Volltext Seite (XML)
/o t Gutsunterthanen in eine gleiche Knechtschaft (servitns) gerathen, wie die, in welcher die wendischen sich von jeher befunden hatten. Endlich schuf in den 30er Jahren unserS Jahrhunderts die Ablösung aller gutS- herrschaftlichen Abgaben und Dienste durch den Staat auch in der Oberlausitz zu beiderseitigem Vortheil einen freien Bauernstand, auf welchem zum guten Theile die jetzige günstige Finanzlage des Königreichs Sachsen mit beruht. — Es ist ein vielfach trübes, aber interessantes Culturbild, welches der Verfasser, überall auf urkundliche Belege sich stützend, entwirft. Er behandelt den reichhaltigen Stoff in folgenden Ab schnitten: 1) Wenden und Deutsche. 2) Der Bauer und seine Hufe. 3) Gärtner, Häusler, Lassiten. 4) Das Dorfgericht. 5) Die Dorfgemeinde. 6) Die Leistungen an den Landesherrn. 7) Die Bedrückungen der Gutsunterthanen durch ihre Herrschaften und die Aufstände der ersteren. 8) Die theoretische und prak tische Weiterentwickelung der Erbunterlhänigkeit. 9) Die Zeit der Aufklärung und die endliche Ablösung der Dienste und Abgaben. — Zum Schluß bringt das Magazinheft in üblicher Weise Nachrichten aus den Lausitzen, Anzeigen und Recensionen von Büchern und Nachrichten aus der Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz. * Die oberste Chorclosse des königl. Lonser- vatoriums für Musik wird nicht, wie in verschie denen hiesigen Tagesblältern bemerkt wurde, in dem Mittwoch stattfindenden Concert im Saale des Ge werbehauses mitwirken, aber am Montag den 18. d. eine Chorioirse rm Börsensaale für die Zwecke de- Patronatvereins des kgl. Conservatoriums veranstalten. Literatur. Das kürzlich ausgegebene zweite Heft vom 61. Jahrgange des „Neuen lansitzischen Magazins* enthält alt einzige wissenschaftliche Arbeit die umfängliche, von der oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften geklönte Preisschrift von Prof. Or. Knothe in Dresden über „Die Stellung der GutS- untertyanen in der Oberlausitz zu ihren Gutsherr schaften von den ältesten Zeiten bis zur Ablösung der Zinsen und Dienste* (auch als Sonderabdruck er schienen Dresden, Hosbuchhandlung von Warnatz und Lehmann). Der Verfasser zeigt, wie die slawische Landbevölkerung, also die Wenden, sich von jeher und bereits unter ihren nationalslawischen Fürsten und Gutsherren in einem Zustande völliger Hörigkeit be fand und zumal zur Bestellung der herrschaftlichen Felder, sowie zur Besorgung aller und jeder land- wirthschaftlichen Arbeiten auf dem herrschaftlichen Hofe verpflichtet war. Die im Laufe des 12. und 13. Jahrhundert« auch in die Oberlausitz eingewavderten deutschen Lolonisten dagegen waren freie Leute, be saßen ihre um baareS Geld erkauften Hufen zu Erbe, entrichteten davon einen jährlichen ErbzinS in Geld und leisteten, als Zeichen der Abhängigkeit ihrer Guts herren, ebenfalls eine, aber nur ganz geringe, fest- bestimm^e Anzahl von Tagen (1 bis 6 im Jahre) Frohndienste. Seitdem gab es also zwei ganz ver- schiedene Gattungen von Gutsunterthanen im Lande. AlS aber gegen Ende des 15. Jahrhunderth der Werth der Edelmetalle in ganz Europa außerordentlich sank und zumal in der Oberlausitz infolge immer größerer Münzverschlechterung der Werth des von den deutschen Bauern zu zahlenden ErbzinseS sich fast um das Zehn fache verringert hatte, suchten die zum größten Theile verarmten Gutsbesitzer, also wesentlich der Adel, sich auf Kosten ihrer Unterthanen, zumal der in den deut schen Dörfern, schadlos zu halten. Schriftlicye Ur kunden über die Anzahl der zu leistenden Hoselage waren jenen deutschen Lolonisten nicht ausgestellt wor den; selbst die Erinnerung daran, weshalb von den selben nur eine so geringe Anzahl verlangt worden, war im Laufe der Jahrhunderte geschwunden; jetzt lag für die Gutsherren nur die anomale Thmsache vor, daß die einen derselben von ihren (wendischen) Unterthanen unweigerlich die „vollen, ungemessenen" Dienste geleistet erhielten, während die anderen auf ihren (deutschen) vielfach unmittelbar angrenzenden Dörfern blos „gemessene, gesetzte* Dienste sollten ver langen dürfen. So begehrten denn seit dem 16. Jahr hundert die meisten Gutsherren auch von ihren deut schen Unterthanen mehr Dienste, als bisher üblich, legten ihnen unter verschiedenen Namen neue Abgaben auf und beschränkten deren persönliche Freiheit durch allerhand neue, zunächst nur willkürliche Best mmungen Allein diese Bestimmungen erhielten nach und nach durch die von den Landständen entworfenen und von den Landesherren bestätigten Landesordnungen gesetz liche Kraft für das ganze Land. Die 1562 allen Rittergutsbesitzern verliehene Obergerichtsbarkeit auf ihren Gütern bot denselben die Möglichkeit, die etwa widerstrebenden Unterthanen mittelst Pfändung, Ge- fängniß und körperliche Mißhandlungen zur Uebernahme auch der gesteigerten Dienste und Abgaben zu zwingen. Die rechtlichen Klagen, welche viele Dorfgemeinden des halb erhoben, wurden von den meist mit adlichen Richtern besetzten Aemtern zu Bautzen und Görlitz nicht leicht im Sinne der Kläger entschieden; gingen doch die Rechtsanschauungen der ganzen Zeit über haupt au? Stärkung wie der landesherrlichen, so auch der guts herrlichen Gewalt. Schon tue blose Verabredung ge meinschaftlicher Maßregeln zur Abwehr der neuen ihnen abverlangten Dienste und Abgaben ward als „Conspiration" betrachtet und nieist mit Hinrichtung der „Rädelsführer geahndet. Endlich wiarde sogar von den Behörden der Grundsatz ausgesprochen, daß alle Unterthanen in der Oberlausitz, falltt incht das Gegentheil erwiesen wurde, zu den „vollen, unge- meßnen, täglichen Diensten* verpflichtet seien. Die Verheerungen des 30jährigen Krieges verschlimmerten noch die Stellung der Unterthanen. In allen Dörfern lagen zahlreiche Bauerngüter und Gärtnernahrungen „wüst*. Die Gutsherren bauten die Gebäude wieder auf und besetzten die Güter mit neuen „Wirthen*, gaben denselben auch ein nothdürstigeS Inventar, be stimmten aber dafür nun selbst die Leistungen und Abgaben, welche die neuen Wirttze davon zu entrichten haben sollten. So wurden die ehemaligen Erbgüter zu Lastgütern. Mit Diensten überladen, vermochten aber diese Bauern und Gärtner in sehr vielen Fällen weder sich und ihre Familie zu ernähren, noch alle die Abgaben an Herrschaft, Kirche, Gemeinde. Staat abzuentrichten. So verließen zahllose Familien ihre Güter und „entwichen* in andere Länder, wo minderer Druck auf der Landbevölkerung lastete. Dies aber gab Anlaß zu einer neuen ausführlichen Gesetzgebung behufs Verhinderung des Entweichens und behufs Zurückforderung und Bestrafung der Entwichenen. So waren nach und nach fast überall in der Ober lausitz, nur die den Sechsstädten und den Klöstern ge hörigen Ortschaften ausgenommen, auch dte deutschen