20 „Nun, sie behalten die Kinder aus dem Halse, wenn die freien Ehemänner schließlich eine andere Frau interessanter finden und ihrer Wege gehen." „In diesem Falle trifft das nicht zu. Als Fanny in andere Umstände kam, schickte ich sie nach Zürich. Das Rind ist dort von mir in pflege gegeben worden. Außerdem werde ich morgen auf dem Vormundschaftsgericht sOOOO Mark für meinen Sprößling hinterlegen." Dr. Lassen schlug mit der Hand auf den Tisch. „Mach keine Dummheiten, Rurt. Nimm lieber das Rind zu dir." „Das geht nicht." „Rann denn nicht die Mutter das Rind zu sich nehmen?" fragte Anna Rühlemann. „Um Gotteswillen. Die wüßte sa gar nicht, was sie damit anfangen soll." „Lntartungserscheinungen, wohin man sieht," seufzte Dr. Lassen. „Das soll uns aber nicht abhalten, unsern wein anszu trinken. prost!" Der Rellner hatte aufmerksam Frau Rühlemann ein Wein glas hingesetzt, und Henkel füllte die Gläser. Sie tranken. Frau Rühlemann merkte, daß die Augen des Redakteurs fast unverwandt und bewundernd auf ihr ruhten. Auch einige Herren von den Nebentischen wandten sich mit prüfenden Blicken nach ihr um. Sie fühlte, daß sie den Männern be gehrenswert erschien, und das tat ihr wohl. Der wein hatte ihre Wangen gerötet und ihren Augen einen schimmernden Schmelz verliehen. Ls war ihr, als wenn nach langem, dumpfem Schlummer die Lebensfreude wieder in ihr erwachte. Das machte sie gesprächig: „Mit der Frauenfrage habe ich mich früher auch befaßt. Bebels Buch über die Frau habe ich wenigstens dreimal gelesen." Dr. Lassen schnitt ein maliziöses Gesicht: