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23 24 Ansichten von Augustin Canneva -). 1) Verhältnisse derMeister zu denGesellen. Die große Mehrzahl der Schneider sieht sich ver anlaßt oder genöthigt, in den Städten, namentlich in den großem Städten, zu wohnen, wo alle Lebensbe dürfnisse immer etwas theurer, die Gelegenheiten zu Ausgaben vielfältig vorhanden, Vergnügungen nnd Lustbarkeiten gar so lockend sind; überdieß die Gewohn heit des Komfortablen und des LuruS täglich neue Wünsche erregt, neue Ausgaben ins Leben ruft. Hiezu kommt denn eine, in unfern Zeiten immer zahlreicher werdende Concurrenz, in manchen Ländern sogar unbeschränkte Gcwcrbefreiheit, d. h. ein Druck der Besitzenden gegen die Nichtbcsitzendcn, eine unab wendbare Verewigung der Armuth, eine Verdammniß jedes unbemittelten Meisters unter das Joch von Spe kulanten oder erzwungenes Feiern die ganze Woche hindurch, also Hunger und Kummer, oder die unver meidliche Nothwendigkeit — gleichsam als Geselle für andere Meister zu arbeiten. Allen diesen Ursachen entspringen für Character, Gewohnheiten und Sitten höchst beklagcnswerthe Uebcl- stände und Verschrobenheiten, welche ich hier ohne Scheu auseinandersehe, weil ich noch immer für meine Kunstgenossen die lebhafteste Sympathie empfinde und nichts sehnlicher wünsche, als eine Verbesserung ihres Schicksals. Ich erwähnte, daß die Schneider zum Aufenthalt in Städten, namentlich in großem Städten, genöthigt sind, weil ihre Profession in Dörfern beinahe auf nichts sich reducirt. Aber in den großen Städten sind alle Lebensmittel theurer, mithin können die Arbeiter weni ger ersparen, während Vergnügungen ohnehin häufiger zu Ausgaben veranlassen. Dadurch wird ihre Lage, sogar in den Zeiten, wo es an Arbeit nicht mangelt, stets prekär bleiben: wenigstens gewiß bei den Meistern und Gesellen, welche nicht geradezu unter die Classe ") Wir wiederholen für Alle, welche jetzt erst dem Abonne ment dieser Zeitschrift beitrctcn, aus vielfache Anregung, diese Ansichten des ehemaligen Schneidermeisters Augustin Can neva in der Ucberzeugung, daß wir jedem vernünftigen Schnei der damit einen Gefallen erweisen, reichen Stoff zum Nachdenken bieten und, wenngleich nicht Jeder über Alles mit ihm einver standen scyn sollte, vielleicht Veranlassung zu Beseitigung von mancherlei Unbilden, Unannehmlichkeiten und Uebelständen zu geben, indem offenbar Manches von dem, was er über die Schnei- derverhültniffe in Frankreich sagt, auch mehr oder weniger auf deutsche Zustände paßt. A. d Redact. der größer» Modelieblinge gehören, was doch in jeder Stadt immer nur Einzelne seyn können. Ein gründlicher Gelehrter sagt: „Die in den Städten coneentrirtc manufacturiclleIndustrie vermehrt deren Bevölkerung sehr schnell, weil sie die Bewohner der Dörfer dahin zieht, welche ein höherer Arbeitslohn, als sie auf dem Land erhalten können, unwiderstehlich dahin lockt. Seil 20 Jahren haben Lyon, St. Quen tin, Rouen, Elbeuf, St. Etienne, Mühlhausen ic. be deutend zugenommen. Was entsteht nun natürlich in Zeiten aller Handelskrisen? Ein beinahe unabwendba- res, unermeßliches Elend! „ Die einmal Arbeiter in Städten gewordenen Land bewohner wollen sich zu der Arbeit beim Landbau nicht mcbr bequemen, verschmähen den kleinen, obgleich weit sicherer» Tagelohn. Als erste uud natürliche Folge ihrer Anhäufung an demselben Ort erscheint eine auf fallende Verschlimmerung ihrer Sitten; ei» gegenseiti ges Reiben, Herabsetzen, Beneiden; jene unglückselige Gewohnheit des VerschleudernS der Arbeit um niedrigeren Lohn, der Preisherabsetzungen. Zieht sich solche arbeitslose Zeit etwas in die Länge, so muß man endlich seine Zuflucht zur öffentlichen Mildthätigkeit zum Almosen der Communen oder gar zur Straßenbettelei nehmen, glücklich genug sich prei sen, wenn nicht Elend und Hunger sogar zum Ver brechen treiben! ,,Dieß ist unleugbar das traurige Loos der arbei tenden Klasse, die in den Städten zu zahlreich sich ange häuft hat; dieses traurige Loos ist zugleich ein un vermeidliches, weil solche Handelskrisen beinahe periodisch überall zurückkehren, aus mancherlei Ursachen in neue ren Zeiten häufiger als je cinzutreten scheinen." (Fortsetzung folgt.) Bei',» Verleger dieses ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Handbuch der Kattunfabrication und die Kunst, Leide und seidene Zeuge zu färben. Nach dem allerneuestrn Standpunkte von F. W- Geest. K Nthlr. oder 1 fl. »v kr. Der Verf. seit einer Reihe von Jahren praktisch als Vor stand bedeutender Fabriken beschäftigt und in stetem Fortschritt begriffen, vereinigt mit seinen vielen eignen Erfahrungen eine gründliche Kenntniß der neuesten Chemie und Mechanik u. weist hier ohne Rückhalt alle die Handgriffe und Zusammensetzungen nach, welche bisher als Fabrikgeheimniffe betrachtet, in allen bis her erschienenen Werken, selbst in den großen und thcuern, feh len, ohne deren Anwendung aber weder eine Kartunfabrik, noch Färberei bestehen kann. Mvdcbilder L — V. Patronen 1 —1L.