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ging mir nahe. Ich erkannte, daß ich ihr eine Herr schaft über mein Herz eingeräumt hatte, und beklagte mich zärtlich über ihr verändertes Wesen, seitdem ich an Wichtigkeit zugenommcn hatte. „Ach!" antwortete sic mir, „das macht, weil ich damals Hoffnung hatte, Sie würden meinen Willen thun, während ich jetzt fühle, daß cs mir nicht gelin gen wird." „Gratulircn Sie sich dazu und verzichten Sie auf ein so gefährliches Spiel; Sie können glücklich werden, wenn Sie die Diplomatie vergessen." — Acht Tage darauf setzten mich ein Bedienter und einer meiner Sekretäre davon in Kcnntniß, daß man sie habe bestechen wollen. Eines Abends spät, als ich allein und zu Fuß nach Hause ging, sielen mich am Ende der Rue de Hanovre zwei Männer an, und sie würden mich ermordet haben, wenn sie nicht ein Pa trouille erblickt hätten. Ein anderes Mal erhielt ich beim Herausgehen aus dem Opernhause im Gedränge einen Dolchstich, der jedoch mein mit Papieren gefüll tes Portefeuille von Maroquin traf. Ich verschwieg diese Versuche, um meine Familie nicht zu beunruhigen, machte aber bei der Polizei An zeige und bat, für meine Sicherheit Sorge zu tragen. Wie weit war ich von der Wahrheit entfernt! An einem schönen Morgen kommt der Herzog von Ro- oigo hastig zu mir, sein Erscheinen setzt mich in Er staunen. „Kennen Sie, Herr Graf," fragt er mich, „eine Gräfin Wontorden?" „Ich sehe sie mitunter." „Es würde Ihnen wohl sehr unangenehm sein, wenn ich sie arrctiren ließ?" „Sie haben also etwas mit einander vor?" „Nein, ich nicht, aber Sie." „Ich, ich habe nichts wider sie," entgegncte ich lachend, „und ich glaube auch nicht, daß sic meine Feindin ist." „Wie man sich täuschen kann! Sie haben mir zwei Mordversuche auf Ihre Person angezeigt, es sind deren fünf gemacht worden, auch wurde wieder einer auf morgen vorbereitet." Diese Worte stürzten mich aus meinem Himmel. Meine zärtliche, meine himmlische Gräfin, die ich be kehrt hatte, sollte mich verrathen und mir sogar nach dem Leben trachten! Meine Bestürzung brachte bei dem Herzog eine Heiterkeit hervor, die ich ihm wenig Dank wußte, dann holte er einige Papiere herbes an deren Aeußern ich erkannte, daß cs Polizeirapporte waren, und las vier davon in folgender Ordnung: Nr. I. In der Straße . . ., Hotel . . ., wohnt seit zwei und einem halben Monat die Gräfin Alber tine von Wontorden, eine vornehme Dame aus Oester reich, die nach Paris gekommen ist, um die Annehm lichkeiten dieser Hauptstadt zu genießen und die- Aerzte zu consulriren. Sie hat indessen bis jetzt noch keinen. Sie kommt mit dem Herrn Grafen Regnauld de Saint-Jean-d'Angely häufig zusammen, hat Geschäfte mit ihm, macht ihm für Geld Zumuthungen, erhält Gunstbezeugungcn und zieht Nachrichten von ihm ein, die sie gut zu benutzen weiß. Aber dieß ist noch nicht Alles, diese angebliche deutsche Gräfin ist eine Englän derin von Geburt, Tochter eines englischen Ministers, Namens P...., die auf den Kontinent und-' nach Frankreich gekommen ist, mit dem Aufträge, 'für die Sache der Bourbons Anhänger zu gewinnen. Dieß ist durch aufgefangenc Corrcspondenzcn, die mit Ehiffern geschrieben waren, entdeckt worden. Nr. 2. Das Leben des Grafen Regnauld ist in Gefahr; in der verwichenen Nacht haben in der Straße Hanovre ein Italiener und ein Engländer, die im Solde der genannten Gräfin stehen, einen Mordversuch auf ihn gemacht, eine Patrouille hat sie gestört, der Italiener hat sich darauf zu Bette begeben, der Eng länder dagegen ist zu seiner Maitresse gegangen und hat sich betrunken. Dieses Mädchen, welches von der Polizei eine Prämie erhält, hat ihn zum Ausplaudern gebracht und er hat den verunglückten Streich erzählt. Auf Befragen, warum diese Abenteurerin den Tod des , Herrn Regnauld wolle, hat er geantwortet, er wisse es nicht. Nr. 3. Als der Herr Graf Regnauld am letzten Dienstag in den Hof des Fürsten Erzkanzlers fuhr, flog eine Kugel aus einer Windbüchse durch die Wa- genthür, sie machte aber, da die Fenster herabgelassen waren, kein Geräusch. Es war der Italiener Marko, der geschossen hatte; der Engländer und zwei Banditen standen bei ihm. Dieses hat ebenfalls der Engländer Hill seiner Maitresse erzählt. Nr. 4. Man hat einen Scheucrmann des genann ten Grafen Regnauld zu gewinnen gesucht, der ein Pulver, das man ihm geben wollte, in Flaschen und Wasscrkrüge thun sollte, aus welchen der Graf das Wasser, das er gewöhnlich trank, einzuschenken pflegte u. s. w. „Nun, Herr Graf!" sagte der Polizeiminister, „bin ich schlecht unterrichtet?"