Erkrankung von leicht rötlicher bis dunkel grüner Farbe sein kann. Diese Verfärbung kann durch Waschen nicht entfernt werden. Solche Wolle ist von geringem Wert und kann nur zur Herstellung von minderwertigen Waren verwandt werden. Eine reichliche Erzeugung von gesun dem Fettschweiß ist für das Gedeihen und den kräftigen Wuchs der Wolle von allergrößter Wichtigkeit. Vom kaufmännischen Standpunkte aus betrachtet ist Fett schweiß von nicht unbedeutendem Werte, da aus ihm Lanolin und die besseren Toiletteseifen hergestellt werden. Das Tauchen ist an sich eine sehr einfache Arbeit, solange nicht solch ungeheure Mengen von Schafen bewältigt werden müssen, wie dies in Australien und anderen schafzüchtenden Län der der Fall ist. Denn hier handelt es sich nicht um Herden, die nach Hunderten, sondern um solche, die nach Zehntausenden zählen. Für die Ausführung des Tauchens wird eine gemauerte Grube hergestellt, in welche die Tauchflüssigkeit hineingegossen wird, und hierin werden dann die Schafe gebadet. Die Länge des Bades richtet sich nach der Länge der Wolle und der Güte des angewand ten Dips 2 ). Nach dem Bade werden die Tiere getrocknet, um dann auf die Weide entlassen zu werden. In Australien, welches die meiste Wolle der Welt produziert, verwendet man in der Hauptsache arsenikhaltige Tauchmittel, welche fertig in konzentriertem Zustande auf den Markt kommen. Dort, wo diese käuflich zu erhalten sind, bedient man sich der Einfachheit halber am besten dieser Tauchmittel, da die Herstel lung derselben zum mindesten mit Arbeit, wenn nicht mit recht viel Ärger und Verdruß verbunden ist. Für jene, für die solche Tauchmittel nicht im fertigen Zustande erhältlich sind, seien hier einige Mischungen angeführt. Das Für und Wider der verschiede nen Tauchmittel soll später auf das eingehendste besprochen wer den, damit sich ein jeder ein eigenes Urteil über dieselben bilden kann. Auch werden hierdurch Fehler vermieden werden. In der Hauptsache kommen 4 Sorten in Frage: 1. Arsenik-Schwefel-Tauchflüssigkeit, 2. Tabaklauge- „ „ 3. Kalk- ,, ,, 4. Kaustiksoda „ „ Zunächst muß einiges über den Schwefel gesagt werden. Wenn hier von Schwefel die Rede ist, so ist immer besteSchwe- felblume gemeint. Stückenschwefel, auch wenn pulverisiert, der ganz bedeutend billiger als Schwefelblume ist, muß auf das sorgfältigste vermieden werden. Die meisten Be schwerden und Mißerfolge sind auf die Verwendung von Stücken schwefel zurückzuführen. 1. Arsenik-Schwefel-Tauchflüssigkeit. Gebraucht werden: 6,3 kg (14 Ibs engl. 3 ) Arsensaures Natrium 4 ). 15,5 „ (34,5 „ „ ) Schwefelblume. 1944,1 1 (432 Gallonen) Wasser. Bei der Herstellung vermische man die feingesiebte Schwefelblume zunächst gründlich mit dem arseniksauren Natrium, ehe man es mit etwas heißem Wasser zu einem dünnen Brei aufmengt. Dann gießt man unter ständigem Rühren das übrige Wasser hinzu. Wegen der großen Giftigkeit dieser Tauchflüssigkeit muß 2 ) Tauchmittel, Tauchflüssigkeit. 3 ) Ibs = Pfund. 4 ) Wo arseniksaures Natrium (Natrium arsenicum) käuflich fertig nicht erhältlich ist, kann man es sich auf folgende Weise selbst her stellen: Man nehme 1 Teil Arseniksäure (AsaOs) und 5 Teile (4,3 genau) kristallisierte Soda (Waschsoda) + (3 NaaCOa + 10 HaO) — arsenik saures Natrium (2 Naa AsOs + 3 CO + 10 HaO). Um 6,3 kg arsenik saures Natrium herzustellen gebraucht man 3 kg (3,252 kg genau) arse- nige Säure und 15 kg (14,07 kg genau) kristallisierte Waschsoda. Überschuß an Soda nehmen. Soda und arsenige Säure mit heißem Wasser aufmischen und bis zur völligen Auflösung rühren, evtl, nochmals erhitzen Vorsicht: Giftgefahr!