Volltext Seite (XML)
250 auch ersehen wir aus mehreren Beispielen, daß jetzt einzeln wendische Gemeinden, ja sogar einzelne Familien sich frä kaufen konnten. Während die altwendischen Dörfer theils aus Baue gütern, theils aus Gärtnernahrungen bestanden, waren ale von den deutschen Colonisten neuangelegten und wohl ebenb die meisten nach deutscher Weise umgestalteten reine Bauer,- dörfer. Erst allmälig machten sich bei Zunahme der Bevölkern^ auch in diesen die Abzweigungen von kleineren Gärtnernahrur gen, endlich sogar der Anbau von Häusern ohne Ackerland nöthi,. Größer waren jedenfalls die den deutschen Bauern zz- gewiesenen Hufen, als die slavischen Lan, d. h. Lehngüte:. Der deutsche Bauer beanspruchte eben für seine bereits ge steigerten Lebensbedürfnisse auch größeren Ertrag vom Gutz. Erbtheftungen konnten' dasselbe bis zu Achtelhufen so ve>- kleinern, daß das Besitzthum eines Gärtners größer wai; immerhin aber blieb auch der Achtelhufener ein freier Baue,-. Neben dem Erbzinse an Gelde hatten auch die deutschen Colonisten von Anfang an eine AnzahlTage im Jahre ihrem Gutr- herrn zu fröhnen. Dieser Frohndienst nämlich sollte ein Zeichen sein, daß auch der zu Erbe sitzende und übrigens selbständice Bauer den Grundbesitzer seiner Hufe als Herrn zu betrachten habe. Die sehr geringe Anzahl dieser Frohndienste, von der Hufe meist nur je drei Tage im Jahre Spanndienst („Pflüge") und Handdienst mit der Sichel („Sicheln"") wurde theilwei'e schon damals gegen eine feste Geldrente abgelöst, auch de bäuerlichen Lehngüter der im Range über den eigentlichen Bauern stehenden Withasen wurden vielfach in Erbe verwandelt. Gärtnernahrungen, d. h. so kleine Ackergrundstücke, daß von ihrem Ertrage allein eine Familie nicht leicht zu leben vermag, hatte man bisher in den deutschen Dörfern nicht gekannt; schon der slavische Name Smurden (Schmuz) be zeichnete die niedrige sociale Stellung derselben. Sie bildeten zu einer Zeit, wo es noch keine freien Tagelöhner gebe» konnte, die geborenen Handarbeiter des herrschaftlichen G^^ sie konnten daher auch mit diesem als „Zubehör"" verttW werden. In dieser Stellung blieben die Gärtner auch unter der Herrschaft der Deutschen; sie erhielten für ihre Dienste Kost auf dem Hofe, beim Dreschen einen Antheil am Ernte ertrage, durften Streu in den Wäldern der Herrschaft rechen und ihr Vieh, sogar ihre Gänse auf Felder und Wiesen der selben treiben. Anders ward es in neuangelegten deutschen Dörfern; wenn die Vermehrung der Einwohnerschaft veran laßte, ein Hufengut in mehrere Gärten zu theilen, so blieb der deutsche Gärtner doch ein freier Mann mit Eigenthums rechte und der Grundbesitzer durfte den Einzelnen nicht mehr an Zins oder Diensten auferlegen, als bisher auf der gi- sammten Hufe gelastet hatte. Während des 16. und 17. Iah, - Hunderts sehen wir in der südlichen Oberlausitz vielfach, daß die Gutsherrschaften ganz neue Gartendörfer gründen. Ebenso unterschieden sich die deutschen Häusler und Lassiten von den wendischen. Durch zu entrichtenden Erl - zins erwies sich das Eigenthumsrecht der ersteren; wenige Hofedienste bezeugten die Gutsunterthänigkeit. In manche a Dörfern beschäftigten sich die Häusler weniger mit Feldwirft - schäft, als mit Leinweberei, wofür ein Stuhlgeld erhoben wurde; später wurden sogar besondere Weberdörfer angelegt, die. noch heute als solche von Bedeutung sind. Ganz ohr e Eigenthumsrecht waren die jetzt als Lassiten Bezeichneten. „Lasse (so erklärte man) ist der, so auf einem Zinsgut sitz t, den man davon weisen oder es ihm um einen gewissen Zin s lassen mag."' In der deutschen Oberlausitz galt dieses Ve, - hältniß mehr als eine dem Vortheile der Besitzer entsprechend e Verpachtung und auch Bauern suchten durch Laßgüter ihr e Wirthschaft zu erweitern.*) *) Wie sich unter diesen Gestaltungen der Verhältnisse Dor - Gericht und Dorfgemeinde ausgebildet, schildert die genannte Preil - chrisl in besonderen Ausführungen. So war denn durch die Einwanderung zahlreicher deutscher Colonisten die Landbevölkerung verschiedenartig ge worden nach Bauart und Flureintheilung der Dörfer, nach Sprache und Sitten, vor Allem nach der rechtlichen Stellung gegenüber der Gutsherrschaft. Ueber allzuharten Druck von Seiten der letzteren war damals noch nicht zu klagen. Freilich waren für rechtliche Zugeständnisse urkund liche Schriften meist nicht für nöthig erachtet worden. Daher ward es seit dem 16. Jahrhunderte vielen adligen Gutsbesitzern leicht, auch ihre freien Gutsunterthanen aus der Stellung von Erbbauern wieder in die bloßer Lassiten herabzudrücken und für die sich steigernden Vergewaltigungen der Landbewohner, wie für deren Erhebungen und Klagen dagegen werden eine Anzahl urkundlicher Nachrichten zu wahr haft ergreifendem Eindrücke. Manche der belastenden Neuerungen mögen durch die Zeitverhältnisse Rechtfertigung finden. So schon im 14. Jahr hundert die Erhöhung der Abgaben. Gerade zum Schutze der Landbewohner hatte 1355 Kaiser Karl IV. sich veranlaßt ge funden, dem 1346 gegen die Raubgelüste des Adels begrün deten Sechsstädtebunde auch die weitgehendsten Befugnisse zu ertheilen gegen „die edlen Leute, welche die ihnen Pflichtigen mit Steuern beschweren und ungewöhnlichen Zins fordern", und die Sechsstädte selbst, wie die geistlichen Stifter haben ihre Unterthanen allezeit bei ihren ursprünglich geringen Frohn- diensten von 1—6 Tagen im Jahre belassen. Aber infolge der Hussitenkriege, nachdem der verarmte Adel viele seiner Dörfer an die Städte hatte verkaufen müssen, wurde auch diesen Dörfern nicht erlassen, zur Aufbringung der den Sechsstädten zufallenden Steuerquote beizutragen. Dazu kam die Geldentwerthung gegen Ende des 15. Jahr- handerts, durch welche der Werth des von den Bauern an die Herrschaft zu entrichtenden Erbzinses allerdings empfindlich vermindert wurde, da die ursprünglich 14 Thaler geltende Marl jetzt nur noch 1 '/z Thaler Silberwerth hatte, und zwar üble die Stadt Görlitz ihr Münzrecht in so unterwerthigen Prägungen. Der Adel aber verlangte seinen Zins in der früher vereinbarten böhmischen Münze, und als 1490 die Oberlausitz wieder an Böhmen gekommen war, wurde diese Forderung sogar zum Gesetz. Auch zu den an den König zu entrichtenden Steuern wurden die Bauern in ungewöhnlicher Weise beansprucht. Nach einem Prager Vertrage von 1534 sollten Ritterschaft und Städte eine gleiche Grundsteuer aufbringen. Erstere er klärten dagegen, für ihr „Mundgut" (Acker und Wiesen unter eigenem Pflug) leiste sie bereits dem Könige die üblichen Dienste; die Städte bezogen sich darauf, daß sie vom Stadtvermögen auch die Ordnung im Lande zu bestreiten hätten. So blieben nur die liegenden Gründe der Bauern und die ein zelnen Bürgern gehörigen Stadtvorwerke übrig, um auf sie die dem gesammten Lande auferlegten Steuern abzuwälzen. Seit Ende des 15. Jahrhunderts werden aber auch mehr und mehr Klagen laut über rein eigenmächtige Steigerungen der bäuerlichen Leistungen durch einzelne Gutsherrschaften. Noch bestand ja in zahlreichen wendischen Dörfern die alte Hörigkeit fort; die von Anderen erworbene Zusicherung ge ringerer Dienste war im Laufe von 300 Jahren vergessen, man verlangte und erzwang daher von den deutschen Bauern ebenfalls, jeden Tag der Woche mit ihrem Geschirre und einem Knechte die herrschaftlichen Felder zu bestellen und sonstige Fuhren zu thun. Ebenso mußten die Gärtner mit ihren ' Frauen tagtäglich auf dem Felde oder im Hofe Handdienste verrichten; dazu erhöhte man die Abgaben. Diese neue Hörigkeit wurde aber um so unerträglicher, als die zumal in den deutschen Ortschaften fortgeschrittenen Culturverhältnisse das Unwürdige solcher Knechtschaft weit drückender empfinden ließen Zur Abfassung von Klagen fand sich nicht leicht ein Rechtskundiger bereit; überdies war das zur Geltung gekommene römische Recht den Freiheiten der Bauern keineswegs günstig. 251 In den Kauf- und Lehnbriefen der Rittergüter standen die allgemein üblichen Formeln: „mit allen Rechten, Zinsen, Diensten"; Beweise dagegen für nur „gesetzte"" Dienste waren zu schwierig, oder unmöglich. Da regte die Kunde von den Bauernaufständen in Süd deutschland auch in der Oberlausitz zu mehrfachen Erhebungen auf; freilich hatten diese Versuche zur Selbsthilfe nur die nachtheiligsten Wirkungen. Von den Gewaltthätigkeiten des oberlausitzischen Adels gegen seine Gutsunterthanen, die ihm nicht zu Willen sein wollten, giebt ein langes Verzeichniß in einer Klagschrift der Sechsstädte von 1531 geradezu schauder vollen Bericht. Selbst König Ferdinand's 1544 erlassene Befehle gegen die ungleiche Haltung der Unterthanen von Seiten der Städte und von Seiten der Ritterschaft führten zu keiner Besserung der Mißstände. Häufig schon hatten deshalb Bauern des Adels Haus und Hof verlassen, um in den Dörfern der Städte Zuflucht und Schutz zu suchen. Bald jedoch verloren die Sechssiädte durch den Pönfall (1547) ihre Güter nnd ihre Gerichtsbarkeit ging auf einen Landvogt über, der schon auf den bloßen Verdacht hin (wie es 1555 in einer Beschwerdeschrift an den König heißt) „fromme, gute, ehrliche Biederleute ganz unschuldig mit ganz geschwinden, grausamen und erschrecklichen Martern zerbunden, zerrissen, zerzerret, gesenget und gebrennet, so daß es einen Stein erbarmen mögen". Im Jahre 1562 gab Kaiser Ferdinand I. den Sechsstädten zwar die Obergerichtsbarkeit inner halb ihrer Städte und auf ihren Stadtdörfern zurück, aber auch alle Rittergutsbesitzer erhielten die Obergerichte auf ihren Gütern, und wenn auch der Kaiser hierbei einschärfte, die Verbrecher „nicht im Gefängniß verhungern oder gar sterben zu lassen'", auch nicht eigenmächtig mit Tortur und Hinrichtung zu verfahren, so waren doch jetzt die Bauern völlig der Gewalt und Will kür ihrer Gutsherren preisgegeben. Jede Weigerung, den immer mehr sich steigernden Zumuthungen nachzukommen, ward von nun an als Aufstand meist blutig geahndet. Eine Lememsame Klage von.^72 Darfschaften .aus dem Bautzner und Görlitzer Kreise, durch einen ausländischen Advo cate« 1618 an den neuen König Friedrich von Böhmen ge richtet, blieb ohne Erfolg; auch der Schutz des Kurfürsten von Sachsen Johann Georg I., als vom Kaiser geordneten Commissars, den die Bedrängten 1620 anriefen, konnte unter damaligen politischen Wirren denselben nicht nach dessen Wunsche zu Theil werden. Als 1635 die Oberlausitz in den Erblehn- besitz des Kurfürstenthums überging, ward allerdings von Dresden aus eine strengere Aufsicht über die Maßnahmen der Stände geübt, so daß die Stellung der Bauernschaft unter sächsischem Regimente zunächst wenigstens keine schlimmere wurde, als unter dem bisherigen böhmischen. * * * Die Folgen des dreißigjährigen Krieges brachten auch für die Gutsunterthanen in der Oberlausitz neue eigenartige Verhältnisse. Allenthalben gab es jetzt in den Dörfern „wüste Güter", zu denen sich kein Erbe meldete, die auch keiner der Dorfbewohner übernehmen mochte. Daher schlugen solche die Gutsbesitzer entweder zu ihren Hoseseldern oder versahen sie aufs Neue mit Gebäuden und Inventar und besetzten sie mit „neuen Wirthen", die nun echte Lassen waren. Den mehrfach ausgeübten Zwang, solchen wüsten Grund anzunehmen, mußte schon die Unterthanenordnung von 1651 verbieten. Bezeich nend für die damaligen Zustände ist es, daß die neuen Wirthe geloben mußten, solchen nicht zu verlassen, ohne einen anderen, der Herrschaft genehmen Nachfolger gestellt zu haben. Auch die während der Kriegsdrangsale fortbewirthschafteten Erbgüter wurden jetzt nur als Laßgüter behandelt. Daß das andauernde heimliche Fortziehen von Bauernfamilien lediglich in den unerträglichen Diensten und in unerschwinglichen Ab gaben seinen Grund habe, erkannte wol die Regierung; allein ein kurfürstliches, hierin ordnendes Mandat von 1715 blieb thatsächlich unbeachtet. Vielmehr suchten jetzt auch berufene Rechtslehrer aus dem Begriffe der Unterthänigkeit alles das als rechtliche Forde rung theoretisch zu erreichen, was bisher nur einzelne be sonders eigennützige Gutherren verlangt hatten; die mildere Praxis auf den Stadt- und Klosterdörfern blieb unberücksichtigt. Unterthanen- und Gesindeordnungen bildeten auf den Landtagen zu Bautzen, wo natürlich die Ritterschaft überwog, regelmäßige Verhandlungen, aus denen das Landesgesetz hervorging Von besonderer Bedeutung ward die vom Kurfürsten Johann Georg I. 1651 bestätigte Unterthanenordnung, die mit den nachfolgenden strengen Erlassen bis in die Neuzeit in Kraft blieb. Dieselbe bezeichnet zum ersten Male die Unter- 'thanen als „auf den Grund gewidmet"", als „zugehöriges Stück des Rittergutes'", und spricht das Recht der Herrschaft aus, ihre Unterthanen auch wider deren Willen „auszukaufen", so wie die Pflicht der letzteren, die hierdurch wesentlich ver größerten Felder der Herrschaften mitzubestellen. Durch Johann ^Georg II. fand 1672 dieses Recht noch ausdrückliche Be ^stätigung. Beim Besitzwechsel von Banergütern hatte der Gutsherr „den Abzug"' zu erhalten, einen Procentsatz von der Kaussumme; bei Erbschaftsfällen erhob derselbe außer dem „Vorfang", womit das werthvollste Stück Vieh beansprucht wurde, noch von den einzelnen Erben den „Theilschilling", d. h. von jedem ausgezahlten Erbgelde mußte ein Antheil, der Mitte des 18. Jahrhunderts 2^ betrug, entrichtet werden. Dazu galt das Vorkaufsrecht, wonach die Unter thanen verkäufliches Getreide oder Vieh zunächst der Herrschaft anzubieten hatten. Die Ausnutzung der Arbeitskraft führte zu besonderen Be stimmungen, die sich bis auf nächtliche Wacht- und auf Botendienste erstreckten, sowie die Zeitdauer eines Hofetages festsetzten. Mitte des 18. Jahrhunderts hatten im Allgemeinen die vollen Landesüblichen Dienste für die Bauern mit ihrem Gespann !von früh 6 Uhr im Sommer, von 8 Uhr im Winter bis Sonnenuntergang, dagegen die für die Gärtner und Häusler von ^Sonnenaufgang bis Untergang zu währen; bei der Getreide ernte aber galt keine festgesetzte Stundenzahl mehr. Kost und Lohn betreffend, so erhielten die Bauern wol nirgends Lohn, auf vielen Höfen aber wenigstens während der Ernte Früh stück, Mittags- und Vesperbrod; die Gärtner und Häusler da gegen hatten nur eine bestimmte Anzahl Tage im Jahre ganz ohne Lohn und Kost zu arbeiten; außerdem wurde ihnen beides gegeben. Der Lohn für die Männerarbeit betrug in der Regel das Doppelte des für die Weiberarbeit. Die Kinder der Unterthanen galten ebenfalls als der Herrschaft verpflichtet und hatten sich zu gewöhnlicher Dienst zeit (Martini) jährlich zu melden; für einen etwaigen Gunst schein zu Entfernung auf kurze Frist war jedesmal 1 Thaler als Schutzgeld zu erlegen. Durch diese Anordnung vom Jahre 1727 wurde das Erlernen eines Handwerks oder «sonstiger „Handthierung" in den Städten erschwert; auch stu- diren, in Städten Handel treiben oder in Kriegsämter treten durften sie nicht ohne Vorwiffen der Herrschaft, andernfalls hatten sie des Schadens und Abgangs wegen sich billig mit der Herrschaft zu vergleichen. Den Eltern war somit jede Verfügung über die Zukunft ihrer Kinder von vornherein abgeschnitten. Selbst das Verheirathen der Unterthanenkinder hatten viele Herrschaften zu hintertreiben gesucht unter dem Vor wande, daß sie dieselben zu eigenem Dienste brauchten. Nach 1723 mußte ein Verbot dagegen erneuert werden, daß Mäd chen nicht heirathcn sollten, bevor sie auf dem Hofe gedient, ! und daß ihnen, wenn sie in ein fremdes Dorf heiratheten, noch Geld für einen „Losbrief" abgefordert werde. Nur sollte ein eben bei der Herrschaft stehendes Mädchen dieselbe rechtzeitig von ihrem Vorhaben in Kenntniß setzen, widrigenfalls sie . noch ein ganzes Jahr im Dienste zurückgehalten werden konnte. Gegen widerwillige und ungehorsame Unterthanen wurde zumeist das Recht der Pfändung geübt; aber auch sie zu schlagen, stand der Herrschaft frei, nur sollte sie nicht „mit zu heftigen Schlägen tractiren"