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724 Nr. 10. .STAHL UND EISEN.“ October 1888. Eigenthümlich sind, wie schon öfters bemerkt wurde, in Amerika der Fleifs und die Intelligenz in der Anwendung. Es ist natürlich, dafs der ameri kanische Industrielle unter solchen Verhältnissen vor Investitionen nicht zurückschreckt, welche man sich bei uns, durch die Erfahrungen gewitzigt, dreimal überlegt. Diese glücklichen Verhältnisse ermöglichen auch eine Specialisirung in der Fabrication, wie sie uns nur als Ideal vorschwebt. Ich habe oben von einer Maschinenfabrik gesprochen, welche 80 ooo Getreide- Mähmaschinen erzeugt. Etwa eine Viertelstunde von dieser Fabrik entfernt fand ich eine andere Maschinen fabrik, welche jährlich 30 000 Gras-Mähmaschinen ver fertigt, und wiederum ganz nahe von der letzteren Fabrik stiefs ich auf ein Unternehmen, welches sich ausschliefslich mit der Herstellung von Pflügen befafst. Es ist mir die Anzahl der Pflüge, welche da in einem Jahre erzeugt werden, nicht bekannt, aber ich bin eine Stunde lang durch die Lagerräume geschritten, ohne rechts und links etwas Anderes als Pflüge in allen möglichen Dimensionen und Arten zu sehen. Diese weitgehende Theilung der Arbeit ist nur angesichts eines so bedeutenden Consums möglich und bringt den Vortheil mit sich, dafs Alles, selbst bei etwas ungünstigeren natürlichen Verhältnissen billiger erzeugt werden kann, als in Europa bei besseren natürlichen Voraussetzungen. So z. B. sind die natürlichen Be dingungen für die Eisenproduction in den Vereinigten Staaten insofern ungünstig, als die amerikanischen Roheisen-Producenten meist gezwungen sind, entweder ihr Erz oder ihre Kohle auf grofsen Strecken herbei zuschaffen. Infolgedessen ist trotz der ungemein entwickelten Roheisenindustrie und der vorzüglichen Hochöfen-Anlage der Erzeugungspreis des Roheisens bedeutend höher als in Europa, Rufsland ausgenommen. Hingegen wird die Stahlschienen-Erzeugung in einem solchen Mafse betrieben und mit so ausgezeichneten Maschinen und Einrichtungen bewerkstelligt, dafs der Herstellungspreis der Stahlschienen unter Berück sichtigung des hohen Roheisenpreises und der hohen Arbeitslöhne niedriger ist, als in irgend einem, selbst dem besten Werke Englands oder Deutschlands. Das gilt vom Bessemerstahl im allgemeinen. Die Edgar Thomson Works in Pittsburg, um ein Beispiel zu nehmen, haben eine jährliche Erzeugung von zwei Millionen Metercentner Stahlschienen. Die Erzeugung sämmtlicher Schienenwerke in Oesterreich wird durchschnittlich nicht viel mehr als eine Million Metercentner betragen. Dafs die Stahlschienen-Er zeugung auf einer ganz besonders hohen Stufe steht, ist begreiflich, wenn man sich vor Augen hält, dafs die Vereinigten Staaten bei einer Bevölkerung von etwa 55 Millionen Einwohnern über ein Schienennetz von 230000 Kilometern verfügen, während Oesterreich- Ungarn bei einer Bevölkerung von 39 Millionen nur 25 000 Kilometer Eisenbahnen besitzt, dafs ferner ein Zuwachs von 20 000 Kilometern in einem Jahre keineswegs als eine besonders günstige Conjunctur betrachtet wird. Das Gleiche gilt vom Waggon- und vom Locomotivbau. Etwas Aehnliches sehen wir in der Erzeugung von Draht und Brücken. Draht ist in Amerika ein bedeutend gröfserer Consumartikel als in Europa. Der Farmer ist gezwungen, seinen Besitz mit Drahtzäunen zu umgeben, und dieser Bedarf, sowie das Erfordernifs für die grofsen Telegraphen- und Telephon leitungen — die meisten grofsen Geschäfte haben ihre eigenen Drähte — bieten den Werken kolossale Be schäftigung. In der That gibt es in Amerika Draht walzwerke, welche das Drei- und Vierfache dessen leisten, was selbst in den besten deutschen Draht walzwerken erzeugt werden kann. Alles, was auf Transport Bezug hat, seien es nun Eisenbahnen, Dampf schiffe, Kanäle oder indirect Telegraphen und Tele phone, wird natürlich von einer Bevölkerung, welche auf einem bedeutend weiteren Territorium ausgebreitet, sehr emsig und fleifsig ist, in viel gröfserem Umfange in Anspruch genommen, als von einer gleich grofsen Bevölkerung, welche auf einem kleinen Territorium zusammengedrängt ist. Die Entwicklung aller Trans portmittel steht daher auch über der europäischen. Es ist eine Fabel, die man gewöhnlich erzählen hört, dals die amerikanischen Eisenbahnen mit grofsem Leichtsinn gebaut sind und dafs die Fahrt auf denselben eine ge fährliche ist. Jeder unserer Eisenbahn - Ingenieure und jeder unserer Eisenbahn - Betriebsbeamten kann von den Vereinigten Staaten lernen, wie man eine Bahn solid baut und wie man dieselbe unter den schwierigsten Verhältnissen leiten mus. Der Unterbau der Eisen bahnen ist entschieden gut und die amerikanische Loco- motive ist leistungsfähiger, sicherer und in besserem Stande erhalten, als bei uns. Für die Sicherheit des Betriebes wird ein viel geringeres Betriebspersonal ver wendet als bei uns. Ein Besuch Amerikas zeigt, dafs unser wunder Punkt in dem Zustande der Landwirthschaft gelegen ist. Ein Zipser, den ich zufällig traf und fragte, wie es ihm gehe, antwortete mir: „Hier ist es besser, zu Hause aber schöner.“ Senden wir unsere Söhne nach Amerika, damit sie sehen, was arbeiten heilst, trachten wir, dafs unser Bauer sich eine gröfsere Bildung an eigne und seine Felder rationeller bewirthschafte, dann wird es auch bei uns besser werden, dann wird auch unsere Industrie einen gröfseren Aufschwung nehmen, denn die Elemente sind dazu vorhanden. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Journalismus. Oo Diejenigen Mitglieder des »Vereins deutscher Eisen hüttenleute«, welche an der Generalversammlung in Hamburg und Kiel theilgenommen haben, werden sich noch mit Vergnügen der überaus prompten und ausführlichen Berichterstattung erinnern, welche der dreimal täglich erscheinende »Hamburger Correspondent« den Verhandlungen und Excursionen des Vereins zu theil werden ließ. Erhielten wir doch beim Mittags mahl in Blankenese einen gedruckten Bericht über alles dasjenige, was sich am Morgen desselben Tages auf unserer Fahrt durch den Hafen u. s. w. ereignet hatte, nicht zu gedenken der ausführlichen Berichte, welche über die Verhandlungen am Sonntage uns Tags darauf in liebenswürdiger Weise während der Dampferfahrt überreicht worden waren. Eine so rasche und dabei durchaus genaue und zuverlässige Berichterstattung kann nicht Wunder nehmen, wenn man erfährt, dafs am »Hamburger Correspondenten« und der in demselben Verlage erscheinenden »Börsenhalle« gegenwärtig 27 Redacteure thätig sind und im ganzen ein Personal von 219 Mann beschäftigt wird. Eine derartige Entwicklung ist charakteristisch für den geradezu großartigen Fort schritt, den unser gesammtes Zeitungswesen im Laufe dieses Jahrhunderts überhaupt gemacht hat. Um den Gegensatz gegen die Zeitungsverhältnisse früherer Zeiten gekennzeichnet zu sehen, dürften die Leser es aus culturhistorischem Interesse beifällig aufnehmen, an dieser Stelle ein Zeitungsblatt aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts reproducirt zu sehen. Wir wählen dazu die in unserm Besitz befindliche Nr. 1 des »Hamburgischen Correspondenten«, welche int Jahre 1731 das Licht der Welt erblickte. Die ganze Nummer besteht aus 4 Quartseitchen von 23 X 19 cm un d hat folgenden Inhalt: