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193 194 Die menschliche Kleidung. (Schluß.) Die konische Filzmütze des Bajazzo auf unfern JahrmarktSgaukelbndcn und englischen Reitcrcirken ist der Freiheitshut der römischen Sklaven. Unser heuti ger Rundhut dagegen, so gut, als der dreieckige des vorigen Säculums, ist offenbar lediglich durch allmä- lige Umformung des alten thessalischen Reisehuts ent standen. Zuerst wurde die eine Krampe aufgebogen und daran eine Reiger- oder sonstige Feder nebst Agraffe befestigend, hatte man den mittelalterlichen Hof- und Ritterhnt, welcher im spanischen Costüm noch jetzt ge bräuchlich ist. Hieraus krampte man beide Ränder empor, in welcher Gestalt noch zuweilen die Hüte un serer Bedienten und Postillone figuriren, worauf in ei nem Zeitalter gothischer Eckigkeit und Schnörkelhaftig- keit der geistreiche Einfall nahe lag, die eine dieser aufgebogenen Krämpen zu einem dreieckigen Geräthe schnabelhaft nach vorn zu zwängen. Pnnkleidcr und Strümpfe. Die Hose oder das Beinkleid ist eine Erfindung der weichlichen Meder, von welchen es die Perser und Parther, sowie die Nachfolger dieser aller, die Türken, angenommen haben. Sie trugen cs weit und bauschig und bis auf die Knöchel hcrniedergehcnd, wo cs leicht zusammcngcbunden oder in die Stiefeln gesteckt ward. Das Aussehen, welches eine solche Tracht der Men schengestalt gicbt, dünkte den Griechen äußerst lächer lich, und ihre Spaßvögel scherzten, die Perser gingen in Säcken einher. Ohne Zweifel war dicß Kleidungs stück bei den Orientalen gleich Anfangs aus Nesseltuch oder Moussclin; es kommt häufig in gefärbten, ganz besonders aber in gestreiften Zeugen vor. In solchen gestreiften langen und weiten Hosen ließ man auf der griechischen und römischen Bühne die Sklavenhändler, Kuppler und Dirnenwirthe auftrcten, Damit diese Per sonen die ganze Verächtlichkeit ihres Gewerbes sogleich im Anzuge kundgäben. Denn jenen Völkern schien die Barbarei nach ihrer ganzen grellen Brutalität in keinen Stücken mehr hcrvorzuleuchten, als in drei Din gen, welche daher auch auf antiken Kunstwerken als Hauptzeichen barbarischer Sitte und Abkunft erscheinen, und diese Dinge sind der Schnurrbart, die Hose und gestreifte oder karrirte Zeuge. Nur wer im klebrigen den Bart wachsen ließ, jene alten unbesch orenen Graubärte der strengen Zeit, gestattete auch dem Barle über der Oberlippe seinen Wuchs; öfter schnitt man ihn ab, selbst wenn man den untern stehen ließ; allein ohne den unteren Bart ließ man ihn nie stehen. Diese kokette Lieblings zier unserer heutigen sogenannten Löwen war demnach keineswegs nach dem Geschmack edler Griechen und Römer; es ist aber interessant, daß sich dieselbe auf alten Bildwerken gerade hauptsächlich als Abzeichen der Deutschen und Gallier findet. Aber auch eine heutige Dame, welche in einen schottisch gewürfelten oder zcbrastreifigen Stoff sich zu kleiden beliebt, würde vor diesen scharf urtheilcnden Schönheitsrichtern keine Gnade finden, wenn schon in Juvenals Zeiten selbst zu Rom einzelne zur Ausländern sich hinncigcnde Weichlinge dergleichen Muster sogar an Mäuncrklei- dern für schön hielten. Was die Beinkleider betrifft, so müßte jenen klassischen Geschlechtern heutzutage die gcsammte Bevölkerung Europa's, ihre eigenen Nach kommen nicht ausgenommen, ans Barbaren zu bestehen scheinen. Jenes lange weite Beinkleid muß ein allgemeines Kleidungsstück der asiatischen Bergnationen gewesen seyn, da es auch den nördlich vom Kaukasus sich in Asten und Europa hinbreiteuden scythischen, was wir jetzt sagen würden, slawischen, so gut wie theilweise den germanischen und beinahe allgemein den keltischen Na tionen gemein war. Die Scpthen und alle diejenigen Barbaren, welche noch keine gewebten Zeuge kannten, trugen cs von Leder, aber größtertheils ebenfalls weit, durchaus übrigens lang herabgehend. So die Sarmaten (Polen) und unter den Germanen namentlich die Van- gionen bei Worms. Dagegen trugen einzelne vornehme Germanen enganschließende Beinkleider. Die Gallier insgesammt trugen lange weite Hosen, und derjenige Theil ihres Landes, welcher außerhalb der bereits vor Julius Cäsar romauisirtcn Provinz (Provence) lag, hieß daher in der herkömmlichen Bezeichnung das b e - hoscte Gallien. Obgleich übrigens Gallien durch Zeugwebcreien, wie wir sehen werden, frühzeitig bedeu tend war, zeigt sich doch, daß auch bei ihnen die Bein kleider meistens aus Leder waren. Bei den Römern fanden diese gesammten Natio nen mit der Entschuldigung, daß ihr Klima solch eine Tracht ihnen nothwendig mache, wenig Beifall, da sie selbst in ihrer leichten, den größten Theil der Beine