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672 Nr. 10. »STAHL UNI) EISEN.“ October 1888. Die Production von Roheisen, über welche ältere Nachweise nur für Preufsen vor liegen, war aufserordentlich gering; sie betrug 1798 erst 302491 Ctr. Die ersten genaueren Angaben für spätere Zeit stammen aus dem Jahre 1724; danach betrug die Erzeugung 716259 Ctr., wovon auf den rheinischen Hauptbergdistrict über die Hälfte entfiel (369129 Ctr.). In 26 Jahren war die Zunahme demnach eine aufserordentlich geringe. Anders in England. Zu Anfang der vierziger Jahre arbeiteten eine Reihe von Hochöfen in Wales mit einer ebenso grofsen Production als die 130 bis 140 Werke in der preufsischen Monarchie. Dowley mit seinen 20 Hochöfen, von denen 18 im Betriebe waren, producirte jährlich 21/2 Millionen Gentner, fast 5/7 der ganzen Production des Zollvereins. Freilich waren die Verhältnisse in Deutschland auch noch zu Anfang dieses Jahr hunderts äufserst ungünstig für die Entwicklung industrieller Thätigkeit. Die grofsen Kriege hatten das Land erschöpft, die Consumtionskraft geschwächt, den Unternehmungsgeist lahmgelegt. Die wirthschaftliche Trennung der einzelnen deutschen Gebiete und die mangelhaften Verkehrsverhältnisse hatten die deutschen Werke veranlafst, sich in der Hauptsache nur den Bedürfnissen der nächsten Umgebung anzupassen. Der Hauptschlag aber, den Napoleon gegen Englands Wirthschaftsleben zu führen gedachte, die Continentalsperre, hatte gerade zu dessen Aufschwung wesentlich beigetragen. Denn mit seiner unüberwindlichen Flotte alle feindlichen Schilfe vom Meere fegend, öffnete es seiner Handelsflotte freie Bahn, und wo nur das Weltmeer einen Hafen bespülte, da betrieb England erfolgreich den Absatz seiner Waaren und richtete sich mehr und mehr darauf ein, der Hauptproducent für alle Völker der Erde zu werden. In der Eisenerzeugung hatte sich England dieser Rolle bereits wesentlich bemächtigt. Das Uebergewicht zeigte sich für die deutsche Eisenindustrie besonders erschreckend zu Anfang der vierziger Jahre, als der auch in Deutschland durch den Eisenbahnbau aufser ordentlich gesteigerte Bedarf mit einer Absatzkrisis in England zusammenfiel. Dieses warf nun die Masse seiner Production auf den deutschen Markt; die Eiseneinfuhr stieg in wenigen Jahren von 12 bis 13 % auf 52 bis 55 % des Gesammtbedarfs, und die deutsche Eisenindustrie mufste fürchten, gänzlich unterdrückt zu werden. Unter diesen Umständen entschlofs sich der Zollverein im Jahre 1844 zur Einführung eines Roheisenzolles, und auch der Zoll auf Walzeisen wurde entsprechend erhöht. Mit dieser Mafsregel beginnt der Aufschwung der deutschen Eisenindustrie. Es ist durchaus nicht meine Aufgabe, heute hier für Zölle zu sprechen; ich citire nur einen Schriftsteller, Dr. Max Sering, der in den Schmollerschen Jahrbüchern von 1882 eine Geschichte der 'preufsisch-deutschen Eisenzölle geschrieben hat und dessen im übrigen objectiver Darstellung man Vorliebe für Zölle durchaus nicht nachsagen kann. Er constatirt aber, dafs die Erfolge jener Mafsregel ungemein günstig waren. Der eingeführte Zoll konnte die Eisenerzeugung mit Holzkohlen freilich nicht schützen, er förderte jedoch nachdrücklich die Einführung der Koks- und Steinkohlenbetriebe, welche sich etwa in den folgenden 25 Jahren vollzog, während England, ein Jahrhundert früher beginnend, zur Durchführung dieses Processes ein halbes Jahrhundert gebraucht hatte. Es begann überhaupt in der Montanindustrie der lebhafteste Aufschwung, die rührigste Arbeit. Kohlen- und Erzgruben wurden erschlossen und mit einander durch Schienenwege verbunden, in der Nähe der Lagerstätten wurden grofse Werke mit den damals vollkommensten technischen Einrichtungen angelegt. In den 60er Jahren hatte die deutsche Eisenindustrie einen Theil des Vorsprunges eingeholt, den England voraus hatte. Zu ihrer jetzigen grofsartigen Bedeutung für Deutschlands Stellung als Industriestaat gelangte sie jedoch erst nach dem Eintritt weiterer Umwälzungen in den allgemeinen politischen Verhältnissen unseres Vaterlandes und in der Eisenindustrie selbst. Die charakteristischen Eigenschaften des Eisens in bezug auf die verschiedenen Zwecke des Gebrauchs beruhen, abgesehen von den mehr untergeordneten Eigenschaften, die dem Eisen durch das Vorhandensein oder Fehlen anderer nützlicher oder schädlicher Neben bestandtheile gegeben werden, hauptsächlich auf dem gröfseren oder geringeren Gehalt an Kohlenstoff. Hiernach unterschied man Gufseisen, schmiedbares Eisen und Stahl. Das aus dem Hochofen genommene Gufseisen kann, infolge seines hohen Gehalts an Kohlenstoff, nur in geschmolzenem Zustande in eine bestimmte Form gebracht, gegossen werden. In einem zweiten Hüttenprocefs wird dem Roheisen durch Entziehung von Kohlenstoff, beziehungsweise Beseitigung anderer schädlicher Bestandtheile, die Eigenschaft gegeben, sich ohne Schmelzung durch Hämmern oder Walzen in bestimmte Form bringen zu lassen, ohne seinen Zusammenhang zu verlieren.