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UZ-REZENSION G emeinsam zum Sozialismus, Zur Geschichte der Bündnispolitik der SED, hg. v. Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Lehrstuhl Geschichte der deutschen Arbei terbewegung, Autorenkollektiv (Helene Fiedler, Heinz Gambke, Willi Herferth, Heinz Hümmler, Heinz Moritz, Kari Reißig, Rolf Stöckigt), Dietz Verlag, Berlin 1969, 507 Seiten, 17 Bilder, 20 Ta bellen, 13,50 M. In vier Kapiteln, die der uns bekannten Periodisierung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung nach 1945 entsprechen, zeich nen die Autoren ein anschauliches Bild von der schrittweisen Herausarbeitung der bündnispoli tischen Konzeption der SED und ihrer Verwirk lichung im erbitterten Klassenkampf zwischen den Kräften des Sozialismus und der Demokratie auf der einen und des Imperialismus und der Reaktion auf der anderen Seite. Dabei ist es äußerst verdienstvoll, daß die vorliegende Arbeit versucht, die Bündnispolitik der SED zum ersten Mal zusammenhängend vom Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945 bis zur Annahme der sozia listischen Verfassung in ihren Grundzügen dar zustellen. Die Autoren folgen damit der wissen- schaftlich und politisch gleichsam bedeutsamen Forderung nach Längsschnittuntersuchungen, sprechungen, Lockungen, Drohungen der impe rialistischen Bourgeoisie gegenüberstanden, — daß die SED im Kampf um den Sieg der antifaschistisch-demokratischen und der sozia listischen Revolution und bei der Gestaltung eines entwickelten sozialistischen Gesellschafts systems stets die geineinsamen Grundanliegen aller Bündnispartner in den Mittelpunkt ihrer Politik stellte und den gemeinsamen Kampf um ihre Lösung organisierte, — daß nur dann, wenn der Weg der werktätigen Bauernschaft an der Seite der Arbeiterklasse in der jeweiligen historischen Phase genau vorgezeichnet war und bereits beschritten wurde, auch alle anderen Probleme der Bünd nispolitik mit den anderen sozialen Klassen und Schichten lösbar waren. Die Autoren stellen mit Recht fest: „Die Par tei der Arbeiterklasse hat stets klar ausgespro chen, was den gesellschaftlichen Interessen dient und was ihnen entgegensteht. Die Bündnispolitik der SED war keine ,Politik mit Augenzwin kern 1 , sondern eine prinzipienfeste, bewegliche, differenzierte, geduldige und aufrichtige Poli tik zur konstruktiven Zusammenarbeit beim Aufbau des Sozialismus.“ 3 Die historische Leistung der SED auf bünd- Der Weg zur sozialistischen Menschengemeinschaft nachdem' bereits im vergangenen Jahr Hans Müller und Karl Reißig eine Monographie zur Wirtschaftsgeschichte der DDR 1 herausgaben. Der Arbeit liegt die marxistisch-leninistische Erkenntnis zugrunde, daß das Bündnis der Ar beiterklasse mit den werktätigen Bauern und allen anderen werktätigen Schichten eine grund legende Gesetzmäßigkeit der) Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus und der Ge staltung eines sozialistischen Gesellschafts systems ist. Von der Breite und Tiefe des Bünd nisses bei der Eroberung, Sicherung und Entfal tung der politischen und ökonomischen Macht der Arbeiterklasse hängen in bedeutendem Maße das Tempo und die Formen des Übergangs zum Sozialismus ab. Deshalb ist die Bündnispolitik auch integrierender Bestandteil der Strategie und Taktik jeder marxistisch-leninistischen Par tei. Der bündnispolitischen Konzeption der mar xistisch-leninistischen Partei der deutschen Arbeiterklasse lag die von Allgemeinbedeutung getragene Erkenntnis zugrunde, „vor allem zwi schen den Arbeitern und den werktätigen Bauern einen Bund von solch sozialer Stabilität zu formieren, daß um diesen festen Kern eine breitere, der imperialistischen Bourgeoisie keine Reserven überlassende Bündnisfront entstehen konnte.“ 2 Es gehört zu den Vorzügen dieser Publikation, daß sie überzeugend den Nachweis führt und dabei eine Fülle von bisher unveröffentlichtem Archivmaterial als Belege anführt — daß die praktische Realisierung der Bündnis politik der SED härtester Klassenkampf be deutete, revolutionäre Geduld und Ungeduld. Konsequenz und Verantwortung, Weitsicht und Flexibilität erforderte, — daß die Bündnispartner zu keinem Zeitpunkt des Klassenkampfes allein gelassen wurden und somit isoliert und allein den ideologischen, politischen und ökonomischen Werbungen, Ver- nispolitischem Gebiet besteht vor allem darin, daß sie in schöpferischer Anwendung dr Le ninschen Lehren auf dem Boden eines am Ende des zweiten Weltkrieges durch materielles Chaos und geistige Verwirrung gekennzeichneten Lan des, unter den Bedingungen der ständigen un mittelbaren Konfrontation mit dem imperialisti schen Klassengegner und an einem Brennpunkt des Klassenkampfes zwischen dem sozialisti schen und dem kapitalistischen Weltsystem die Millionenmassen des werktätigen Volkes im Kampf gegen das Alte, die deutsche Monopol bourgeoisie, zu einer geschlossenen Volksfront vereinigte, aus der im schöpferischen Wirken aller Klassen und Schichten um das Neue, das sozialistische Gesellschaftssystem, sich Schritt für Schritt die sozialistische Menschengemeinschaft erhebt. Die vorliegende Publikation ist übersichtlich nach systematischen Gesichtspunkten innerhalb der historischen Zeitabschnitte gegliedert und über weite Strecken flüssig und interessant ge schrieben, wenngleich einige Wiederholungen und Längen vermeidbar gewesen wären. Stärker ins Gewicht fällt, daß die Darlegungen über die bündnispolitische Konzeption der SED gegen über der Intelligenz und die Realisierung die ser Politik den durch die 10. Tagung des ZK der SED gesetzten Maßstäben nicht in allen Ab schnitten gerecht wird. Mit dem Buch „Gemeinsam zum Sozialismus“ liegt eine Veröffentlichung vor, die zugleich ein Stück Geschichte des Werdens des neuen sozia- listischen Menschen in allen Klassen und Schichten unserer Gesellschaft zeigt. 1 Hans Müller/Kar Reißig, Wirtschaftswunder DDR, Ein Beitrag zur Geschichte der ökonomischen Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Dietz Ver lag, Berlin 1968 2 Gemeinsam zum Sozialismus, a. a. O., S. 31 3 ebenda, S. 207 Dr. Dietmar Keller Ausblick nach neuen Horizonten Sozialismus und Ideologie. Heraus gegeben von Werner Müller, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1969, 318 S., 12 Mark. Auf der 4. Sitzung der SED-Kreis leitung unserer Universität, die sich mit dem Stand der Erfüllung der Beschlüsse der 9., 10. und 11. Tagung des ZK der SED auf dem Gebiet der Gesellschaftswissenschaften und dem Politbürobeschluß vom 22. 10. 1968 befaßte, konnte Prof. Dr. Frank Fied ler, Direktor der Sektion Philoso- phie/Wissenschaftlicher Sozialis mus dem Sekretariat als Beitrag zum 20. Jahrestag der DDR das Buch „Sozialismus und Ideologie“ über geben. Dieser Sammelband ist das Ergeb nis der Arbeit einer von Prof. Dr. Werner Müller geleiteten For schungsgruppe „Theorie des sozia listischen Bewußtseins“. In fünf Ka piteln, die einen relativ geschlos ¬ senen und selbständigen Charakter tragen, werden behandelt: „Das ent wickelte gesellschaftliche System des Sozialismus und das Bewußtsein der Menschen“ (Werner Müller), „Der marxistisch-leninistische Be griff der Ideologie und Wesen und Funktionen der sozialistischen Ideo logie“ (Harald Schliwa), „Wissen schaft und Parteilichkeit“ (Horst Kramer), „Das sozialistische Per spektivbewußtsein und die Einheit von Wissenschaft und Ideologie“ (Renate Kramer) sowie „Persönlich keit und Entwicklung der sozialen Gefühle im Sozialismus“ (Dieter Wei gert). Mit dieser Thematik kommen die Autoren einer unmittelbaren An forderung der Partei nach, denn es heißt im Beschluß des Politbüros vom Oktober 1968 über die weitere Entwicklung der Gesellschaftswis senschaften: „Die Aufgabe und Ver antwortung besteht darin, einen theoretischen Vorlauf zu schaffen und an der Ausarbeitung der Gesell schaftsprognose mitzuwirken, die die Grundlage für die Strategie und Taktik der Partei und die Politik des sozialistischen Staates darstellt. Die marxistisch-leninistischen Gesell schaftswissenschaften schaffen die theoretischen Voraussetzungen und die wissenschaftliche Methodologie für die sozialistische Bewußtseins entwicklung.“ Die Lösung des Problems ist an zwei Voraussetzungen gebunden: die Erforschung der Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Bewußtseins selbst und die Aufdeckung der Ge setzmäßigkeiten der Planung und Leitung des gesellschaftlichen Be wußtseins. Gleichzeitig müssen soziologische und erkenntnistheoreti- sehe Aspekte beachtet werden. Das Verdienst des Herausgebers und das der Autoren besteht darin, daß sie sich einem Gebiet zuge wandt haben, dessen Bedeutung zu seiner bisherigen wissenschaftli chen Bearbeitung in einem diametra len Gegensatz steht. Die vorliegen den Ergebnisse beziehen sich vor allem auf die Untersuchung der Ge setzmäßigkeiten des sozialistischen Bewußtseins selbst, wobei erkennt nistheoretische Aspekte überwiegen. Alle Beiträge sind auf einer relativ hohen Abstraktionsstufe geschrieben, so daß derjenige, der mit unmittel baren propagandistischen Akzenten an das Buch herangeht, es ent täuscht aus der Hand legen wird. Daß das so ist, ist keinesfalls die Schuld der Autoren, sondern zeugt von dem fehlenden theoretischen Vorlauf. Der kühne Versuch ist mit den Mängeln des ersten Experimen tes behaftet. Ebenso wie andere Themen kann auch die Theorie des sozialistischen Bewußtseins nicht von den Philosophen im Alleingang bewältigt werden. Deshalb sind alle Gesellschaftswissenschaftler. alle Funktionäre, Propagandisten und Lehrer zur Diskussion aufgerufen. Nach den letzten Plenartagungen und der Moskauer Beratung dürften einige Probleme an Präzision gewin nen, auch hätte die Auseinanderset zung mit spätbürgerlichen Auffas sungen stellenweise mit noch größe rer Deutlichkeit geführt werden können. Diese Kritik wird jedoch durch die großartige Gesamtleistung weit in den Schatten gestellt. Dr. Günter Katsch Eine Illustration zur Moskauer Erklärung Asien, Afrika, Lateinamerika 1969. Bilanz — Bericht — Chronik, Zeit raum 1968. Bearbeitet für die Sek tion Afrika/Nahost-Wissenschaften der Karl-Marx-Universität Leipzig von Dr. Werner Loch, VEB Deut scher Verlag der Wissenschaften, Ber lin 1969, 392 Seiten, 25 Mark. Im Hauptdokument der Moskauer Beratung heißt es: „Im letzten Jahr zehnt ist die Rolle der antiimperia listischen Bewegung der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas im revolutionären Weltprozeß wei ter gewachsen.“ Es ist ein Verdienst des ehemaligen Rates für Asien-, Afrika- und Lateinamerikawissen schaften bzw. der jetzigen Sektion Afrika/Nahost-Wissenschaften, seit 1966 in einem jährlich erscheinenden Handbuch diese revolutionäre Ent wicklung nachgezeichnet zu haben. Das vor wenigen Wochen erschie nene vierte Werk dieser Reihe (seit 1968 hat W. Loch die Bearbeitung übernommen) knüpft in Anliegen und Aufbau an die bereits mit Bei fall aufgenommenen vorhergehenden Ausgaben an. In vier Hauptabschnitten geben Wissenschaftler der Sektion Afrika- Nahost-Wissenschaften und Ge schichte einen Überblick über die nationale Befreiungsbewegung in Süd- und Südostasien (A. Krause/ G. Selter), in den arabischen Län dern (L. Rathmann), im subsahari- schen Afrika (H. Loth) und in La teinamerika (J. Kübler) im Jahre 1968. Jeder Abschnitt enthält dar überhinaus eine Chronologie. Einzelne Aufsätze gehen unter verschiedenen Aspekten hinaus: ..Vietnam 1968 — dem Frieden einen Schritt näher“ (G. Lulei), „Zur Rolle internationaler panislamischer Orga nisationen in der Befreiungsbewe gung der arabischen Völker“ (G. Höppe) und „Die historische Defensivposition des Imperialismus und Tendenzen seiner modernen Kolonialapologetik“ (K. Büttner). Der Anhang enthält eine Biblio graphie der DDR-Zeitschriftenlitera tur des Jahres 1968 zur nationalen Befreiungsbewegung und einen Be richt aus der Arbeit der Sektion im Jahre 1968, der von vielfältiger Akti vität in Forschung, Publikation und Lehre zeugt. Wenn G. Brehme im Vorwort des Bandes schreibt, daß die wissen schaftliche Theorie der revolutionä ren Arbeiterklasse von jeher aus der Praxis und den historischen Er fahrungen der gesamten Mensch heit geschöpft habe und daß jene Erfahrungen des Denkens und Han delns der revolutionären Kräfte in den Ländern Asiens. Afrikas und Lateinamerikas für die wahre Ent wicklung des Marxismus-Leninis mus bedeutungsvoll sind, so vertritt er nicht nur eine berechtigte und immer wieder erhobene These, son dern besitzt mit seinem in diesem Sinne wirkenden Kollektiv einen wertvollen Beitrag für den Kampf der Partei und für die marxistische Weltgeschichtsschreibung. G. K. Vom Hegelianer zum Kommunisten 1967 erschien im Rahmen der Reihe „Marx/Engels, Werke“ (MEW) Teil 2 des Ergänzungsbandes mit dem Frühwerk von Friedrich Engels (bis zur Begegnung mit Karl Marx im August 1844), soweit es nicht schon in anderen Bänden der MEW ent halten war. 1969 wurde Teil 1 des Ergän zungsbandes ausgeliefert. Er umfaßt die in Bd. 1 und 27 der MEW nicht abgedruckten Frühschriften von Marx: Manuskripte, Ar tikel und Briefe von 1835—1844, soweit sie bekannt sind (nicht erhalten ist z. B. die „Abhandlung über christliche Kunst“), so wie in Auswahl die Exzerpthefte jener Zeit. Mit dem vorliegenden Band ist die Edi tion der MEW abgeschlossen. Ihr wird zu gegebener Zeit eine historisch-kritische Marx/Engels-Gesamtausgabe zur Seite tre ten, vgl. dazu „Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, 1968. H. 5. Den Band eröffnet der bekannte Brief, den der 19jährige Student Marx am 10. 11. 1837 an seinen Vater geschrieben hat. Er gibt eine Rückschau auf das erste Jahr des Studiums in Berlin und zeigt vor allem. Wie Marx zur Philosophie Hegels gekom men ist. Es ist der früheste überlieferte Brief von Marx und zugleich der einzige, der aus seiner Studentenzeit erhalten ge blieben ist. Hauptbestandteil des 700 Seiten starken Bandes sind die „Hefte zur Geschichte der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie“, die ursprünglich als Vor arbeiten für eine umfangreiche Schrift vor gesehen waren. Marx benutzt sie dann als Material für seine Dissertation, die ein Teil problem dieses Themas behandelt: die „Differenz der demokritischen und epi kureischen Naturphilosophie“. Mit ihr pro movierte Marx 1841 in Jena. Daß er es dort tat, hatte praktische Gründe. Es war für Marx, der seinen Berliner Aufenthalt vor allem aus finanziellen Gründen rasch be enden mußte, aber einen akademischen Abschluß brauchte, wenn er die wissen schaftliche Laufbahn einschlagen wollte (seine Hoffnungen auf eine Privatdozentur UZ 46/69, Seite 5 in Bonn zerschlugen sich dann allerdings), eine Termin- und Gebührenfrage: in Jena ging die Promotions-Prozedur rasch, unter relativ geringen Kosten und in jeder Weise unkompliziert vor sich. Es gab keine Prü fung, Marx hat alles auf dem Postweg er ledigt. Promotion in absentia war damals an kleineren Universitäten durchaus üb lich: so wurden 1813 in Jena Schopenhauer und um 1840 in Erlangen Hebbel in Ab wesenheit zum Dr. phil. promoviert. Dies hat F. Herneck in „Bfeiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, 1969, H. 1, dargelegt. Marx hat seine Dissertation nie drucken lassen, wohl weil er ihre The matik später in einem größeren Rahmen behandeln wollte (261). Die nur z. T. er haltene, erstmals 1902 durch Franz Meh ring und dann wieder 1927 in der MEGA publizierte Arbeit ist ebenfalls im Ergän zungsband abgedruckt. Weiter enthält der Band verschiedene Ausarbeitungen von Marx zu aktuell-politi schen Themen, z. B. die stark ironischen „Illustrationen zu der neuesten Kabinetts stilübung Friedrich Wilhelm IV.“ sowie militante Bemerkungen zur Pressezensur (1842/44 war er erst Mitarbeiter, dann Chefredakteur der ..Rheinischen Zeitung“), die mit den Worten beginnen: „Eine Rich tung wird offenbar nicht schon dadurch verwerflich, daß die preußische Regierung sie für verwerflich erklärt“. Mit der Ver teidigung der Pressefreiheit, mit dem von der revolutionär-demokratischen Position aus geführten Kampf für die politische Emanzipation des Volkes, für die Demokra tie und damit für die Interessen der ausge beuteten und unterdrückten Werktätigen trat er entschieden für die Rechte und und für die Freiheit des Volkes ein“ (XIII). Abgedruckt sind auch die unvollstän dig erhaltenen, erstmalig 1932 veröffent lichten ■ „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus dem Jahr 1844“, einer Zeit, in der Marx bereits eine materialisti sche und kommunistische Position ein nahm. Auch Engels begann sich 1842/44, während seines ersten Aufenthaltes in England, mit ökonomischen Fragen zu be schäftigen: „Ich war in Manchester mit der Nase darauf gestoßen worden, daß die öko- nomischen Tatsachen, die in der bisherigen Geschichtsschreibung gar keine oder nur eine verachtete Rolle spielen, wenig stens in der modernen Welt eine entschei dende geschichtliche Macht sind“ (XXIX). Die „Beilagen“, S. 591 ff., geben unter anderem drei Abituraufsätze von Marx wieder, darunter die in den Fächern La tein und Religion: „Zählt man das Prinzi pat des Augustus mit Recht zu den glück licheren Zeiten des Römischen Reiches?“ (in dem hier besprochenen Band ist eine deutsche Übersetzung von Marx* lateinisch abgefaßtem Aufsatz abgedruckt) und „Die Vereinigung der Gläubigen mit Christo nach Joh. 15, 1—14“. In dem Deutsch-Auf satz „Betrachtungen eines Jünglings bei der Wahl eines Berufes“ ist zum erstenmal bei Marx die Rolle der sozialen Verhält nisse im menschlichen Leben angedeutet: „Wir können nicht immer den Stand er greifen, zu dem wir uns berufen glauben; unsere Verhältnisse in der Gesellschaft haben einigermaßen schon begonnen, ehe wir sie zu bestimmen imstande sind“ (592). In dem Religions-Aufsatz von 1835 ist von der „leichtfertigen Philosophie“ der Epi kureer die Rede. Diese Bewertung ändert sich bald. In der Auseinandersetzung mit Hegels Geringschätzung der materialisti schen bzw. überhaupt der nachklassischen griechischen Philosophie beschäftigt sich Marx seit 1839 in Berlin intensiv mit den nacharistotelischen Philosophenschu len: mit den Skeptikern (vgl. Marx* „Be kenntnisse“ mit dem Lieblingsmotto „De omnibus dubitandum“ — An allem ist zu zweifeln!), mit den Stoikern, vor allem aber mit den Epikureern bzw. mit Epikur selbst, dem „größten griechischen Aufklärer“ (305). Zu gleicher Zeit befaßt sich der Evange- lienkritiker Bruno Bauer, Privatdozent in Berlin, anläßlich seiner Studien über den Ursprung des Christentums intensiv mit Epikureismus, Stoa und Skeptizismus. In diesen philosophischen Systemen ent decken die Berliner Junghegelianer, denen Marx und Engels zeitweilig nahestehen, Komponenten der eigenen Weltanschauung wieder: bei den Skeptikern den Zweifel, bei den Stoikern die republikanisch-demo kratische Gesinnung, bei den Epikureern die Forderung nach Lösung des Denkens aus religiöser Vormundschaft. Der philo sophisch-politische Aspekt der Beschäfti gung mit diesen hellenistischen Richtungen ist Marx wohl kaum weniger wichtig als der philosophiegeschichtliche. Bei der Be schäftigung mit der griechischen Philoso phie kommen Marx übrigens seine guten Kenntnisse der alten Sprachen zugute: der Jura-Student Marx hat bereits in Bonn intensiv Altertumswissenschaften studiert, u. a. bei G. F. Welcker und A. W. Schlegel; später liest er „abends zur Erho lung Appian im griechischen Original“ (Brief an Engels vom 27. 2. 1861). Es ist hier nicht der Ort, auf die spezielle Bedeu tung der Marxschen Dissertation für die Altertumswissenschaft hinzuweisen; das hat der Jenaer Gräzist E. G. Schmidt in einer Sonderausgabe der Promotionsschrift getan (Doktordissertation von Karl Marx, Jena 1964; vgl. auch „Philologus", 1969, H. 1). Die weitere Beschäftigung mit diesem Teil des Marxschen Werkes ist dadurch erleich tert, daß in dem vorliegenden Band erst malig alle einschlägigen von Marx vereinigt sind, und zwar gut aufberei tet: z. B. ist bei den „Heften“ und bei Marx* Anmerkungen zur Dissertation parallel zum Marxschen Original eine Fassung gedruckt, in der sämtliche Zitate in Übersetzung gegeben sind, so daß ein fortlaufender deutscher Text dasteht. Die Textgestaltung ist gegenüber den bis herigen Ausgaben in vielen Punkten ver bessert; die S. XXXIV gegebenen Bei spiele könnten durch die in „Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewe gung“, 1964, S. 1149, angeführten ergänzt werden. Eine historisch-kritische Ausgabe der „Hefte“ und der Dissertation bereitet der Berliner Althistoriker J. Mathwich vor. Nützliche Beigaben sind: das Vorwort, das sich auch auf Teil 2 des Ergänzungs bandes (Engels) bezieht; 45 S. Anmerkun gen; Register (leider kein Sachregister); eine Konkordanz, aus der man, ersieht, welche frühen Briefe und Schriften von Marx in den verschiedenen MEW-Bänden erschienen sind. Eine wertvolle und wür dige Gabe des Dietz Verlages zum Marx- Gedenkjahr 1968! Dr. Jürgen Werner HEUHDIETZ Wolfram Neubert/Klaus Zier mann Klassenbewußtsein gegen Manipula tion Dietz Verlag Berlin, 1969. 66 Sei ten. Mit 4 grafischen Darstellungen, Broschüre 0.60 Mark Rudi Weidig Sozialistische Gemeinschaftsarbeit Eine sozialistische Studie zur Ent wicklung von Gemeinschaftsarbeit. Arbeitskollektiv und Persönlichkeit n sozialistischen Industriebetrieben Dietz Verlag, 1969. 430 Seiten. Bro schüre. 6.80 Mark Arbeiterklasse und Kultur Kollektivarbeit "des Lehrstuhls Kul turpolitik der Parteihochschule „Karl Marx" beim ZK der SED unter Leitung von Marianne Lange. Dietz Verlag Berlin, 1969. 336 Sei ten. Broschüre. 7.50 Mark Karl Marx Wie ich meinen Schwiegersohn erzog Dietz Verlag Berlin, 1969. 196 Sei ten. Mit 10 Fotos, 2 Illustrationen nach zeitgenössischen Vorlagen und 4 Fak similes. Leinen. 8.50 Mark Im VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften erschien aus der Feder von Manfred Banaschak und Jörg Vorholzer „Mensch und Macht, Der Mensch in den ent gegengesetzten Gesellschafts systemen unserer Zeit". * Im Rahmen der Proseminare „Einführung in das Studium der Geschichte" hielt Dr. Werner Rötzsch, Generaldirektor der Deutschen Bücherei, Vorträge vor den Studenten des 1. Studienjah. res über Arbeitsweise und Auf gaben der deutschen National bibliothek, Dr. Rötzsch ließ es sich auch nicht nehmen, den Stu denten einen Einblick hinter die Kulissen zu ermöglichen.