8 Die Stellung der Gutsunterthancn in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaften. behielten vor allem ihre wendische Sprache. So war es wenigstens, wie urkundlich feststeht, in den Wettinischen Ländern an der Saale und Elbe noch im zwölften und dreizehnten Jahrhundert; so wird es daher auch in der Oberlausitz gewesen sein. Noch im 16. Jahrhundert gab es in Bautzen ein besonderes „wendisches Landgericht", in welchem dje Rechtsangelegenheiten der wendischen Landbevölkerung durch wendische „Landgerichtsschöppen" unter Vorsitz eines ebenfalls wendischen „Landrichters", jedenfalls Inhaber einstiger Supangüter, und zwar in wendischer Sprache für die landesherrliche Ober lausitz erledigt wurden, während das Bisthum Meißen für feine zahlreichen wendischen Ortschaften in der Oberlausitz bis Anfang des gegenwärtigen Jahr hunderts einen eigenen „Dingstuhl zu Göda" bestehen ließ, wo in gleicher Weife von wendischen „Amtslandschöppen", unter Vorsitz eines ebenfalls wendischen „Amtslandrichters" Recht gesprochen wurde?) Weit epochemachender, als irgend einer der erwähnten häufigen Herrschafts wechsel, war für die Landbevölkerung der Oberlausitz wie all der ehemaligen Slavenländer die friedliche Einwanderung zahlreicher deutscher Coloni st en seit Ende des zwölften oder Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Der mit slavischer Zähigkeit noch immer beibehaltene Holzpflug machte nicht nur ein tieferes Aufreißen und Umstürzen des Ackerbodens unmöglich, sondern ver hinderte auch das weitere Urbarmachen von steinigtem und wurzelvollem Neu land ; und in all jenen Ländern gab es noch viel culturfähiges, aber zur Zeit noch mit dichtem Wald bestandenes oder gebirgiges Terrain. Die slavischen Gutsunterthanen bebauten laß und träge die ihnen zugetheilten Aecker; es waren nicht ihre eigenen Felder; morgen konnten sie ihnen von dem Gutsherrn genommen werden, und innerhalb weniger Jahre wurden sie sicher Anderen zugewiesen. Das Zinsgetreide aber, welches davon an den Gutsherrn geliefert wurde, war fchlecht und mußte von diesem erst auf den Markt gefahren werden, bevor er es in Geld umzusetzen vermochte. Und Geld, nicht aber Getreide brauchte der Landesherr wie der Rittersmann aller Orten?) Da hatten nun schon im elften Jahrhundert furchtbare Sturmfluthen an den Küsten der Niederlande weite Striche wohlbebauten und stark bevölkerten Landes weggerissen und in den Wellen begraben; anderen Gegenden drohte das gleiche Schicksal. Da bot zuerst (1106) Erzbischof Friedrich von Bremen diesen gefährdeten Niederländern Land zu neuen Wohnsitzen auf seinen: Gebiete an. Bald suchten auch Fürsten und sonstige Großgrundbesitzer in den ehemaligen Slavenländern größere oder kleinere Scharen jener betriebsamen, in der Bodenkultur, wie in mancherlei Gewerbe wohl erfahrenen und ver- hältnißmäßig wohlhabenden Fläminge in ihre Territorien heranzuziehen. Auch anderswo in dem westlichen und südlichen Deutschland war im Laufe der Jahrhunderte alles kulturfähige Land längst in feste Hände gekommen; zumal die jüngeren Söhne der Bauerfamilien fanden nirgends mehr leicht Grund und Boden zu eigener Bewirtschaftung. So gab es denn alsbald aller i) Licschke, Gesch. des Ortes und der Parochie Göda. 1876. 11 Anm. Knothe, Rechtsgeschichte der Oberlausitz 34. Laus. Magaz. 1877. 194. Noch jetzt heißt der Gasthof zu Göda, in welchen: einst dieses Gericht abgehalten zu werden pflegte, „Zum Landgericht". ?) Ueber die Vortheile der Dorfaussetzungcn nach deutschem Recht vergl. Zeitschrift d. Ver. f. Gesch. Schlesiens XI. 408 ff.