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126 Lie hätten ihn alle so unverschämt ausgelacht, als er von zehnjähriger Dauer der Tarifgemeinschaft gesprochen hatte. Bär, ein gelernter Holzbildhauer, war ein hübscher junger Mann Anfangs der zwanziger Jahre. Er hatte schon ge heiratet und sah ziemlich hager aus, weil in seiner Familie Schmalhans Küchenmeister war. Er machte zu Henkels Her zenserleichterung ein Gesicht, als wenn er sagen wollte: „Das hätte ich auch nicht vermutet, daß ein sozialdemokratischer Redakteur so unwissend ist," dann fuhr er sich gutmütig ver legen mit den hageren Fingern durch das langsträhnigc Haar. Ja, er gebe zu, die Schnapssauferei in dem Setzersaale wäre ein Skandal. Aber überhaupt der ganze Geist im Ge schäfte stände nicht auf der Höhe. Tagein, tagaus predige man den Arbeitern das Evangelium von der Verkürzung der Arbeitszeit aus gesundheitlichen und kulturellen Gründen und die Kerle drüben schufteten von früh morgens bis tief in die Nacht, bloß, um allwöchentlich ein paar Mark mehr nach Hause zu schleppen. Mehr Setzer würden nicht eingestellt, lieber rackerte sich das jetzige Personal kaput. Der Mehrver dienst ginge natürlich in Schnaps drauf. Ein Parteigeschäft müßte doch vorbildlich organisiert sein wollen. Auch im Kontor auf dem Westenhellweg herrschten be dauerliche Zustände. Der Geschäftsführer Dickgen hätte ihnen, -den Bochumern, eine Rechnung aufgestellt, schlimmer wie ein Wucherer, und als die Bochumer um Aufklärung über die einzelnen Posten ersuchten, hätte der freche Patron einen sau- groben Brief geschrieben. Man habe den Brief natürlich sofort zum Parteivorstand gesandt. Dem Burschen sollten schon Mores beigebracht werden. „wie lange dauern eigentlich die TarifgemeinsÄ^aften?" „Die Tarifgemeinschaften dauern durchschnittlich je nach Abmachung ein bis zwei Jahre. Uebrigens hätte ich mich nicht ausfragen lassen. Ich hätte Hempel gefragt, ob er ein Schulmeister wäre, denn andere Leute pflegten nicht ein solches Examen zu veranstalten."