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195 196 wie der Arme und Brust bloßlassendcn Kriegskkeidung (der darüber getragene Harnisch war Waffe, nicht Wet terschutz) in der äußersten Kälte, unter Schnee unv Eis, so gut wie in der Hitze Spaniens, Afrikas und Syriens ausdauerten. Jndeß finden wir denn doch, daß die Kricgsleute, welche in Gallien, Germanien und Britannien anhaltende Feldzüge zu bestehen hat ten, wie das natürlich ist und überall geschieht, sich allmälig die inländischen Verwahrungsmittel gegen die Unbilden eines ungewohnten Himmelsstrichs aneigneten. Schon der unglückliche DichterOvid erzählt, daß sich die in seinem Verbannungsorte Tomi an der un teren Donau unter den getischen Barbaren lebenden Griechen an die ihm abscheulich dünkenden Hosen ge wöhnt haben. Er selber, so ein zärtlich gewöhnter Musensohn er war, scheint sich zu denselben nicht ver standen zu haben. Dagegen marschirte Allinus Cäcina, der von Köln aus dem nach Italien auf brechenden Vitellins durch Gallien und Hclvetien Bahn machen mußte, an der Spitze seiner Schaaren in bunt schillerndem kurzen Kriegsmantel (einem schottischen Plaid) und den Hosen der Barbaren, und in solchem Aufzuge haranguirte er die Deputationen und Muni- cipalitäten der lombardischen Städte. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieses Beispiel Nachahmer gefunden habe; ganz bestimmt aber darf man aussagcu, daß solche Tracht an einem Römer in der Hauptstadt die äußerste Entrüstung erregt und ihm ernstliche Nngele- genheiten bereitet haben würde. Ans der Art, wie der griechische Schriftsteller Herodianus das Ende des Kaisers Caracalla erzählt, der bekanntlich das Leben verlor, wie späterhin der Kalif Moawia das Reich des Propheten, indem ihn nämlich eine unumgängliche Naturnothwendigkeit vom Pferde trieb, sollte man mei nen, derselbe habe Beinkleider getragen; allein eS wird davon anderweitig nichts berichtet. Gewiß jedoch ist es, daß um diese Zeit dieses Kleidungsstück bereits in Aufnahme war, wenn es gleich für das eigent lich römische Costüm unbedingt abscheulich geschienen haben würde. Noch Kaiser Honorius verbot unter andern von den barbarischen Gothen angenommenen Trachten ausdrücklich die Hosen. Demohngeachlet gab es in Rom längst eine Vor bereitung auf diese Bedeckung der unteren Körpertheile. Es ist gewiß nicht zu leugnen, daß die alte Art, mit unbedeckte», wenigstens nicht ein Beinkleid unmittelbar auf sich tragenden Schenkeln und Beinen zu gehen, diesen Theilen eine kräftige Festigkeit gab und den Körper vor manchen krankhaften Einflüssen bewahrte, ! die gerade von allzugroßer Empfindlichkeit dieser Thcile, ! der Träger und wahren Grundsäulen des Ganzen, leicht entstehen. Aber doch wiederum aus Gesund heitsrücksichten trugen schwächliche und kränkliche Per sonen wollene Binden sowohl um die Oberschenkel als die Unterschenkel gewickelt, was man Femoralien und Tibialien nannte. Wer sieht nicht, daß diese Stücke ein Surrogat sind für die den Römern so bitter ver haßten Beinkleider der Barbaren und zugleich das Musterstück und der Vorläufer der gleichwohl erst im späteren Mittelalter vorgenommenen Trennung der lan gen, das ganze Bein umhüllenden persisch-gallischen Pluderhose in das eigentlich jetzt sogenannte Beinkleid und in die Strümpfe? Bei Bettlägerigen waren jene Binden um Schen kel und Waden ein unverfängliches ärztlich angeordne tes Hülfsmittcl. Als dagegen der große Pompejus damit aus dem Markte Roms erschien, weil er ein Geschwür zu bedecken wünschte, ja nach allen Regeln einer ver nünftigen Gesundhcitssorge bedecken mußte, war des Gcwitzels darüber kein Ende, und der Freiheitsaffe FavoniuS, der ungeschickte Nachahmer des uticenti- schen Cato, wollte dahinter ein Attentat auf die Re publik wittern und spöttelte, da die weiße Binde dem weißen Kaisertürban deö Partherfürsten gleich schien: ,,es komme nicht darauf an, an welchem Theile des Leibes das Diadem getragen werde." Der famose Clodius trug ähnliche Schenkelbinden von Purpurfarbe, denen man keine politische Deutung gab, obgleich Cicero auch auf sie seine fatyrische Laune ausgießt. Selbst dem Augustus wurde es keineswegs von allen Seiten verziehen, daß er, altrömischer Abhärtung und Sitten strenge zuwider, obgleich durch seine gebrechliche Ge sundheit entschuldigt, im Winter Binden um die Beine trug. Da er außerdem in dieser Jahreszeit noch ein leinenes Hemd, sodann vier Leibröcke und über dem Arm endlich eine dicke, also wohlgefütterte Toga trug, so mag er allerdings bei seinen Römern mitunter kuriose Betrachtungen angeregt haben. Sein Beispiel indeß wirkte, wie es mit Beispielen der Mächtigen geht, auch wo cS Widerspruch oder Bekrittelung fand, mit unwiderstehlicher Gewalt, so daß die Nachah mung bald allgemein wurde, und jene Binden fign- riren von nun an bei der römischen Mäuuertoilettc ganz wie bei uns die Beinkleider und Strümpfe.