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haben, nicht eigentlich an der Elbe, sondern an der Alster und an der Bille. Mit dem Ausdrucke'„an der Elbe wohnen“ verbindet der Hamburger die Vorstellung eines Landhauses an der parkartig prächtigen holsteinischen Landstrafse nach Blankenese. Ein Blick auf die ausgehängte Reliefkarte läfst erkennen, dafs die Elbgegend bei Hamburg für den Handel fast vollständig in Anspruch genommen ist. Hier bei der Stadt ist das Aestuarium mit all seinen Buchten, Flethen und Inseln weit genug, um für eine lange Zukunft den Häfen und den grofsen Waarenlägern, den Schiffswerften und Welthandels-Industrieen Raum zur Ausbreitung zu bieten. Das hohe dahinter liegende Nordplateau wird fast rechtwinklig durchbrochen durch den Alsterflufs, welcher mit seinen gestauten Seen und Nebenbächen eine ausgedehnte und landschaftlich angenehme Seiten-Niederung bildet. Ein zweiter Elufs, die Bille, fliefst vom Sachsenwalde her oberhalb der Stadt durch die langgestreckten eingedeichten Marschen Billwärders und des Hammerbrooks in die Elbe. An diesen Flüssen breitet sich der moderne städtische Anbau aus, und zwar treibt er es neuerdings wie der Stör in unseren Strömen, er geht gegen den Strom. Die früheren Ansiedlungen des St. Pauli-Elbufers, des Grasbrooks, des Stein- wärders, soweit sie nicht auf Seeschiffstiefe angewiesen sind, verlegen sich nach der Veddel und Peute oberhalb der Elbbrücke, die Seeschiffshäfen selbst dringen ebenfalls bis zur äufsersten Grenze nach oben, bis zur Elbbrücke vor. In der Alsterniederung werden die von Altona, Barmbeck, Wandsbeck zu strömenden Nebenbäche des Isebeck, Osterbeck und Eilbeck und viele sonstige Rinnsale bald von der öffentlichen Verwaltung, bald von Privaten (Uhlenhorst, Mühlenkamp) mehr und mehr nach oben zu fortschreitend schiffbar gemacht und weit herum mit Bauplätzen, Vorgärten und öffentlichen Anlagen umgeben. Auf allen diesen zahllos überbrückten Wasserstrafsen (beiläufig beträgt die Anzahl der städtischen Brücken Hamburgs etwa 130) liefern die Elbschiffe, durch die Alsterschleusen aufsteigend, ihre Waaren, Baumaterialien, Lebensmittel und Feuerung direct in die Stadttheile. Auf der Alster tummeln sich schon über 1000 Vergnügungsboote, und eine Flotte von 30 Personendampfern macht den Pferde bahnen erfolgreiche Concurrenz. Um die von Jahr zu Jahr steigende Schiffsbewegung durch die Alsterschleusen be wältigen zu können, mufs man schon daran denken, die Schleusenbrücke mit zwei neuen Schleusenkammern auszurüsten. Um das Wasser zum Durchschleusen und Sielspülen zusammenzuhalten, hat man bereits den Betrieb der Stadtwassermühle einstellen müssen. Beiläufig bemerkt, wird augenblicklich in diesem Mühlengebäude an der Postbrücke eine auf eine Million Mark veranschlagte städtische elektrische Centralstation für den Jungfernstieg- stadttheil mit 10000 Glühlampen für Privatanschlüsse und Bogenlichtern für die Jungfern stiege eingebaut. In dem niedrigen und eingedeichten Revier der Bille und des Hammerbrooks ist erst nach dem Brande von 1842 ein industrieller Stadttheil gegründet. Jetzt fahren schon jährlich 120000 Waarenschuten durch die 3 Hammerbrook- und Billschleusen in das aus gedehnte Netz der dortigen Schiffahrtsstrafsen, so dafs augenblicklich eine vierte Schleuse mit 1200000 •6 Kosten am Stadtdeich eingelegt wird. Die Strafsen und Schiffahrtskanäle aber werden augenblicklich weit hinaus bis an die Grenze des städtischen Gebiets verlängert. Auch nöthigt das Uebermafs der Werthe von Menschen, Grund- und Waareneigenthum in dieser eingedeichten, von den Sturmfluthen der Elbe und hohen Oberwasserständen be drohten Gegend, mit einem Kostenaufwande von 4 000 000 •6 einen zweiten Deichschutz anzu legen, welcher als zweigeleisiger Eisenbahndamm in 11 km Länge bis Bergedorf an die Erhebung des Sachsenwaldes herangeführt wird und die jetzt in der Tiefe liegende Ham burg-Bergedorfer Strecke der Berliner Eisenbahn aufnehmen soll. Der Centralfriedhof und das Centralgefängnifs, diese beiden ernsten Vorläufer einer Grofsstadt, sind am weitesten, 11 km alsteraufwärts bis Ohlsdorf, vorausgeeilt. Die Alster schiffahrt, welche jetzt erst bis Eppendorf, Eimsbüttel und Barmbeck geht, wird ihnen wohl bald nachfolgen. Das neue Krankenhaus ist bis Eppendorf vorgeschoben, die neue Reichspost etwas muthig bis ans Dammthor gelangt, selbst das Rathhaus, die Gerichts gebäude und manche anderen Anlagen nehmen an dieser stromaufgerichteten Wanderung theil. Der alte Seeräuber Störtebecker, dessen Schädel wir unerfahrenen Bauleute bei den Zollanschlufsbauten ausgegraben zu haben vermeinten und durch die Aufnahme in die hier ausgestellte Sammlung unserer Ausgrabungen geehrt haben, würde heute nicht mehr auf dem mövenumkreisten Grasbrook, sondern im neuen Untersuchungsgefängnifs am Holsten- thor in eleganter architektonischer Umgebung seinen Geist aushauchen. Der Verkehr der Bevölkerung aller dieser weit von einander liegenden Stadttheile