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680 Nr. 9. September 1887. STAHL UND EISEN. „Er umfafste „sechs der Mafs’ und besiegte an Schönheit all’ auf der Erde „Weit; denn kunsterfahrene Sidioner schufen ihn sinnreich; „Aber Phönikische Männer, auf finsteren Wegen ihn bringend, „Boten im Hafen ihn feil und schenkten ihn endlich dem Thoas.“ Homer kennt nur Sidon. Die jüngere Hauptstadt Tyrus, von welcher der Prophet Hesekiel* singt: „Du hast den Handel auf dem Meere gehabt und allerlei Waaren, Silber, Eisen, Zinn und Blei auf den Markt gebracht -1 , kennt er noch nicht, obwohl Tyrus von dem ägyptischen Könige Sethos I. bereits um 1400 v. Chr. erobert worden ist. Von Sidon aus erfolgte um die Mitte des 13. Jahr hunderts die älteste Ansiedelung der Phönizier im ägäischen Meere auf Cypern, der klassischen Fundstätte des Kupfers. Bald darauf setzten sich die kühnen See fahrer auf Rhodos und Kreta fest und breiteten dann allmählich ihre Niederlassungen von den Inseln des griechischen Archipels über Griechenland und Italien bis nach Spanien aus, wo sie um das Jahr 1100 v. Chr. jenseits der Säulen des Herkules, an den Ufern des atlantischen Oceans, die Stadt Gades gründeten. In diese Zeit fällt der Niedergang Sidons und der Aufschwung von Tyrus. Die mächtige Stadt, deren grofsartiger Reichthum aus den Silberminen Spaniens erwuchs, „spendet Kronen, ihre Kaufleute sind Fürsten und ihre Händler die Geehrten der Erde.** *** Aristoteles erzählt, dafs die ersten phönizischen Schiffe so viel Silber geladen, dafs sie ihre Anker und Ketten in Spanien zurückgelassen und sich solche aus * Hes. 27,12 u. 19. ** Jesaias 23, 8. *** de mirab. auscult. 147. Silber angefertigt hätten. Nach dieser Anekdote zu urtheilen, müfsten Anker und Ketten aus werthlosem Metall, aus Eisen, gewesen sein. Nächst dem Silber war die Bronze und das Erz der wichtigste Handelsartikel der Phönizier, mit welchem sie lange Zeit, da der Reichthum ihrer Colonieen an Kupfer und besonders ihr Alleinbesitz des Zinnhandels sie dazu befähigten, alle ihnen erreichbaren Länderge biete förmlich überschwemmten. Ob die Bronze eine eigene Erfindung der Phönizier war, ist zweifelhaft, denn es steht einerseits fest, dafs diese Erfindung älter ist, als die phönizischen Seefahrten zu den britannischen Zinninseln und andererseits ist man sich darüber noch nicht einig, aus welchen Gebieten sie in älterer Zeit das Zinn bezogen. Die erste zuverlässige Nachricht über den phönizischen Bronzegufs liefert uns die aus führliche biblische Beschreibung der Leistungen des vorgenannten Hiramschen Künstlers beim Bau des Salomonischen Tempels, die danach so aufscrordcnt- licher Art waren, dafs man wohl berechtigt ist, die asiatische Erfindung der Bronze noch um einige Jahr hunderte vor dieser Zeit anzusetzen. Ueber die Bekanntschaft der Phönizier mit dem Eisen haben wir nur spärliche Nachrichten, doch geht sie gewifs in eine sehr frühe Periode zurück; zahl reicher sind Aufzeichnungen über ihren Handel mit diesem Metall, obwohl derselbe neben dem Handel mit so kostbaren Dingen wie Silber und Erz und weil die phönizischen Schiffe überall, wo sie landeten, den Gebrauch des Eisens schon antrafen, nur eine unter- geordnete Rolle spielte. Auf den Wegerr ihres Handels, die zu Wasser und zu Lande ganz Europa umkreisten und durchquerten, übertrugen die Phönizier allmählich die hochentwickelten metallurgischen Künste des Orients nach Griechenland, Karthago, Italien, Sicilien, Gallien und Spanien und selbst in noch entferntere Gebiete der Barbaren. (Schlufs folgt.)