Volltext Seite (XML)
Trensenstange wie auch die genannte Zierscheibe aus demselben Gräberfeld offenbar an südöstlichen Vorbildern orientieren. Der Bautzener Grabfund bewahrt demnach ältere Züge, die hier erst zu Beginn der Hallstattzeit wirksam geworden sind. In den Kammergräbern gehäufte Keramiktypen, „die sonst gar nicht oder doch nur außerordentlich selten angetroffen werden“ (in unserem Inventar Doppelgefäß, Ofenmodell, Omphalosschalen und Spitzkrüge), besitzen gleichermaßen schon Vorläufer in der Lausitzer Jüngstbronzezeit. Wieder geht es um „Formen, die mehr oder weniger deutlich auf südliche Anregungen zurückgehen und mit offenbar neu aufkommenden Glaubensvorstellungen in Zusammenhang stehen“ (Peschel 1990, S. 31). Die nahezu alle Seiten des Lebens erfassende südöstliche Prägung kann also nicht auf einen engen Horizont beschränkt werden; sie kulminierte aber „während eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes am Ende der jüngeren Urnenfelderzeit und am Beginn der älteren Hallstattzeit“ (ebenda). Die Kammergräbersitte ist in der Lausitz wohl „während eines längeren Zeitraumes“ (Buck 1979, S. 87) aus einem Zusammenspiel und Ausgleich von Heimischem und Fremdem erwachsen; die entscheidenden Impulse zu ihrer Neuorientierung fallen indes in die genannte ,Zeitenwende 1 . Eine zentrale Rolle bei der Interpretation der Billendorfer Kammergräber spielt die Diskussion über den Aufwand ihrer Errichtung und den Reichtum ihrer Ausstattung. Auch hierin gehen die Meinungen weit auseinander. Ohne Frage bilden diese Bestattungen, gemessen an lokalen Maßstäben, ein herausragendes Phänomen. Vor allem D.-W. Buck (u. a. 1973b, S. 414ff.; 1979, S. 83ff., 92; 1986b, S. 20f.; 1986c, S. 291; 1989b, S. 133f.) hat ihre Exklusivität immer wieder soziologisch gedeutet. Grabgröße und -anlage, Ausstattung und Brauchtum eines so Ausgezeichneten wären in erster Linie „abhängig von dem Reichtum der Familie, der er angehörte, von seiner sozialen Stellung innerhalb der Familie, seinem Ansehen in der Gemeinschaft und seinem persönlichen Besitz“ gewesen (ders. 1973b, S. 414; 1979, S. 83). Nicht zu übersehen sind in der Tat die gegenüber den jüngstbronzezeitlichen Verhältnissen zunehmende Beschränkung der Kammergräber auf wenige Friedhöfe und ihre Heraushebung gegenüber den um so ärmlicher wirkenden Normalbestattungen. Sicher zu Recht werden sie deshalb auch im Rahmen des Lausitzer Kulturkreises „allgemein als Grabform einer gehobenen sozialen Schicht interpretiert“ (ders. 1973b, S. 417; 1979, S. 86). So weit, so gut. Buck verbindet die verschiedenen archäologischen Äußerungen im Billendorfer Grabbrauch aber nun in engen Abstufungen mit Vorstellungen von einer differenzierten gesellschaftlichen Schichtung, worin wir ihm nicht folgen. Unser Kammergrab gehört zu den kleineren Anlagen; allein war der darin Begrabene deswegen weniger bedeutend, zumal wenn man berücksichtigt, daß die großen Kammern oft mehrere Bestattungen aufgenommen haben? Wie im Hallstattbereich mag die Größe des Grabraums „bis zu einem gewissen Grade bestimmend für die gesellschaftliche Wertung des Toten“ gewesen sein, indessen spielten andere Gesichtspunkte vielleicht eine wichtigere Rolle, etwa die „Menge der Beigaben ..., die wohl von den Bräuchen des Kults bestimmt war“ (Koutecky 1968, S. 486). Die