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— 209 — Rosenhagen plauderte nun scherzend über seine Gefängnis erinnerungen. Das erste Mal habe er es sehr gut gehabt: Selbstbeschäftigung, Selbstbeköstigung, eine große Zelle mit einem großen Lenster, das nach einem Garten hinausging. Dicht vor dem Zellenfenster hätten im grünen Laube die Vögel gezwitschert und er hätte damals eine Novelle ge schrieben und das Theaterstück angefangen, das er demnächst in Berlin beendigen wolle. „Sie wollen wohl ein zweiter Herr v. Schweitzer werden?" - rief Leberecht dazwischen. Rosenhagen fühlte sich geschmeichelt und lächelte naiv. Aber das zweite Mal, fuhr er fort, wäre es im Gefängnis einfach scheußlich gewesen. Als rückfälligem Verbrecher wäre ihm die Selbstbeschäftigung verweigert worden. Der Gefängnis direktor, der das erste Mal so liebenswürdig zu ihm getan hätte, habe ihn bei der zweiten Ginlieferung sofort ange schnauzt: „Sie da! Nehmen Sie mal Ihren Hut ab im Rorridor. Sie sind auch nichts Besseres als die anderen!" Dann habe er eine schlechte Zelle bekommen und sei mit Dütenkleben beschäftigt worden. Ja, aus reiner Schikane, wie er glaube, hätte man ihm obcnein noch Düten mit Raiser- bildern gegeben. Ha,, ha! Damals habe er sich geschworen, nicht mehr verantwortlich zu zeichnen. Und diese Stellung hier in Dortmund hätte er auch nur unter der Bedingung angenommen, daß er nicht zu zeichnen brauchte. Auch Leberecht konnte einen Beitrag zu dem angeschnittenen Thema liefern. Henkel war ganz erstaunt, zu hören, daß Leberecht fast direkt aus dem Gefängnis nach Dortmund ge kommen war. Da Henkel anscheinend von Leberechts Pech noch nichts gehört hatte, so gab Leberecht seine Geschichte zum besten. In einer Versammlung hätte er während einer Diskussion mit Bezug auf die Schutzmanns-Pickelhaube einen faulen kvitz gerissen, der als Majestätsbeleidigung vom Ge richte aufgefaßt worden wäre. Er hätte neun Monate Ge fängnis erhalten. Man hatte ihm zum Glücke Selbstbeschäf- Gärung. 14