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schlitzförmigen Öffnung, welche die Ursache der flachen, band ähnlichen Form des Visca oder Viscabändchens ist. Im Topfspinnverfahren gibt man dem oben beschriebenen, aus einer Anzahl von Einzelfädchen gebildeten Kunstseidenfaden auf der Spinnmaschine gleich die gewünschte Drehung. Die Drehung beträgt für Schußseide etwa 100 Umdrehungen je 1 m, für Kettdrehungen 200—300 Umdrehungen. Das Topfspinnverfahren hat jedoch seine Nachteile in der Fabrikation, die in der großen Abnutzung des Spinntopfes bzw. seines Antriebes liegen. Meist wird deshalb der aus einer Anzahl einzelner parallelliegender Spinnfädchen bestehende Kunstseiden faden auf der Spinnmaschine einfach aufgewickelt, ohne Drehung zu erhalten. Bei diesem sog. Spulenverfahren erhält der Faden erst nachher seine Drehung auf besonderen „Zwirn“-Maschinen. Nach dem Verlassen der Spinnmaschine wird die noch sehr spröde Seide, die jetzt eine gelblichbraune Farbe zeigt, intensiv ausge waschen, um die in den Fäden noch enthaltenen Chemikalien zu entfernen. Man „entsäuert“ die Seide. Die getrocknete, gedrehte und in Strangform gehaspelte bzw. gespulte Kunstseide muß nun mehr noch eine Reihe von Bädern passieren (8—16), um durch die Behandlung mit verschiedenen Chemikalien im Wechsel mit Ent wässern das gewünschte Aussehen, den Griff und den Glanz, sowie die weiße Farbe zu erhalten. Dann wird sie im gespannten Zu stande getrocknet und bekommt im Anschluß daran im Feucht raum den notwendigen Feuchtigkeitsgehalt von 11%. Nunmehr werden die Kunstseidenstränge zum Sortierraum befördert, wo jeder einzelne Strang untersucht, evtl, verbessert und dann klassi fiziert wird. Tadellos reine, flusenfreie, glatte und gleichmäßige Stränge mit sehr wenig Knoten ergeben 1. Qualität. Je nach den mehr oder minder sich zeigenden Unreinigkeiten, Flusen und Knoten, der Streifigkeit usw. werden die übrigen Stränge als 2. Qualität, 3. Qualität oder als Ausschuß gewertet. Die ver schiedenen Qualitäten entstammen also der gleichen Spinnpartie. Es wird nicht etwa gleich auf 2. Qualität oder 3. Qualität hinge arbeitet, sondern stets auf 1. Qualität. Ein Durchschnittssatz von 80% 1. Qualität als Sortierergebnis wird als sehr günstig an gesehen. Ich habe in kurzen, ganz groben Strichen die Entstehung der Kunstseide geschildert, um jetzt auf die Vorurteile eingehen zu können, die man gegen dieses Material noch vielfach hegt, und um auf die vorhandenen Fehlerquellen hinzuweisen. Den ersten Fehler beging man gleich bei der Taufe des neuen Produktes, indem man ihm den Namen „Kunst“-Seide gab. Der Name führt zu falschen Voraussetzungen und reizt von selbst zu Vergleichen mit der Naturseide. Die Vergleiche müssen zum Nachteil des neuen Fadenmaterials ausfallen, das zwar glän zender und farbenfreudiger wirkt als die Naturseide, aber die für die Verarbeitung sowohl wie für das Tragen und den Gebrauch so wichtigen guten Eigenschaften der echten Seide in bezug auf Zug- und Reißfestigkeit, Dehnung und Weichheit bisher nicht erreicht. Auch ist die künstliche Seide schwerer als die natürliche Seide. Das spezifische Gewicht der natürlichen Seide ist 1,37, das der Kunstseide dagegen 1,52. Es ist der Kunstseidenindustrie nicht geglückt, ihrem ur sprünglichen Ziele entsprechend, dem Faden den Charakter der Naturseide zu geben. Das zeigt die Brennprobe in überzeugender Weise. Die natürliche Seide verflackert ebenso wie Wolle und Haare langsam und hinterläßt harte Aschenklümpchen. Beim Verbrennen entsteht ein eigentümlicher Horngeruch. Das sind alles die Merkmale der tierischen Fasern, die ihrem Gehalt an Stickstoff entspringen. Die Kunstseide dagegen brennt schneller und geruchlos wie Papier und Baumwolle und hinterläßt nur wenig weiche Asche. Hier zeigen sich also klar die Kennzeichen der Pflanzenfaser, der Mangel an Stickstoff. Die Umwandlung des Pflanzenstoffes in ein tierisches Produkt, wie es bei dem Ver dauungsprozeß der Seidenraupe zur Spinnflüssigkeit der Natur seide geschieht, ist bisher durch die Kunstseidenchemie nicht erreicht. Ob die Zukunft diese Probleme lösen wird? Auch in der Formung zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen dem Naturseidenfaden und dem künstlichen Seidenfaden. Der natürliche Rohseidenfaden (Grege) besteht aus einer An zahl Kokonfäden, die mit wenig Drehung vereinigt wurden. Sie sind durch den ihnen anhaftenden natürlichen Seidenleim (Seiden bast, Serizin) miteinander verklebt. Der Seidenleim aber schützt den Gregefaden und macht ihn glatt, ermöglicht die gute Ver arbeitung dieses Fadens beim Weben, Wirken und Stricken. Dem künstlichen Seidenfaden hingegen fehlt dieser wertvolle Seidenleim. Der menschliche Geist hat es bisher nicht vermocht, das einzelne Spinnfädchen der Kunstseide mit dieser Schutzhülle zu umgeben, mit welcher die Natur den Kokonfaden versieht. Da aber, wie oben gesagt, gerade diese Eigenschaft der Grege ihre Verarbeitung so außerordentlich erleichtert, hat die Kunstseide in dem Grege verarbeitenden Teil der Industrie sich bisher kaum einführen können. (Fortsetzung folgt.) Spinnerei * Zroirnerei Maschinen und Maschinenelemente in der Kunstseidendndustrie. I. Von einem Kunstseidenfachmann. Unter diesem Titel sollen in der Folge laufend solche Neue rungen besprochen werden, welche für den Fabrikanten und Be triebsingenieur in der Kunstseidenindustrie von aktuellem Inter esse sein können. Die Besprechungen sollen so kurz gefaßt wer den, daß nur das Wesentliche hervorgehoben wird und das allge mein Bekannte nur soweit Erwähnung findet, als dies zum Ver ständnis notwendig ist. Es ist eine wichtige Aufgabe der Fach zeitschriften, ihren Lesern eine ausführliche Berichterstattung über Patentanmeldungen und Gebrauchsmuster zu bieten, denn die rasche Entwicklung gerade der Kunstseidenindustrie macht es den in der Praxis stehenden Fachleuten sehr schwer, über alle Neue rungen auf dem Laufenden zu bleiben. Die Kenntnis fremder Ideen gibt oft Anregungen zu eigenen Konstruktionen. Zentrifugenspinnmaschine. Mit dieser im Mittel punkt des Interesses stehenden Maschine beginnend, sollen einige Neuerungen hinsichtlich der Lagerung des Systems bei elektri schen Antrieben besprochen werden. Zwei Grundgedanken sind zu unterscheiden: Lagerung oberhalb des hängenden Motors, wo mit die S i e m e n s - S c h u c k e r t w e r k e v orzugsweise arbeiten, und die labilere Lagerung unterhalb des Motors nach C. G. Hau- bold. Beide Konstruktionen sind durch eine Reihe von Patent anmeldungen bzw. Gebrauchsmuster geschützt. Die Siemens-Schuckertwerke lösen die Aufgabe, die in der Spinnmaschine mit geringstem Abstand nebeneinander ein gebauten Einzelantriebe leicht auswechseln zu können, dadurch, daß sie die einzelnen Aggregate (Spinntopf, Motor und Lager) auf einzelnen Tragplatten montieren, welche nach Abheben des Spinn topfes aus der Maschine seitlich herausgezogen werden können. In Abb. 1 ist ein solches Aggregat abgebildet. Beim Auswechseln des Motors wird der Stecker 22 an dem Antriebskabel heraus gezogen, der Spinntopf 17 und dann das Glockenzwischenstück 16 nach oben herausgehoben. Der nun freie Motor 12 kann alsdann mit der Tragplatte 11, auf welcher er mit dem Tragschild 13 ela stisch gelagert ist, seitlich herausgezogen werden. Alsdann kann